Triumph gegen Italien: Der grösste Schweizer Sieg

Spanien, Frankreich und jetzt Italien

Die Liste ist überraschend lang. Sie umfasst den Triumph gegen Frankreich vor drei Jahren, den Upset über Spanien an der WM in Südafrika, das legendäre 4:1 gegen Rumänien beim Schweizer WM-Comeback nach 28 Jahren, den Sieg über Grossdeutschland 1938 sowie das mit dem inoffiziellen Europameistertitel belohnte 2:1 gegen Schweden im Olympia-Halbfinale 1924. Trotzdem ist für mich klar: Einen Erfolg wie das gestrige 2:0 über Noch-Europameister Italien gab es noch nie. Und zwar aus den folgenden Gründen.

Ein Spiel um Alles oder Nichts

Zum insgesamt siebten Mal bestritt die Schweizer Nationalmannschaft am Samstagabend in diesem Jahrtausend ein K.o.-Spiel an einem grossen Turnier. Die Bilanz bis gestern: Fünf Niederlagen und ein Sieg im Elfmeterschiessen. Kein Wunder also, begleiteten den gestrigen Nati-Auftritt im Vorfeld gewisse Zweifel – zumindest bis zum Anpfiff der Partie in der deutschen Hauptstadt. Den sobald der Ball im Olympiastadion einmal rollte, hatte die Schweiz Spiel und Gegner im Griff, schaltete und waltete, diktierte und taktierte beinahe nach Belieben. Dass Italien dabei sehr schwach auftrat, muss die Nati nicht kümmern. Denn sie schaffte es zum ersten Mal, in einem Alles-oder-Nichts-Spiel eine über die gesamte Spielzeit ebenso abgeklärte wie dominante Leistung zu erbringen. Alleine deshalb war die gestrige Performance ein Meilenstein in der Entwicklung der Schweizer Fussballnationalmannschaft.

Diskussionslos gegen eine Fussball-Weltmacht

Gewiss: Der gestrige Erfolg im EM-Achtelfinale hätte auch gegen einen Gegner von der Kragenweite Schwedens, Polens oder der Ukraine Freude ausgelöst. Dass er nun aber gegen Italien - mit vier Weltmeister- und zwei Europameistertiteln eine echte Fussball-Grossmacht – erfolgte, hatte eine ganz besondere Note. Zum ersten Mal seit den Vorkriegszeiten gelang ein solcher Erfolg nämlich nicht auf glückliche Art und Weise, in der Quali oder in der Vorrunde, sondern dann, wenn es ultimativ zählte. Die Tatsache, dass das Geschehen auf dem Rasen gestern die einzige Wahrheit sprach und diese in ihrer Deutlichkeit keinen Raum für Interpretationen eröffnete, macht den Triumph gegen die Italiener noch spezieller. Dieser war in seiner Art so dominant, dass für einmal weder Glück, Pech noch ein umstrittener Schiedsrichterentscheid eine Rolle spielten.

In 90 Minuten alle Fragen beantwortet

Italien mag in seiner aktuellen Verfassung nicht zu den stärksten Nationen an dieser Europameisterschaft zählen. Und trotzdem unterscheidet den gestrigen Erfolg etwas ganz Entscheidendes vom Triumph über den damaligen Weltmeister Frankreich 2021. Er kam nämlich über 90 äusserst souveräne Minuten und im Wissen zu Stande, dass gegen den amtierenden Europameister bereits eine «normale» Leistung zum Weiterkommen ausreichen könnte. Man bestritt diese Partie also nicht mit dem Mindset eines Aussenseiters - ohne viel Druck und getragen von der Hoffnung evtl. via Verlängerung oder Penaltyschiessen eine Runde weiter zukommen - sondern mit einem klaren Plan und der Entschlossenheit, der eigenen Stärke Ausdruck zu verleihen. Nichts war es also mit einem wilden Ritt wie 2021 in Bukarest oder einer Abwehrschlacht wie gegen Spanien in 2010. Stattdessen kontrollierten die Schweizer die Partie und spielten ihre Stärken ganz bewusst aus. Das sind die Merkmale einer Mannschaft die spürt, dass sie aktuell gegen jeden Gegner bestehen kann. Egal, ob dieser bei nächster Gelegenheit England oder Slowakei heissen wird.