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Zwei Meinungen: Bietet die Europameisterschaft langweiligen Fussball?

England, Frankreich, Italien, Kroatien oder Portugal. Die Liste der Teams, die an dieser EM grösstenteils enttäuschenden Fussball zeig(t)en, ist illuster. Aber bedeutet das auch, dass das Turnier – wie u.a. von Brasilien-Legende Ronaldo geäussert – langweiligen Fussball bietet? Unsere Redakteure Younes Hdk und Patrick Y. Fischer sind sich uneinig.

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Hier passte beides: Ein Aussenseiter (Georgien), der sich nach Kräften wehrte und ein Favorit (Spanien), der sich schlussendlich spektakulär durchsetzte. © KEYSTONE

Younes Hdk sagt: Ja

Lassen Sie sich nicht von einigen Mannschaften täuschen: Spanien, die Schweiz, die Türkei und Deutschland haben fast im Alleingang versucht, das Spektakel dieser EM zu retten, aber überall sonst war der Fussball nur noch taktisch, robotisiert und trostlos.

Wenn Sie zu dem kleinen Kreis der Eingeweihten gehören, die sich über eine gut ausgeführte Defensivarbeit, Blockierungen von Schüssen oder über zahlreiche Ballwechsel von rechts nach links und wieder zurück begeistern können, dann haben Sie diese EM vielleicht genossen. Aber ich, meine Damen und Herren, bin mit der EM 2000, der EM 2004 und der Weltmeisterschaft 2006 aufgewachsen, und ich werde dieses fade Getränk niemals schlucken.

Was für ein trauriger Jahrgang, diese EM 2024, eine Ausgabe, in der der beste Torschütze "Eigentor" heisst und der Durchschnitt an Toren pro Spiel bei 2,22 liegt (während die Ausgaben von 2000 bis 2012 um die 2,5 Tore pro Spiel lagen). Über die Zahlen hinaus lügt das Gefühl nicht. Wir sind in eine Ära eingetreten, in der man mehr auf die Fehler des Gegners setzt, um ein Tor zu erzielen, als auf Kreativität. Dieser extreme Fokus auf "Fehler" führt dazu, dass die Mannschaften viel mehr darauf achten, keine zu machen, als zu versuchen, das Spiel zu gewinnen. Weder das gestrige Spiel (noch möglicherweise das heutige) wird mich vom Gegenteil überzeugen; ein paar Lichtblicke in der Dunkelheit werden diesmal nicht ausreichen.

Und wenn wir uns auf die reine Ästhetik beschränken, ist dieser Fussball ultra-mechanisiert geworden. Kraft und Geschwindigkeit haben völlig die Oberhand gewonnen, aber in einem globalisierten Fussball können selbst Spieler kleiner Nationen wie Slowenien oder der Slowakei jetzt in athletischer Hinsicht mithalten, und das reicht normalerweise aus, um den Gegner zu neutralisieren und uns ein torarmes Spiel zu bieten.

Der Genialität scheint verschwunden zu sein und mehr denn je zählt nur das Ergebnis, der Fehler des Gegners, den die meisten Mannschaften ausnutzen, anstatt zu versuchen, den Gegner zu übertreffen. Ja, natürlich haben manche Mannschaften schon immer defensiv gespielt und es an Ambition fehlen lassen. Man kann von einem Aussenseiter nicht verlangen, "Total Football" gegen haushohe Favoriten zu spielen, aber das Problem heute ist, dass die grossen Nationen (wie Frankreich, Portugal, England) beschlossen zu haben scheinen, sich wie die kleinen von früher zu verhalten. Es gab eine Zeit, da uns ein Frankreich gegen Portugal bei der EM drei Tore bescherte, anstatt das 0:0 nach 120 Minuten tödlicher Langeweile, das wir vor einer Woche gesehen haben.

Geben Sie mir meine Van Nistelrooys, Zidanes, Rooneys, Tottis zurück, denn dieser Fussball lässt mich endgültig kalt...

Patrick Y. Fischer sagt: Nein

Langweilige Spiele oder gar eine langweilige EM? Ganz ehrlich, daran habe ich seit Turnierbeginn nicht einen einzigen Gedanken verschwendet. Im Gegenteil. Als Fussball-Fan habe ich die vergangenen dreieinhalb Wochen genossen. Ein ganz grosser Teil der Spiele war spannend, geprägt von aussergewöhnlicher Athletik und Dynamik, die mich nahezu jeden Tag von Neuem überrascht haben. Natürlich gab es auch ein paar Ausreisser nach unten, aber die gehören seit jeher zur Geschichte eines Turniers. Auf der anderen Seiten haben ganz viele Aussenseiter ihr Soll mehr als nur erfüllt.

Gerade dieser Punkt war für mich einer der herausragenden Aspekte der UEFA Euro 2024. Zum dritten Mal umfasste die EM 24 Teilnehmer und noch nie gab es so wenige eindeutige Spiele. Diese waren in ihrer Häufigkeit an einer Hand abzuzählen, was für mich als Anhänger von kompetitivem Sport das wichtigste Merkmal eines gelungenen Wettbewerbs ist. Wer will denn schon Spiele sehen, die in ihrer Dramaturgie bereits nach einer halben Stunde eindeutig und ohne echte emotionale Höhepunkte verlaufen? Ich nicht und gerade deshalb gefielen mir die Auftritte der sogenannten Kleinen wie Albanien, Georgien oder Slowenien, die ihre favorisierten Kontrahenten während nahezu jeder Turnierphase auf die Probe stellten.

Klar, wer für die Beurteilung eines Fussballspiels oder eines Turniers rein spielerische oder offensive Kriterien herbeizieht, hat durchaus Anhaltspunkte um sich zu beschweren. Oder er oder sie trauert möglicherweise einer Art von Fussball hinterher, die bei genauerer Betrachtung schon seit Jahrzehnten immer seltener zu beobachten ist. Fakt ist, dass der Fussball – wie nahezu sämtliche Sportarten – immer schneller und athletischer wird, gepaart mit einem taktischen Verständnis, dass sich von A wie Andorra bis S wie Spanien nicht mehr allzu gross unterscheidet. Dass macht es für «grosse» Nationen schwieriger, sich mit spielerischen Mitteln durchzusetzen. Immer häufiger müssen auch sie sich ihre Erfolge erarbeiten.

Und genau das empfinde ich als positive Abwechslung zum Alltag in den nationalen und internationalen Ligen, wo die Favoritenrollen oft klar und deutlich vergeben sind und Überraschungen – das Salz in der Suppe – zunehmend fehlen. Natürlich hat das viel mit dem finanziellen Ungleichgewicht im Fussball und mit der Tatsache zu tun, dass Nationalteams nie so eingespielt auftreten, wie ein Klubteam, schlussendlich ist es mir aber wichtiger spannenden als schönen Fussball zu sehen. Und: Wer sagt denn, dass die verbleibenden EM-Spiele nicht doch noch mit dem einen oder anderen Leckerbissen aufwarten? Spannend und kämpferisch dürften sie auf alle Fälle werden.

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