The Good, the Bad and the Ugly: Nati-Überraschungen auf der Suche nach Alternativen
Diese Überraschung ist geglückt: Mit Lucas Blondel, Stefan Gartenmann und Isaac Schmidt hat Murat Yakin drei Neulinge ins Nati-Camp nach Portugal eingeladen, die Anfang Jahr mit Sicherheit noch niemand auf dem Zettel hatte. Ein gutes Zeichen? Nicht nur, aber zumindest teilweise.
The Good
Eines wissen wir allerspätestens seit der letzten EM: Nati-Coach Murat Yakin und sein Staff sind sich nicht zu schade, auch einmal neue Pfade zu bestreiten. Führten diese im Sommer u.a. nach Bulgarien und zu Kwadwo Duah, endeten sie dieses Mal bei den weltbekannten Boca Juniors (Blondel), in der ungarischen Hauptstadt Budapest (Gartenmann) und in der nordenglischen Grafschaft Yorkshire (Schmidt). Am Mut zur Veränderung, an innovativen Ansätzen um sich zu verbessern und an einem ausgedehnten, internationalen Scouting fehlt also definitiv nicht, wenn es darum geht, der Nati das bestmögliche Gesicht im Hinblick auf die anstehende Qualifikation zur Fussball-Weltmeisterschaft 2026 in Nordamerika zu verpassen. Ob man dabei mit den aktuellen Personalrochaden richtig liegt? Die Zukunft, angefangen mit dem aktuellen Trainingslager in Portugal, wird es weisen. Vorderhand gilt es die Nati-Führung zumindest für ihren Willen, echte Alternativen zu finden, zu loben. Auch wenn der legendäre Alfred Preissler natürlich Recht hat, wenn er sagt: «Entscheidend is’ auf’m Platz».
The Bad
Und damit wären wir auch schon beim ersten Kritikpunkt an der Nomination von Trainer Murat Yakin für die beiden Spiele gegen Nordirland und Luxemburg. Denn dass der aktuelle Leeds-Legionär Isaac Schmidt zum ersten Mal in seiner Karriere ein Nati-Aufgebot erhalten hat, ist nur schwer nachvollziehbar. Gewiss, Schmidt war in den vergangenen beiden Spielzeiten ein belebendes Element auf der linken, defensiven St. Galler Aussenbahn, seit seinem Wechsel zum aktuellen Tabellenführer der englischen Championship im August, isst der 25-Jährige allerdings ultrahartes Brot. Auf nur sieben Einsätze kommt der gebürtige Romand bislang, und ein Blick auf die nackten Zahlen ist absolut ernüchternd. Ganze 25 Minuten lang durfte Schmidt in der Meisterschaft bislang das Trikot der «Peacocks» tragen, was einer Startelfquote von null Prozent und genau einem Prozent aller möglichen Spielminuten entspricht. Und jetzt also das Aufgebot für die Nationalmannschaft? Das erscheint nicht nur unlogisch, sondern ist es auch und wirft Fragen auf hinsichtlich der sportlichen Kriterien für eine Nomination. Diese sind natürlich Sache von Yakin und seinem Staff. Erscheinen sie jedoch willkürlich, hilft das nicht, das Vertrauen zwischen dem Trainer und seinem Personal zu stärken. Wie es um dieses bestellt ist, dürfte man spätestens mit Beginn der WM-Kampagne im September erfahren, wenn jeder Rückschlag angesichts von nur sechs Quali-Spielen der Entscheidende sein könnte. Nur, dass es dann für eine Kurskorrektur wahrscheinlich bereits zu spät ist.
The Ugly
Hinsichtlich des Kaders für die beiden Freundschaftsspiele der nächsten Tage nur die Entscheidung(en) Murat Yakins anzuzweifeln, greift allerdings zu kurz. Vielmehr sind sie Ausdruck der aktuellen Situation in der Schweizer Fussballnationalmannschaft, die sich im Umbruch befindet. Die goldene Generation um die langjährigen Stützen Sommer, Shaqiri, Xhaka, Schär und Rodriguez wird in den kommenden Jahren endgültig wegbrechen und die Nachfolger sind aktuell maximal teilweise in Sicht. Speziell in der Aussenverteidigung, aber auch in der Rolle des Spielmachers, im offensiven Mittelfeld sowie im Sturm ist die Schweiz so dünn besetzt, wie schon lange nicht mehr, auch, weil sich gewisse Hoffnungsträger nicht wie gewünscht entwickelt haben und die Latte für Nachfolger von Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri für Schweizer Verhältnisse aussergewöhnlich hoch liegt. Talentierte Kandidaten wie Ardon Jashari (Brügge) sind zwar vereinzelt vorhanden, trotzdem kommt man aktuell nicht darum herum, im Personalbereich zu experimentieren. Immer in der Hoffnung, einer der vielen «Potentials» (u.a. Leonidas Stergiou, Zeki Amdouni, Miro Muheim, Dominik Schmid, Fabian Rieder, Luca Jaquez, etc.) möge in naher Zukunft den nächsten Entwicklungsschritt machen und sich auf internationalem Niveau als verlässliche Alternative anbieten. In dieser Hinsicht sind Yakins Aufgebote für Blondel, Gartenmann und Schmidt auch einfach Ausdruck einer neuen Schweizer Realität, in der die neuen Schärs, Shaqiris oder auch Widmers erst noch gefunden werden müssen. Vielleicht ja in Buenos Aires, Budapest oder auch Leeds.