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Wird Servette zur neuen Macht im Schweizer Fussball? Zwei Meinungen

Halbfinal im Schweizer Cup, Achtelfinal in der Conference League und möglicherweise schon am Sonntag neuer Leader der Super League. Der Servette FC spielt eine Saison, die auf beiden Seiten des «Röschtigrabens» aufhorchen lässt. Sind die Grenats sogar auf dem Weg zur neuen Macht im Schweizer Fussball? Unsere Redaktoren Andy Maschek und Patrick Y. Fischer sind sich nicht einig.

Weiler
Coach René Weiler hat bei Servette die Weichen in Richtung Spitze gestellt. © KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi

Andy Maschek sagt: Ja

Meistertitel, Cupsieg, Triumph in der Conference League: Der Servette FC ist in drei Wettbewerben im Rennen und darf von Titeln träumen. Wobei der Weg dorthin noch weit ist. Die erste Hürde ist heute Abend im Achtelfinal Viktoria Pilsen, der Tabellendritte in Tschechien, andere werden folgen: Im Cup am 28. April mit dem Halbfinal auswärts gegen Winterthur, in der Meisterschaft mit der Herausforderung von Titelverteidiger YB, der im Moment noch einen Punkt Vorsprung hat.

Egal, ob es am Saisonende zu einem oder mehreren Titeln reicht: Die Genfer sind auf dem Weg, zu einstigem Ruhm zurückzukehren. Den letzten Meistertitel feierten sie vor einem Vierteljahrhundert, den letzten Cupsieg 2001. In jenen Jahren gehörten sie zu den besten Adressen im Schweizer Fussball und hatten nationale bis internationale Ausstrahlung. Und Stars in ihren Reihen: Karl-Heinz Rummenigge, John Eriksen, Sonny Anderson oder die Schweizer Joko Pfister, Umberto Barberis, Lucien Favre und Alain Geiger beispielsweise.

Solche Kaliber findet man im Kader der Genfer aktuell nicht, aber der Klub befindet sich auf dem Weg an die nationale Spitze. Die turbulenten Zeiten mit den Fantasten Marc Roger oder später Majid Pishyar an der Spitze sind vorbei, die finanziellen Wunden längst verheilt und die Lehren daraus gezogen. Dies auch dank der Fondation 1890, der finanziell potenten Besitzerin. Bemerkenswert ist dabei, dass nun am Lac Léman nicht einfach wild mit Millionen um sich geworfen wird, sondern dass man Schritt für Schritt den Weg zurück an die Spitze sucht.

Im vergangenen Sommer erklärte Präsident Thierry Regenass noch, dass der Titelgewinn in einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren ein Ziel sei, dass es darum gehe, mittel- und langfristig zu investieren. Mittlerweile tönt es ein wenig anders, ein bisschen offensiver: «Ambitionen sind gut und schön, wir haben sie. Ich würde es so formulieren: Wir wollen bis zum Schluss mit den Besten mithalten.»

Trainer René Weiler wird dafür sorgen, dass dies möglichst gut gelingt. Er gilt als kompromisslos, akribisch, ausdauernd und von seinen Ideen besessen und hat in seinem Team seine Philosophie implementiert. Dazu gehören viel, viel Arbeit, enorme Laufbereitschaft auch ohne Ball – und vor allem auch der Teamgedanke, dass jeder einzelne Spieler zuerst daran denken soll, wie er dem Team helfen kann und der Egoismus in der Garderobe bleibt. Es tönt banal, ist aber erfolgreich.

Zu einer Macht wird man nicht über Nacht oder in einer Saison. Aber Servette ist auf diesem Weg schon sehr weit. Verfügt in der gesamten Organisation über alle Skills, um die Young Boys herauszufordern oder gar abzulösen. Wie man durch den geschickten Einsatz der finanziellen Mittel national top wird, haben in der Vergangenheit der FC Basel (unter Gigi Oeri und Bernhard Heusler) und auch die Young Boys gezeigt. Und auch Servette wird dies gelingen, wohl schneller als gedacht oder geplant.

 

Patrick Y. Fischer sagt: Nein

Zugegeben: Der Servette FC ist im Schweizer Fussball das Team der Stunde. Nach einem schwachen Saisonstart (8 Spiele / 7 Punkte) rollt der Genfer Traditionsklub das Super League-Feld von hinten auf und steht aktuell auf Rang 2. Auch im Cup und auf europäischer Bühne läuft es ausgezeichnet. Aber: Auf dem Weg zum neuen Epizentrum im Schweizer Fussball sind die Genfer bislang gerade mal unfallfrei aus der eigenen Garage gefahren. Bis zur nationalen Spitze warten schon in den kommenden Wochen, aber auch mittel- bis langfristig, grössere Herausforderungen.

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Um zum neuen Massstab im hiesigen Fussball zu werden, bedarf es in erster Linie einmal Titel. Den Letzten davon haben die Genfer zum Ende der Saison 2000/20001 im Schweizer Cup gewonnen. Zwei Jahre zuvor wurde man zum 17. Mal Schweizer Meister. Ein knappes Vierteljahrhundert später lockt nun zum ersten Mal wieder die realistische Chance, den eigenen Trophäenschrank zu erweitern. Doch gewonnen ist noch gar nichts. In den kommenden Wochen werden René Weiler und seine Mannschaft erst so richtig auf Herz und Nieren geprüft. In der Meisterschaft, im Cup und in Europa. Spiele wie das kürzliche 1:2 gegen Yverdon-Sport sollten sich in dieser Phase besser nicht wiederholen.

Denn da ist ja auch die Konkurrenz aus Bern, die momentan zwar schwächelt, grundsätzlich aber über den breiteren und bestimmt nicht schlechteren Kader verfügt. Und nun fällt bei den Young Boys auch die Mehrfachbelastung weg. Aber selbst wenn den Genfern der Coup in den nächsten Monaten gelingen sollte, mittelfristig ist der Klub noch nicht auf dem Niveau von YB oder auch dem FC Basel angelangt. Nicht mit aktuell knapp 7000 Zuschauern im Schnitt (und den dadurch fehlenden Einnahmen in Millionenhöhe), nicht mit einer Transferstrategie, die im Winter den ersatzlosen Verkauf des Topscorers vorsieht und nicht mit einem Management, das in derselben Transferperiode vergisst, seine Kontingentsliste rechtzeitig zu aktualisieren.

Klar ist jedoch, dass Servette mit dem Gewinn der Meisterschaft die Chance winken würde, den Titel im nächsten Jahr europäisch zu vergolden. Man wäre dann finanziell weiter als die Luganos, Zürichs, Luzerns, GCs oder Lausannes dieser Liga, die sich in der Vergangenheit jeweils mit den Genfern um die Plätze stritten und mittlerweile ebenfalls über finanzstarke Besitzer verfügen oder sich als starke Marken mit hoher (regionaler) Anzugskraft eine gute Ausgangsbasis verschafft haben. Auch deswegen ist für mich selbst bei einem Gewinn der Meisterschaft klar: Der Weg zur neuen Macht im Schweizer Fussball hat für Servette Genf – wenn überhaupt – gerade erst begonnen.  

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