Trotz grossem Lazarett – die YB-Hoffnung lebt
Drei Spiele, drei Niederlagen, ein Torverhältnis von 0:9 und Rang 34 unter 36 Teams in der Ligaphase der Champions League: Am Mittwoch sind die Young Boys gegen Schachtar Donezk fast zu einem Sieg gezwungen, um um weiterhin vom Weiterkommen träumen zu können.
Die Berner machen keine einfache Zeit durch, befinden sich sportlich auf einer Achterbahn, die gemessen an den Ansprüchen zu oft abwärts führt. Sie schaffen es einfach nicht in den Flow, den es braucht, um eine Siegesserie zu starten. Erschwerend kommen die Verletzungssorgen hinzu, die man unter das Motto von «Murphy’s Law» setzen kann. Dass alles, was schief gehen kann, auch schief gehen wird. Oder wie Andreas Brehme, im vergangenen Feruar verstorbener Weltmeister von 1990, einst sagte: «Haste Scheisse am Fuss, haste Scheisse am Fuss.»
Grosses Defensiv-Lazarett
Gerade in der Defensive wurden die Berner in den letzten Wochen arg gebeutelt, ein Genickschlag folgte dem nächsten. Gleich sechs mögliche Stammverteidiger befinden sich auf der Krankenstation: Mohamed Ali Camara, Saidy Janko, Tanguy Zoukrou, Patric Pfeiffer, zuletzt auch noch Jaouen Hadjam und Abdu Conté. Es ist ein qualitativ hochstehendes Lazarett, das dafür sorgt, dass kein linker Aussenverteidiger mehr im Kader steht, zuletzt Rechtsfuss Lewin Blum da einspringen musste und Mittelfeldspieler Sandro Lauper in der Innenverteidigung gesetzt ist.
Es sind alles andere als ideale Voraussetzungen, um den Turnaround zu schaffen. In der Super League, wo die Tabellenspitze schon zwölf Punkte entfernt ist. Und in der Champions League, wo es bislang drei Niederlagen abgesetzt hat – 0:3 gegen Aston Villa, 0:5 gegen Barcelona und 0:1 gegen Inter Mailand – und endlich ein Erfolgserlebnis her muss, um die Chance auf eine Qualifikation für die Playoffs, für welche die Plätze 9 bis 24 nach der Ligaphase berechtigen, am Leben zuerhalten.
160,20 zu 65,50 Millionen
Schachtar Donezk, der ukrainische Gegner, der seine Spiele im Exil in der Veltins Arena auf Schalke austragen muss, ist ein direkter Gegner im Kampf um einen solchen Playoff-Platz. Der Marktwert des ukrainischen Teams wird von transfermarkt.ch mit 160,20 Millionen Euro zwar massiv höher eingeschätzt als jener der Berner (65,50 Millionen). Aber die Resultate sind ebenfalls nicht berauschend – 0:0 gegen Bologna, 0:3 gegen Atalanta und 0:1 gegen Arsenal.
Aus YB-Sicht muss man sich wohl fragen: Wann und gegen wen will man in dieser Champions League-Kampagne gewinnen, wenn nicht gegen Schachtar? Mit einer Leistung wie zuletzt gegen Inter Mailand, als der Traum von Punkten und einer satten Prämie – für einen Sieg gibt es 2,1 Millionen Euro, für ein Remis 700'000 Euro – erst durch das entscheidende 0:1 von Marcus Thuram in der Nachspielzeit platzte, ist ein Erfolg durchaus möglich. Zumal Joël Monteiro nach seinem Schuhwurf und Platzverweis in der Super League in der Champions League mitspielen kann. Aber auch für ihn gilt wie für die restlichen YB-Spieler: Der Torfluch muss endlich gebrochen werden!
Gute Erinnerungen
Mut machen kann YB vor dem Spiel in Gelsenkirchen ein Blick zurück, in die Saison 2016/17. Damals trafen die Berner in der Champions League-Qualifikation auf Schachtar und waren der klare Underdog. Bei Donezk standen viele Brasilianer im Team, die Qualität war hoch. Die 0:2-Niederlage im Auswärtsspiel war nicht überraschend. Im Rückspiel riskierten die Berner alles, schafften es dank zwei Toren von Yuya Kubo in die Verlängerung und behielten im Penaltyschiessen die Oberhand. Im Kader von YB standen Spieler wie Yvon Mvogo, der heutige Sportchef Steve von Bergen, Guillaume Hoarau oder Miralem Sulejmani. «Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Mannschaft, das ist der schönste Moment, seit ich in Bern bin. Es ist alles aufgegangen, der Traum geht weiter», sagte der damalige Trainer Adi Hütter. In der dritten Quali-Runde für die Königsklasse war Mönchengladbach zwar zu stark für YB, der Erfolg gegen Schachtar ging aber dennoch in die Klubgeschichte ein – und schreit nach Wiederholung. Und nicht dass die Berner am Ende die Worte des einstigen Bundesliga-Kickers Jügen Wegmann (ex Dortmund, Schalke, Bayern) bemühen müssen: «Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.» Die Hoffnungen auf einen Berner Coup sind jedenfalls da – trotz des grossen Lazaretts.