ZSC Lions: Viele Trümpfe – aber die Titelverteidigung ist kein Selbstläufer
Die ZSC Lions erobern den europäischen Thron, haben mit dem Gewinn der Champions Hockey League den ersten Titel bereits im Sack und die Weichen dafür gestellt, um in den nächsten Wochen mit der Titelverteidigung in der National League den nächsten Erfolg zu feiern.
Es war ein fettes Ausrufezeichen, das die Zürcher da am Dienstag gesetzt haben. Der 2:1-Sieg im «Finale dahoam», wie man es bei den Fussballern in München so schön zu sagen pflegt, war beeindruckend. Der Beweis, dass nach dem Gewinn des Meistertitels im vergangenen Frühling der Appetit geblieben ist und nicht durch Genügsamkeit abgelöst wurde, auch wenn die Zürcher in dieser Saison nicht immer sattelfest gewirkt haben.
Doch gegen das starke schwedische Team von Färjestad haben sich mehrere Faktoren gezeigt, welche den Lions für die finale und entscheidende Phase in der National League viel Mut machen.
Mannschaft
Die Zürcher haben ein breites und von hinten bis vorne breites Kader mit einer perfekten Mischung. Im Tor zeigt Simon Hrubec immer wieder, dass er zu den Meistern seines Fachs gehört und ein Mann für die entscheidenden Momente ist. Gegen Färjestad rettete er mehrmals mirakulös, behielt auch in hektischen Situationen kühlen Kopf, liess sich nur einmal bezwingen und entschärfte 96,88 Prozent der gegnerischen Schüsse. Ganz klar, der Meistergoalie ist einer der grossen Trümpfe bei den Zürchern.
Doch auch die Offensive hat es in sich. Denis Malgin hat zuletzt immer mehr Schwung aufgenommen und ist brandgefährlich. Sein kongenialer Partner Sven Andrighetto glänzte einmal mehr als Scharfschütze, wurde mit zwei Toren zum Matchwinner, war mir 22 Skorerpunkten (10 Tore, 12 Assists) der Topskorer des Wettbewerbs und wurde ebenso logisch wie verdient als MVP dieser Champions League-Saison ausgezeichnet.
Entscheidend ist auch die Mischungin diesem Team. Mit Routiniers wie Captain Patrick Geering (35), Dean Kukan (31), Yannick Weber (36), Christian Marti (31) oder Chris Baltisberger (33) und jungen und talentierten Akteuren wie Vinzenz Rohrer (20), Nicolas Bächler (21), Alessandro Segafredo (20) und Daniel Olsson (19), die ihr immenses Potenzial längst gezeigt haben. Diese Kadertiefe ist beeindruckend und unterstreicht, dass der Weg mit der Lions-Pyramide der richtige ist. Dazu kommen die Importspieler, die im Unterschied zu früheren Jahren – die vergangene Meistersaison ausgenommen – auch höchsten Ansprüchen genügen.
Trainer
Als Erfolgstrainer Marc Crawford Ende 2024 aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, geriet die ZSC-Maschinerie kurzzeitig ins Stocken. Der Start unter seinem Nachfolger Marco Bayer verlief schleppend, doch die sportliche Führung um GM Sven Leuenberger blieb dem eigenen Weg treu, hielt am Coach fest, den sie vom Farmteam GCK Lions geholt und so befördert hatten. Und Bayer überwand die anfänglichen Hindernisse, setzte auch Zeichen, beispielsweise in dem er kurz nach seinem Amtsantritt Druck auf Superstar Malgin ausübte, als er öffentlich erklärte. «Von ihm muss mehr kommen!»
Marco Bayer ist es gelungen, das schwere Erbe von Marc Crawford anzutreten. Gemeinsam mit seinem Staff schaffte er es, die Spieler bei Laune zu halten, die Belastung zu steuern und auch eine heftige Grippewelle im Team zu überwinden. Und er setzt auf Kontinuität, tauscht sich mit Vorgänger Crawford aus und dachte auch nach dem Triump in der Königsklasse an ihn: «Das hier ist zu einem grossen Teil ihm zu verdanken. Er war Headcoach bis am 28. Dezember. Ich durfte in einer komfortablen Ausgangslage übernehmen. Grossen Respekt an Marc!»
Mentalität
Natürlich, die Zürcher haben viele Stars und Künstler in ihrem Kader. Aber auch sie sind bereit, ihr eigenes Ego dem Team unterzuordnen. Für den Erfolg an die Schmerzgrenze zu gehen. Sich aufzuopfern. In die Schüsse zu werfen. In diesem «Do-or-die»-Spiel gegen Färjestad haben sie die für die Playoffs nötigen Fähigkeiten bewiesen. «Genau das zeichnet diese Mannschaft aus. Sie weiss, wann sie den Schalter umlegen muss. Die Spieler sind erfahren genug», erklärt Marco Bayer den Fakt, dass sein Team am Tag X bereit sein und die Top-Leistung abrufen kann.
Auch in den Playoffs spielt der Kopf eine zentrale Rolle, diese Selbstverständlichkeit des Siegens. Das Dagegenhalten in engen Partien. Das Erreichen des ersten Saisonziels nimmt bei den Zürchern nun einen gewissen Druck weg und kann im Hinblick auf die finale Phase in der National League für einen zusätzlichen Boost sorgen. Gleichzeitig haben die Lions nach der europäischen Krönung deutlich gemacht, dass sie noch Hunger auf mehr haben. Champagner- und Bier-Orgien blieben aus, stattdessen war auf dem Eis Mineralwasser das bevorzugte Getränk.
«Klar, dieser Titel bedeutet uns viel. Wir haben nun eines unser zwei Saisonziele erreicht. Dementsprechend happy dürfen wir sein», erklärte Captain Patrick Geering, der schon 2009 dabei war, als die ZSC Lions auf dem europäischen Parkett triumphierten. «Wir sind clever und erfahren genug, um zu wissen, was wir heute machen dürfen.» Und auch Sven Andrighetto machte klar, dass die Erfolgsreise weitergehen soll. «Das nächste Ziel, das kennen wir alle, und darauf arbeiten wir jetzt hin. Vor uns stehen grosse Aufgaben, und es gilt, weiterzuarbeiten. Vom Champions-League-Titel können wir uns in den Playoffs nichts kaufen.» Es sind Worte, die in den Ohren der nationalen Gegner bedrohlich klingen können…
Fans
Mit der Swiss Life Arena haben die ZSC Lions ein schmuckes Eigenheim erhalten, in dem es sich wunderbar feiern lässt. Die Fans zeigen immer wieder, dass sie hinter ihrem Team stehen und sorgen so für einen zusätzlichen Kick, der gerade in harten Spielen für Extrapower und zusätzlichen Atem sorgt.
Gefahr
Ganz klar, die ZSC Lions können beruhigt in die entscheidenden Wochen gehen. Mit dem Wissen, dass sie alle Werkzeuge haben, um den Titel zu verteidigen. Die Erfahrungen aus der Champions Hockey League und der Rhythmus dieser internationalen Spiele sind Vorteile auf diesem Weg, aber sie sorgen trotz aller Herrlichkeit auch für Fragezeichen. Zum Beispiel: Wie können die Zürcher die Anstrengungen dieser intensiven Spiele und diese Zusatzbelasung wegstecken? Können sie die Energietanks rechtzeitig wieder füllen?
Dass nach der europäischen Krönung durchaus Absturzgefahr besteht, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: 2009 schrieben die Lions wenige Woche nach ihrem sensationellen Triumph in der Champions Hockey League auch in der nationalen Meisterschaft Geschichte, als im Playoff-Viertelfinal gegen Gottéron die Saison unerwartet früh und abrupt endete. Mit 0:4 Siegen und als erster Titelverteidiger überhaupt.