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Exklusiv - Christian Fassnacht « Wir müssen einen Lauf starten »

Andy

Im Sommer 2023 hat Christian Fassnacht die Young Boys nach fünf Meistertiteln verlassen und bei Norwich City in der englischen Championship angeheuert. In der Winterpause ist der 31-Jährige nach Bern zurückgekehrt – und zuversichtlich, mit YB weitere Erfolge zu feiern, wie er im Interview erklärt.

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Mit Schwung und Zug aufs Tor: Christian Fassnacht, wie man ihn kennt. © KEYSTONE/Anthony Anex

Am Sonntag spielen die Young Boys auswärts gegen den FCB. Wie gross ist die Vorfreude?

Christian Fassnacht: Die ist riesig! Solche Spiele in vollen Stadien sind einzigartig, und es ist auch eine Challenge für uns zu zeigen, wo wir stehen, wo wir hinwollen und dass wir bereit sind.

Es ist ein kapitales Spiel, bei dem es heisst: «verlieren verboten».

Das sehe ich auch so. Wenn man oben dabei sein will, trifft das zu – und im besten Fall gewinnt man.

«Ich habe das Gefühl, dass da wir mit einer sehr guten Leistung etwas holen können.»

Wie schätzen Sie den FCB ein?

Das ist für mich schwierig zu sagen, weil ich in dieser Saison noch nicht gegen die Basler gespielt habe. Sie verfügen aber über grosses Potenzial, gleichzeitig sieht man, dass auch sie immer wieder Ups und Downs erleben. Ich habe das Gefühl, dass wir mit einer sehr guten Leistung etwas holen können.

Das scheint in der Super League allgemein zu gelten…

Wir haben auch schon gewitzelt, dass aktuell gefühlt niemand Meister werden will.

In Ihrer vorherigen Zeit in Bern war YB oft einsam an der Spitze.

Das war teilweise sehr ausgeprägt. Aber der Rest der Liga war ähnlich. Wir haben unser Ding durchgezogen und die anderen nahmen sich gegenseitig Punkte ab. Wir waren das einzige Team, das Wochenende für Wochenende seine Spiele heimbrachte, und das führte zu einem grossen Vorsprung.

Bei Ihrer Rückkehr lag YB weit hinter der Tabellenspitze zurück, nun ist sie zumindest in Sichtweite. Sind Sie überrascht?

Überhaupt nicht. Ich spürte anhand meiner Gespräche mit dem Klub, dass die Mannschaft Potenzial hat. Dass YB zu Unrecht so weit unten steht. Logisch braucht es dann etwas, um das zu ändern, wie man das nun auch bei uns gesehen hat. Wir spielten gut und kassierten dann gegen Winterthur und GC zwei schmerzhafte Niederlagen. Ich wusste aber, dass es eine Frage der Zeit ist, bis YB in der Tabelle wieder aufwärts klettert. Dies heisst nicht per se, dass dies bis ganz nach oben möglich ist, aber YB gehört definitiv in die obere Hälfte.

«Niemand ist so richtig konstant, deshalb kann eine eigene Serie viel bewirken. Aber so einen Lauf muss man zuerst realisieren.»

Mit der Championship Group und den letzten fünf Runden der Top 6 untereinander ist extrem viel möglich. Fünf Siege können enorm viel bewirken.

Das sieht man momentan bei Servette. Die Genfer haben fünf Spiele in Folge gewonnen und sich an der Tabellenspitze etwas abgesetzt. Wie bereits erwähnt: Niemand ist so richtig konstant, deshalb kann eine eigene Serie viel bewirken. Aber so einen Lauf muss man zuerst realisieren. Für uns ist klar, dass wir in die Championship Group wollen, das ist das Minimalziel. Und dann schauen wir weiter.

Ab sofort wird jedes Spiel ein Final…

Das ist so. Wir wussten vor dem Heimspiel gegen Lugano, dass bei einer Niederlage der Rückstand auf die Tessiner elf Punkte betragen würde. Oder am vergangenen Wochenende, dass wir bei einer Niederlage gegen Lausanne acht Punkte hinter Basel sein könnten. So gesehen ist jedes Spiel wegweisend, und jede Niederlage tut unglaublich weh.

Im Vergleich zu Ihrer ersten YB-Zeit sind viele neue Gesichter im Team. Ist die Substanz noch so gross wie damals?

Es ist ein komplett anderes Team, aber die Zusammenstellung hat nicht völlig geändert. YB ist sich treu geblieben, auch wenn einen Moment lang Führungsspieler vielleicht ein wenig vermisst wurden. Dem wurde aber mit den Wintertransfers entgegengewirkt. Ich nehme die Mannschaft als sehr gut wahr, sie lebt, sie glaubt an sich, ist positiv, in der Kabine herrscht eine gute Stimmung. So hat das durchaus Parallelen zu den frühreren Jahren.

Aber die Selbstverständlichkeit des Siegens wird vermisst.

Das ist so, und es ist auch legitim, dass dies der Fall ist, wenn man so viel «Seich» erlebt hat, zum Saisonbeginn so viele Spiele hintereinander nicht gewinnt und nach neun Runden auf dem letzten Platz liegt. In einer solchen Negativspirale geht diese Selbstverständlichkeit des Siegens verloren. Aber nun sind wir daran, diese wieder zu erlangen, auch wenn die erwähnten Spiele gegen Winterthur und GC herbe Dämpfer waren. Gleichzeitig spürt man in der Mannschaft die Gewissheit, über die für Siege nötigen Fähigkeiten zu verfügen. So kommt man wieder zu dieser Selbstverständlichkeit und dem Wissen, dass wir gewinnen, wenn wir unsere Leistung auf den Platz bringen. Dass es fast keine Rolle spielt, wer der Gegner ist, wenn wir unser Ding durchziehen. Aber klar, die grosse Überzeugung fehlt noch, dafür ist zuviel passiert.

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Christian Fassnacht ist glücklich, wieder bei den Young Boys zu sein.
«Ich wusste, was ich in Bern bekomme, wie der Klub aufgestellt ist, wer hier arbeitet. Dazu kam der Reiz, wieder hier zu spielen. Mich einzubringen – im Wissen, nicht irgendein Spieler zu sein, sondern dass ich eine Führungsrolle einnehmen kann und muss.»

Was gab für Sie den Ausschlag zur Rückkehr in die Super League?

Ich wusste, was ich in Bern bekomme, wie der Klub aufgestellt ist, wer hier arbeitet. Dazu kam der Reiz, wieder hier zu spielen. Mich einzubringen – im Wissen, dass ich eine Führungsrolle einnehmen kann und muss. So war sofort klar, dass dieser Wechsel mit Abstand am meisten Sinn macht. Ich kam aus einer Zeit mit Verletzungen und wenig Spielpraxis und war froh, an einen Ort gehen zu können, an dem ich wertgeschätzt werde. Für mich musste es dieser Schritt sein.

War der Wechsel nach England rückblickend ein Fehler?

Überhaupt nicht, ich würde wieder so entscheiden. Diese Zeit hat mich geprägt und weitergebracht, einerseits als Mensch, aber auch als Sportler. Es ist vieles unglücklich gelaufen, trotzdem kann ich auf eineinhalb unglaubliche Jahre zurückblicken, in denen ich über 50 Spiele absolvierte, meine Goals und Assists erzielte. Es ist also nicht so, dass ich nicht gespielt und performt hätte. Ich bereue es definitiv nicht und kann nach meiner Karriere auch auf eine Station im Ausland zurückblicken. Ich bin extrem dankbar, dass ich diese Chance erhalten habe. 

Mit Giorgio Contini steht bei YB ein anderer Trainer an der Linie als früher – wie erleben Sie ihn?

Für mich ist er der absolut Richtige für diesen Job. Er verfügt über Führungsqualitäten, ist sehr kommunikativ, beherrscht viele Sprachen, kann auf die Spieler eingehen. Zudem weiss er, auch wenn das mit dem Aufstieg eine Liga tiefer war, was es heisst, Wochenende für Wochenende die Leistung zu bringen. Und das ist genau die Schwierigkeit und für einen Titelgewinn entscheidend. Er weiss, was es für diese Konstanz braucht, kann es umsetzen und ist für mich eine ideale Besetzung. Zudem schätze ich ihn als Menschen.

«Giorgio Contini ist keiner, der den Fussball nur verbissen und verkrampft angeht.»

Er verfügt auch über Schalk und kann in schwierigen Situationen die nötige Lockerheit einbringen…

Definitiv. Giorgio Contini ist keiner, der den Fussball nur verbissen und verkrampft angeht. Er hat seine klare Linie, gibt seine Meinung nach einer Niederlage auch zu hören und zu spüren. Dann gibt es auch die Momente, in denen wir es lustig haben, über andere Dinge als Fussball reden. 

Ihre Rückkehr war und ist auch mit Erwartungen verbunden. Spüren Sie da einen gewissen Druck oder Respekt?

Logisch spüre ich Druck, und den mache ich mir auch selber. Ich habe gesagt, dass ich zurückkomme und YB helfen will, wieder in die Erfolgsspur zu kommen. Da bin ich nicht alleine, und es ist uns allen bis jetzt auch gut gelungen. Ich will besser werden, bessere Statistiken haben, und an diesem von mir auferlegten Druck kann ich auch wachsen. Einen Druck von aussen nehme ich aber weniger wahr. 

Was macht Sie zuversichtlich, dass die kommende Crunchtime erfolgreich ist und Sie mit YB einen weiteren Titel feiern können?

Wir liegen zwar acht Punkte hinter Servette, haben aber den Rückstand auf andere Klubs wie Lugano oder Luzern verkleinert und sind dran. Wir müssen einen Lauf starten – und haben schon gezeigt, dass wir das können. Es ist uns gelungen, in Heimspielen dominant aufzutreten, und das müssen wir nun auch auswärts machen. Es besteht jedenfalls viel positive Energie und Zuversicht, dass wir in der Tabelle weiter hochklettern können. Wir geben alles, und ich bin sicher, dass wir so noch Druck ausüben und für Spannung sorgen können. 

Der Modus sorgt noch für zwei Direktduelle gegen Servette, wenn es YB in die Championship Group reicht.

Es bleibt spannend und liegt an uns, unsere Qualitäten zu zeigen und die Spiele zu gewinnen. 

Ist auch die Nati für Sie ein Thema?

Mein Fokus lag nie auf der Nationalmannschaft. Ich bin genügend Realist, um zu wissen, dass ich ein Thema für die Nati bin, wenn ich performe und alles funktioniert. Ich war nun lange weg, habe aber Potenzial gegen oben. Ein Teil führt zum anderen, und ich konzentriere mich nicht auf die Nati, sondern darauf, dass es mit YB funktioniert. Wenn das gut läuft und die Nati zum Thema wird, ist das ein natürlicher Prozess. Wenn ich performe und wieder für die Schweiz spielen kann, ist das umso besser. Denn es ist etwas vom Schönsten, für die Nati auflaufen zu dürfen.

 

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