ZSC Lions: Nach 5865 Tagen wieder die Könige Europas?
Am 28. Januar 2009 bestiegen die ZSC Lions letztmals den europäischen Eishockey-Thron, bezwang im Exil in Rapperswil Metallurg Magnitogorsk mit 5:0. Es war ein denkwürdiger Abend, der nach Wiederholung schreit, wenn die Zürcher heute im Final der aktuellen Champions Hockey League in der Swiss Life Arena das schwedische Spitzenteam Färjestad empfangen.
5865 Tage sind seit diesem Triumph vergangen, der dank den Toren von Blaine Down, Peter Sejna, Mathias Seger, Jan Alston und Jean-Guy Trudel zustande kam. Und natürlich auch wegen Goalie Ari Sulander, der sich einmal mehr als «The Wall» entpuppte und alle 25 Schüsse auf sein Tor parierte.
Bei jenem Erfolg in Rapperswil – das Hallenstadion war besetzt – schon dabei war Patrick Geering, der mittlerweile 35-jährige Captain der Lions. «Der Sieg war der Startschuss dafür, dass wir endlich eine eigene Halle bekamen und nicht mehr ins Exil müssen», sagte Geering nun gegenüber dem «Blick». An den Sieg gegen Metallurg kann es sich noch gut erinnern: «Es war meine erste Saison mit den ZSC Lions. Ich durfte die ganze Kampagne miterleben, das war wirklich unvergesslich. Es wäre super, wenn wir das wiederholen könnten, vor allem auch daheim im eigenen Stadion.»
Die ausverkaufte Swiss Lige Arena wird heute ein Tollhaus sein. Entsprechend heiss sind die Zürcher, auf den Final, in dem es um ein Preisgeld von 360'000 Euro geht und der Sieger 240'000 Euro kassiert. Speziell brilliert haben in der Königsklasse bislang Sven Andrighetto und Denis Malgin, die mit 20 Skorerpunkten (Andrighetto, davon acht Tore) respektive 17 Punkten (Malgin, sechs Treffer) die Skorer Nummer 1 und 3 des Wettbewerbs waren. Dazwischen liegt mit 18 Punkten ein Mann, den es heute Abend besonders zu beachten gilt: Färjestads Oskar Steen.
ZSC-Headcoach Marco Bayer bietet sich nur sieben Wochen, nachdem er den Posten des zurückgetretenen Erfolgstrainers Marc Crawford übernommen hat, die grosse Chance, sich in den Lions-Geschichtsbüchern zu verewigen. Seine Amtszeit begann mit drei Niederlagen und umfasste 20 Spiele innert 43 Tage, was eine grosse Herausforderung war. «Die grösste Schwierigkeit war, die vielen speziellen Situationen zu managen», so Bayer. «Wir hatten viele kranke, verletzte oder angeschlagene Spieler. Doch wir haben es mit der Belastungssteuerung ziemlich gut hinbekommen.» Dennoch geht er optimistisch in das Duell um die Nachfolge von Servette auf dem europäischen Parkett, vor allem weil sein Team über die Fähigkeit verfügt, am Tag X bereit zu sein.
Mit Färjestad ist aber nicht irgendein Team das letzte Hindernis auf dem Weg auf Europas Thron, sondern ein schwedisches Topteam und Schwergewicht – in dem ein in der Schweiz bestens bekannter Spieler steht: Verteidiger Magnus Nygren, der von 2017 bis 2023 beim HCD unter Vertrag stand und Publikumsliebling war. Die Form war bei den Schweden zuletzt zwar nicht wie gewünscht, es gab drei Niederlagen 1:4, 3:6, 3:6, 2:3) in Serie und total 19 Gegentore, doch dies lässt die Alarmglocken nicht schrillen. «Wir hatten viele krankheits- und verletzungsbedingte Ausfälle. Für den Final sind wir wieder komplett und nähern uns unserem Spielniveau», liefert Madnus Nygren eine Erklärung. Und das Rezept? Die Superstars Malgin und Andrighetto bedrängen, ihnen den gewünschten Platz nehmen, damit sie nicht in Schwung kommen, sondern stattdessen frustriert sind. Auch ZSC-Captain Patrick Geering erwartet einen starken Gegner, «ein sehr strukturiertes Team mit viel Tempo, nicht umsonst wurden sie im letzten Jahr Qualifikationssieger und spielen auch diese Saison wieder vorne mit.»
Es ist ein hart umkämpfter Final zweier Teams auf Augenhöhe zu erwarten, was auch statistisch unterstrichen wird. Die ZSC Lions kommen in zwölf Partien auf ein Torverhältnis von 49:24, Färjestad BK auf 49:22. Im Boxplay sind die beiden Teams in etwa gleich stark: 80,56 Prozent Erfolgsquote bei den Lions, 80,39 Prozent bei Färjestad. Im Powerplay sind die Schweden stärker als die Zürcher, treffen in jedem vierten Überzahlspiel, während die Lions fünf Anläufe brauchen.
Eine entscheidende Bedeutung können auch die Torhüter haben Auf der einen Seite Simon Hrubec, der bei den Zürchern immer wieder sein immenses Können unter Beweis stellt und in dieser Kampagne 92,76 Prozent der gegnerischen Schüsse entschärft hat. Und auf der anderen Seite der Kanadier Maxime Lagacé (92,53 Prozent), der wie Sven Andrighetto für den MVP dieser CHL-Saison nominiert ist. «Ich verfolge die Klubs, auf die wir treffen könnten, schon eine Weile. Wir wissen, dass sie offensiv sehr stark sind und über einen sehr guten Torhüter und eine starke und Abwehr verfügen. Das wird ein wirklich spannendes Spiel», sagt Lagacé über die Lions.
Klar ist, dass in diesem Showdown um die europäische Krönung keine Fehler erlaubt sind. Es braucht eine Top-Leistung von allen, oder wie Denis Malgin, der immer besser in Fahrt kommt, sagt: «Es werden wohl mehrere Faktoren den Unterschied ausmachen. In der eigenen Zone müssen wir sehr diszipliniert auftreten. Nach vorne werden wir unsere Chancen haben und müssen diese natürlich auch realisieren. Wichtig wird sein, die 50/50-Battles zu gewinnen und über 60 Minuten konstant zu spielen.» Oder wie Verteidiger Dean Kukan die Champions League-Saison aus Zürcher Sicht zusammenfasst: «Unser Hauptziel war es, alles zu gewinnen, genau wie in der National League, und jetzt sind wir ziemlich nah dran, aber noch weit davon entfernt.»