Red Bull droht dem Rest der Formel 1 schon nach knapp einem Viertel der Saison zu enteilen. Was macht den RB19 so stark im Gegensatz zur Konkurrenz?
Red Bull sorgte bei den Tests in Bahrain zu Beginn der Saison vor allem deshalb für Aufsehen, weil der neue RB19 im Vergleich zu manch anderem Modell im Teilnehmerfeld keine wirkliche Revolution war. Der Bolide ist eher eine Evolution des schon sehr erfolgreichen RB18 aus der Vorsaison. Das Vorgängermodell machte das österreichische Team erstmals seit 2013 wieder zum Konstrukteurs-Weltmeister. Trotz der Gefahr, dass sich andere Teams durch grössere Entwicklungsschritte dem Red Bull annähern könnten, zog man in Milton Keynes scheinbar die richtigen Schlüsse und brachte ein noch dominanteres Auto an den Start. Was aber sind die Stärken des RB19?
RB19: Ein perfektes Zusammenspiel verschiedener Faktoren
"Es gibt nicht nur eine Sache, sondern es ist das Ergebnis eines harmonischen Zusammenspiels aller Faktoren", sagte Red-Bull-Chef Christian Horner gegenüber den Kollegen von Sky Sports. "Natürlich war der RB18 ein grossartiges Auto für uns, wir haben die Lehren daraus gezogen und sie auf den 19er angewandt, und ich denke, es sind einfach all diese Elemente, die zusammenkommen."
Welche Elemente könnte Horner meinen?
Motor und Chassis: Ohne ihn geht nichts. Der Motor von Red Bull Powertrains, konzipiert mit der Unterstützung von Honda ist nicht erst in dieser Saison leistungsstark, effizient und besonders zuverlässig. Bisher gab es motorentechnisch keinerlei Probleme bei Max Verstappen oder Sergio Perez. Im Gegenteil: Beide zeigten in Saudi-Arabien, Australien und Miami die Top-Geschwindigkeiten in den Qualifyings.
Hinzu kommt, dass der RB19 durch Chassisänderungen noch schneller geworden ist. "Im Gegensatz zum letztjährigen RB18 ist der RB19 ein leichtes Chassis. Je leichter dein Auto ist, desto schneller wirst du fahren", erklärt Sky Sports F1 Reporter Ted Kravitz. "Und der RB19 wurde als Slipper geboren. Anders als zum Beispiel der Aston Martin oder der Mercedes hat das aerodynamische Design des Red Bull einen sehr geringen Luftwiderstand."
RB19 nicht mehr übergewichtig
Zudem war der Red Bull in der Vorsaison lange übergewichtig. Das Problem hat man in den Griff bekommen und sich endlich dem Mindestgewicht von 798 Kilogramm angenähert.
Zudem weist Kravitz darauf hin, dass die Abstimmungen zwischen Fahrern und Autos passend zu den Strecken bisher fast immer gematcht haben. Das habe den Vorteil, dass die Red Bulls bereits am Freitag beinahe in Topform sind und Zeit haben, Kleinigkeiten anzupassen.
Unterboden: Er ist einer der grossen Geheimnisse der Formel 1. Wann immer sich ein Blick auf die Unterböden der einzelnen Autos erhaschen lässt, ist es ein Thema. Dass der Unterboden bei Red Bull funktioniert, ist ein weiteres Element des Erfolgs. Dessen erzeugter Abtrieb sei elementar und deutlich wichtiger als der erzeugte Abtrieb von den Teilen auf der Oberseite des Autos. "Red Bull ist in der Lage, den Boden flach und niedrig zur Strecke zu führen, was dem Auto über den gesamten Geschwindigkeitsbereich einen immensen nutzbaren Abtrieb verleiht", sagt Kravitz. "Das bedeutet auch, dass das Auto seine Reifen in einem hervorragenden Zustand halten kann."
Mit DRS in einer anderen Liga
DRS: Verstappen und Perez zeigten in dieser Saison schon ein ums andere Mal, dass die Gegner spätestens dann, wenn der Heckflügel umgeklappt wird, keine Chance mehr haben. Das Drag Reduction System verleiht dem RB19 und seinen Insassen einen gewaltigen Geschwindigkeitsüberschuss auf der Geraden und einen Vorteil von circa zwei Zehnteln pro Runde.
Verstappen liess in Miami die Muskeln spielen als er durch das DRS einen Speedvorteil von 30 km/h hatte und Pierre Gasly und Fernando Alonso überholte.
Red Bulls Rennvorteil in der Quali ein Nachteil
Aufhängung: Das wohl aber "raffinierteste" am RB19 ist laut Kravitz die Aufhängung. "Wenn man sich die beiden oberen Querlenker an der Front ansieht, ist der vordere sehr hoch und der hintere sehr niedrig montiert", erklärt er. "Wenn das Auto also beim Bremsen eintaucht, weil das Gewicht nach vorne geworfen wird, hält die Aufhängung das Auto besser in der Waage als bei einer herkömmlichen Aufhängungsgeometrie." Das Gleiche gelte für den hinteren Teil des Fahrzeugs, wo die Aufhängung ein Absenken des Fahrzeugs beim Beschleunigen verhindere. "Das Auto kann also niedriger gefahren werden, ohne dass man das ganze Eintauchen und die Hocke berücksichtigen muss, was den Abtrieb deutlich erhöht."
Das hilft dem Auto insofern, dass je mehr Abtrieb vom Unterboden erzeugt werden kann, desto weniger Heckflügel wird benötigt. Das resultiert dann in einer höheren Geschwindigkeit auf der Geraden. "Man ist also schneller in den Kurven, schneller auf den Geraden und hat eine konstantere Balance in den Kurven", so Kravitz.
Der Nachteil ist jedoch, dass die Red Bulls dadurch in den Qualifyings etwas an Performance einbüssen. Hier ist der Vorsprung nicht so gross, wie auf eine Renndistanz. Die Vorderreifen brauchen länger, um auf Temperatur zu kommen, zu dem komme es laut Kravitz häufiger zu blockierten Vorderbremsen. "Genau das, was den Red Bull im Rennen so schnell macht, macht ihm im Qualifying zu schaffen."
Mit inzwischen 122 Punkten Vorsprung auf Aston Martin sieht die Konkurrenz Red Bull schon früh in der Saison nur noch am Horizont. Der bevorstehende Triple-Header in Imola, Monaco und Barcelona könnte für das eine oder andere Team beinahe schon die letzte Chance sein, um noch ins Titelrennen eingreifen zu können. Gerade Mercedes kündigte für Imola tiefgreifende Updates an. Aber ob diese reichen, um dem dominanten RB19 ein Stück näher zu kommen? Die anstehende Europareise wird es zeigen…