Wird Gottéron 2024 endlich Meister? Zwei Meinungen
Schweizer Meister? Kann der HC Fribourg-Gottéron nicht. So zumindest die landläufige Meinung und zum Ärger seiner Anhängerschaft lässt der Klub kaum eine Gelegenheit aus, den Mythos des Scheiterns zu befeuern. Oder klappt es in dieser Saison? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind unterschiedlicher Meinung.
Patrick Y. Fischer sagt: Ja
Fünf Vize-Meistertitel. Das mit Wjatscheslaw «Slawa» Bykow und Andrei Chomutow wohl schillerndste Ausländer-Duo sowie eine bewegte Vereinschronik, welche zuletzt im Aufstieg zur nationalen Grösse, inkl. ultramoderner Heimspielstätte, gipfelte. Doch eines ist dem HC Fribourg-Gottéron in seiner 77-jährigen Geschichte bislang stets verwehrt geblieben: der Schweizer Meistertitel. Zuletzt schürten starke Qualifikationsdurchgänge in den Spielzeiten 2021/22 und 2022/23 neue Hoffnung – nur um die leidenschaftliche Anhängerschaft abermals zu enttäuschen. Warum also soll ausgerechnet in diesem Jahr alles anders sein? Ganz einfach – weil Fribourg über das stärkste und ausgeglichenste Kader seit Langem verfügt.
Denkt man an Fribourg, erinnert sich der schon etwas ältere Sportfan zuallererst einmal an die «Copains», jene legendären Lokalhelden, welche vor mittlerweile über 40 Jahren den erstmaligen Aufstieg des Klubs in die NLA (heute National League) bewerkstelligten. Auch heute bildet eine populäre Gruppe einheimischer Cracks rund um Captain Julien Sprunger, Sandro Schmid, Andrei Bykow (Sohn des legendären Slawa Bykow), Killian Mottet oder Christoph Bertschy so etwas wie das Rückgrat des HCFG. Veredelt wird die aktuelle Equipe durch ebenso erfahrene wie starke Schweizer Leader (Reto Berra, Raphael Diaz, Samuel Walser), die dem Klub die notwendige Stabilität verpassen.
Auch auf den Ausländerpositionen hat der Klub von den Besten gelernt. Genauso wie der Genève-Servette HC, der auf dem Rücken seiner dominanten Imports erst zum Meistertitel und nun bis ins Finale der Champions Hockey League geritten ist, vertrauen auch die Freiburger Drachen auf eine in Quantität und Qualität starke Gruppe an ausländischen Verstärkungsspielern, um den Unterschied auszumachen. Dazu gehören Liga-Topscorer Marcus Sörensen, Lucas Wallmark, Jacob De la Rose und Chris DiDomenico, welche allesamt in den Top 20 der Scorerliste auftauchen, genauso wie Verteidiger Ryan Gunderson, der sowohl defensiv als auch offensiv (Rang 19 in der Scorerliste) seine Spuren hinterlässt.
Aber klar: Starke Qualifikationsdurchgänge (aktuell liegt Fribourg mit 87 Punkten aus 43 Spielen auf Rang 2) gab es in der Vergangenheit schon des Öfteren, ohne dass im Nachhinein in den Playoffs reüssiert wurde. Umso wichtiger wird es in diesem Jahr sein, die erste Playoff-Hürde ab dem 16. März zu nehmen – egal wie. Dazu müssen dann auch das entsprechende Coaching sowie die mentale Verfassung des Teams stimmen, zwei Aspekte, welche in jüngster Vergangenheit nicht immer unantastbar waren. Aber mit diesen Herausforderungen kämpfen in den Playoffs alle Favoriten, die nach einer starken Saison innerhalb von wenigen Tagen viel verlieren, aber auch alles gewinnen können. Auch deshalb bin ich überzeugt, dass Fribourg-Gottéron 2024 den Schweizer Meistertitel an die Saane holen kann.
Andy Maschek sagt: Nein
87 Punkte nach 43 Spielen, Rang 2 in der Tabelle: Es ist beeindruckend, was Gottéron in dieser Saison zeigt. Die Fribourger spielen im Konzert der Grossen mit, und daran kann weder die knappe Niederlage am Dienstag gegen Zug etwas ändern, noch würde ein anderes Bild entstehen, wenn am Freitagabend auch das Spiel gegen Leader ZSC Lions verloren würde.
Die starke Saison widerspiegelt sich auch in der Statistik: Mit 3,42 erzielten Toren pro Spiel ist das Team von Christian Dubé offensiv die Nummer 1 der Liga und mit durchschnittlich 2,42 erhaltenen Treffern pro Match die Nummer 3. Das Powerplay ist das effizienteste aller Teams in der National League, im Penalty Killing stehen die Fribourger auf Position 6. Und auch in der Skorerliste ist die Mannschaft präsent, hat gleich vier Spieler in den Top 11: den Schweden Marcus Sörensen mit 49 Skorerpunkten auf Rang 2, dessen Landsmann Lucas Wallmark mit 38 Punkten auf Position 7 sowie den Schweizer Nationalspieler und den Kanadier Chris DiDomenico mit je 35 Punkten auf den Rängen 10 und 11. Zudem ist Reto Berra statistisch bisher hinter Simon Hrubec (ZSC Lion) der zweitbeste Goalie der National League.
Mit solchen Werten – vorne gefährlich und hinten souverän und dicht – muss der Meistertitel ein grosses und vor allem auch machbares Ziel sein. In der Theorie ist das definitiv der Fall, zumal Servette letzte Saison gezeigt, dass auch ein Team aus der Westschweiz Meister werden kann. Dass die Zeiten vorbei sind, als man in einem Pauschalurteil sagen konnte: Die Welschen sind für den Titelgewinn zu weich.
Alles klar also? Nein! Denn bei Fribourg kommen weitere Komponenten dazu. Christian Dubé bestreitet als Gottéron-Funktionär seine neunte Saison – bis im Oktober 2019 als Sportchef, seither zusätzlich als Headcoach – und konnte in diesen Jahren gerade mal eine (!) Playoff-Serie gewinnen: in der Saison 2021/22 gegen Lausanne. Es ist eine äusserst magere Ausbeute für ein Team, das beispielsweise 2020/21 die Regular Season auf dem dritten und ein Jahr später auf dem zweiten Rang beendet hat. Und ein Zeichen, dass diese Mannschaft und Christian Dubé in den Playoffs nicht funktionieren.
Ein andere Faktor ist, dass sich viele Spieler im Spätherbst ihrer Karriere befinden und in den kräfteraubenden Playoffs körperlich an den Anschlag kommen werden. Beispiele gefällig? Ryan Gunderson, Julien Sprunger und Raphael Diaz sind 38, Reto Berra ist 37, Andrei Bykov 35 und Chris DiDomenico 34 Jahre alt. Zudem ist gerade DiDomenico, so genial der Kanadier auch sein kann, in den Playoffs eine «Zeitbombe», die jederzeit explodieren und seinem Team mit Strafen schaden kann.
Und last but noch least der wichtigste Punkt: Es ist eine Tradition, dass Gottéron nicht Meister werden kann – und an Traditionen soll man festhalten. Der Klub und seine fantastischen Fans hätten eine Krönung zwar längst verdient, doch mit einem Meistertitel würde auch ein Teil des «Mythos Gottéron» verloren gehen. Und das wäre schade.