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Tour de France: Duell Vingegaard und Pogacar – und mögliche Spielverderber

Andy

Am Samstag startet in Bilbao die Tour de France mit den Top-Favoriten Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar – und mit den zwei Schweizern Stefan Küng und Silvan Dillier, die mit Etappensiegen liebäugeln dürfen.

Pogacar
Tadej Pogacar bei der offiziellen Fahrerpräsentation. © IMAGO / Sirotti

Die 110. Tour de France ist definitiv keine Tour des Suisses. Mit Stefan Küng und Silvan Dillier nur gerade zwei Schweizer unter den 176 Teilnehmern – das ist ein historisch tiefer Wert. Weniger als drei Schweizer standen letztmals 1980 am Start: nämlich keiner. Doch der Aufschwung folgte schnell: 1982 figurierten gleich 17 Schweizer im Starterfeld, es ist der Höchstwert aller Zeiten. Damals gewann Beat Breu zwei Etappen und belegte im Endklassement Rang 6, mit einem Rückstand von 13:21 Minuten auf Sieger Bernard Hinault. Die Tour de France 2022 nahmen immerhin vier Schweizer in Angriff: Stefan Bissegger, Marc Hirschi, Dillier und Küng.

Im Kampf um den Gesamtsieg spielten in den letzten Jahren und spielen auch 2023 die Schweizer keine Rolle, lediglich Ferdy Kübler (1950) und ein Jahr später Hugo Koblet gelang der Triumph im Gesamtklassement. Insgesamt 31 Schweizer konnten sich bislang als Etappensieger feiern lassen, zuletzt Marc Hirschi vor drei Jahren. Stefan Küng steht noch ohne Meriten an der Tour de France da – und es dürfte auch in diesem Jahr schwierig werden für ihn. Nur gerade ein Zeitfahren steht auf dem Programm, und dieses ist mit vielen Höhenmetern gespickt und kein Fall für den Ostschweizer, der wohl versuchen wird, als Ausreisser in Etappen mit Klassikereigenschaften einen Coup zu landen.

Als grosse Favoriten auf den Gesamtsieg gehen der Slowene Tadej Pogacar und der dänische Titelverteidiger Jonas Vingegaard an den Start, doch es gibt auch einige potenzielle Spielverderber, wie eine Übersicht zeigt.

Tadej Pogacar (24, UAE Emirates)

Es war beeindruckend, welchen Saisonstart der Slowene hinlegte: 11 Siege in den ersten 18 Rennen, darunter die Flandern-Rundfahrt, das Amstel Gold Race und die Flèche Wallonne. Und er liess dabei seinen Konkurrenten keine Chance. Im Frühling schien klar, dass er auf dem Weg zu seinem dritten Tour-Sieg nach 2020 und 2021 nicht zu stoppen sein würde, auch nicht durch den Dänen Jonas Vingegaard, der ihn letztes Jahr auf Rang 2 verwiesen hatte. Doch dann stürzte Pogacar bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, brach sich das linke Handgelenk, musste sich einer Operation unterziehen und wochenlang pausieren. Erst vor acht Tagen gab er an den slowenischen Meisterschaften nach fast zwei Monaten Wettkampfpause sein Comeback – und gewann das Zeitfahren und das Strassenrennen. 

Fragezeichen um seinen Formstand bleiben dennoch bestehen und der Slowene schiebt die Favoritenrolle auch Titelverteidiger Vingegaard zu, der zuletzt die Dauphiné-Rundfahrt gewinnen konnte. Gegenüber «cyclingnews.com» sagte Pogacar nun: «Er scheint bereits in einer sehr, sehr guten Form zu sein. Jetzt sind alle Augen auf ihn gerichtet, er wird die Hauptfigur dieser Tour sein. Jeder erwartet, dass er einfach gewinnt.» Er schätze diese Rolle des Jägers: «Dieses Jahr habe ich nichts zu verlieren!»
 

Vingegaard
Jonas Vingegaard, der Sieger 2022.

Jonas Vingegaard (26, Team Jumbo-Visma)

Vor zwei Jahren fuhr der Däne hinter Pogacar auf Rang 2, mit einem Rückstand von 5:20 Minuten. Letztes Jahr schlug er zurück und verwies den Slowenen auf den zweiten Platz. Den Unterschied machte der begnadete Kletterer in der elften Etappe von Albertville auf den Col du Granon, als er Pogacar fast drei Minuten abnahm. Wie gross seine Qualitäten sind, zeigte Vingegaard dann im Zeitfahren am zweitletzten Tag, als er nur von Wout van Aert bezwungen wurde, aber Pogacar und Geraint Thomas hinter sich liess und 1:36 Minuten schneller war als Stefan Küng. 

Das Jahr 2023 nahm der Däne eher gemächlich in Angriff, verlor bei Paris–Nizza als Dritter 1:39 Minuten auf Pogacar und liess auch die Klassiker aus. Beim Critérium du Dauphiné, einem der wichtigsten Vorbereitungsrennen auf die Tour de France, präsentierte er sich dann aber in beeindruckender Form, gewann zwei Bergetappen und das Gesamtklassement. In den langen Anstiegen im Hochgebirge wird Vingegaard mit Pogacar wohl mithalten können. Die Frage ist aber: Was passiert in den hügeligen Etappen? Kann er die Antritte des schnellkräftigen Pogacar kontern?

Mögliche Spielverderber

Das Warten der Franzosen auf einen Triumph eines Einheimischen an der Tour de France dauert eine Ewigkeit, der letzte Sieger war Bernard Hinault 1985. Nun ist David Gaudu (26, Groupama FDJ) der grosse Hoffnungsträger der Franzosen. Der Teamkollege von Stefan Küng ist ein Kletterer, der sich im Hochgebirge so richtig wohl fühlt – und ihm könnte der schwere Parcours 2023 in die Karten spielen. Zumal nur ein Zeitfahren im Programm steht und dieses erst noch mit vielen Höhenmetern gespickt ist. Gaudu muss aufpassen, dass er in den nervösen Klassiker-Etappen nicht überrascht wird, doch da kann er auch auf die Hilfe von Stefan Küng zählen, der als Capitaine de Route der verlängerte Arm des Sportlichen Leiters sein wird.

Die zweite französische Hoffnung ist Routinier Romain Bardet (32, Team DSM), der zum zehnten Mal an der Grande Boucle startet und 2016 und 2017 im Endklassement die Ränge 2 und 3 belegte. Seine grösste Schwäche sind lange, flache Einzelzeitfahren, die in diesem Jahr jedoch fehlen. Seine Stärken liegen im Hochgebirge. Kann er da seinen vierten Etappensieg feiern und ist er gut genug, um im Gesamtklassement Pogacar und Vingegaard zu überlisten?

Immer wieder taucht auch Richard Carapaz (30, EF Education-Easypost) im Favoritenfeld auf. Vor zwei Jahren belegte der Ecuadorianer an der Tour de France Rang 3. Es war das Jahr, in dem er auch die Tour de Suisse gewann und Olympiasieger wurde. Er kann in den Bergen mit den Besten mithalten und galt lange als heisser Anwärter auf Siege in den grossen Rundfahrten, wurde 2022 auch Giro-Zweiter, doch er war generell zu unbeständig, zog immer wieder mal einen «jour sans» ein. Und das kann man sich nicht leisten.

Gaudu
David Gaudu, der Teamkollege von Stefan Küng.

Enric Mas (28, Movistar) gilt als grösstes spanisches Rundfahrtentalent und ist vor allem im Hochgebirge beeindruckend stark. Da wird er gegenüber Vingegaard und Pogacar kaum Zeit verlieren. Dass er zum erweiterten Favoritenfeld zählt, zeigt dies Tatsache, dass er 2018, 2021 und 2022 die Vuelta auf Rang 2 beenden konnte. Aber: Ausserhalb seiner Heimat hat der Spanier, der in den Abfahrten einige Schwächen aufweist, noch nie brilliert. Seine Bestleistung an der Tour de France ist ein fünfter Platz vor drei Jahren.

Der Australier Jai Hindley (27, Bora-hansgrohe) feiert sein Debüt bei der Tour de France. Seit seinem zweiten Platz am Giro 2020 und dem Triumph 2022 traut man ihm einen ganz grossen Coup zu. Auf der Rechnung muss man auch seinen Landsmann Ben O’Connor (27, AG2R Citroën) haben, der 2021 in der Tour de France als Vierter am Podest vorbeischrammte und 2022 und 2023 an der Dauphiné Rang 3 belegte. 

Gespannt sein darf man auch auf das britische Team Ineos. Eigentlich fehlt auf den ersten Blick ein Fahrer, der um den Gesamtsieg mitreden kann, doch mit dem Kolumbianer Daniel Martinez ist ein Mann dabei, der sich im Hochgebirge wohlfühlt. Dazu kommen Tom Pidcock und Carlos Rodriguez, die es unter die Top Ten schaffen können. Eineinhalb Jahre nach seinem schweren Unfall – er prallte Anfang 2022 im Training in einen stehenden Bus und zog sich zahlreiche Brüche und auch Wirbelverletzungen zu – bestreitet auch Egan Bernal wieder die Tour de France. Doch es stellt sich die Frage, wie weit der Kolumbianer auf dem langen Weg zurück schon ist.

Für Spannung ist in den kommenden drei Wochen auf dem 3405,6 Kilometer langen Weg von Bilbao nach Paris auf jeden Fall gesorgt.

Bernal
Egan Bernal bei seinem Sieg an der Tour de Suisse 2019.
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