Joel Matip (32) geht in seine 8. Saison an der Anfield Road – und ist gierig auf weitere Titel! Das gilt seiner Beobachtung nach auch für Jürgen Klopp. Im exklusiven Sky-Interview spricht der Deutsch-Kameruner über Kloppos Feuer, die Aufstiegsambitionen seines Herzens-Klubs Schalke und die deutschen EM-Titelchancen unter Julian Nagelsmann.
Sky Sport: Sind Sie überrascht, dass Liverpool nach einem grösseren personellen Umbruch im Sommer so stabil gestartet ist?
Joel Matip: Wir stehen ja noch am Anfang der Saison. Natürlich sind wir froh, dass die Ergebnisse stimmen. Die Qualität, die die neuen Spieler direkt ins Team reingebracht haben, ist schon beeindruckend. Jetzt versuchen wir gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir auf Dauer erfolgreich sein können.
Sie haben schon zwei Spiele nach Rückstand gewonnen. Haben Sie die Neuen so gut an die Hand genommen, dass alle schon den nötigen Anfield-Spirit verinnerlicht haben?
Da muss man keinen an die Hand nehmen. Das passiert automatisch im Training - auch da wird niemals aufgegeben. Alle in Liverpool versuchen einfach immer, das Beste aus sich rauszuholen. Aber natürlich hoffen wir, dass wir ab jetzt nicht immer erst zurück liegen müssen, um in Schwung zu kommen (lacht). Die Neuen haben direkt im Training gezeigt, dass sie gierig sind.
Mit West Ham wartet in der Liga die nächste anspruchsvolle Herausforderung…
Wir wollen jedes Spiel gewinnen - egal wie der Gegner heisst. Natürlich haben die ein Top-Team, wir sind aber top präpariert, haben ein strammes Programm und wollen natürlich auch West Ham schlagen.
Zuvor starten Sie in Linz in die Europa League. Welche Grundhaltung hat man als Champions-League-Dauerteilnehmer zu diesem Wettbewerb?
Auch in der Europa League wollen wir alle Spiele gewinnen - in Linz wollen wir damit anfangen. Das wird nicht mit einer halben Backe gespielt, sondern mit 100 Prozent. Natürlich haben wir viele Spiele, die wir versuchen auf alle Beine zu verteilen und fahren nach Linz, um drei Punkte mitzunehmen. Wenn wir da schläfrig sind, werden wir bestraft.
Ist der Europa-League-Titel ein klares Saison-Ziel?
Wir spielen in jedem Wettbewerb, um ins Finale zu kommen. Der Weg ist noch weit, Linz ist der erste Schritt. Mit der Qualität, die wir im Kader haben, bin ich guter Dinge, dass wir da erfolgreich sein können.
Viele Premier-League-Klubs haben gross eingekauft. Heisst das, es gibt viele Titelkandidaten?
In der Premier League wird immer gross investiert - insofern kann man da keine Prognosen stellen. Wir haben aber eben auch enorme Qualität und geben in jedem Spiel alles. Was dabei am Ende herauskommt, weiss man nie. Wir gucken erstmal nur auf uns und versuchen jedes Spiel zu gewinnen. Wenn das oft gelingt, sollte die Saison ein erfolgreiches Ende haben.
Ist Manchester City zu packen?
Wir haben zwei Spiele gegen die - da können wir sie packen. In den Partien werden wir ihnen alles abverlangen und wollen dann auch gewinnen. Was die ansonsten machen, haben wir ja nicht in der Hand. Wir müssen unseren Job machen.
Sie haben als Profi nur in zwei Klubs gespielt. Das ist heutzutage eher ungewöhnlich.
Schalke war natürlich mein Jugend-Verein - als Schalker Fan war es eine absolute Ehre dort zu spielen. Dazu hatte ich ja auch lange Gelegenheit. Und hier in Liverpool mit diesen absoluten Top-Voraussetzungen geht man auch nicht so einfach weg. Darüberhinaus fühle ich mich hier auch privat unheimlich wohl. Ich finde es erstrebenswert, nicht permanent den Verein zu wechseln. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde Konstanz jedenfalls hilfreich.
Wird es in Ihrer Karriere am Ende bei zwei Profi-Klubs bleiben?
Ich bin in einem Alter, in dem ich mir über die Zukunft nicht mehr ganz so viele Gedanken mache. Ich versuche, aus jedem Tag das Beste zu machen und schaue nicht allzu weit voraus. Sollten es am Ende nur diese beiden Vereine gewesen sein, wäre ich wunschlos glücklich. Aber im Fussball weiss man ja nie so ganz genau.
Sind Sie ein Typ, der mit 40 noch Fussball spielen will?
40 ist keine Zahl, die ich anvisiere - aber man kann natürlich schlecht vorausahnen, was der Körper hergibt. Ausschliessen will ich es nicht, aber es kann eben auch schnell zu Ende sein. Ich blicke sehr entspannt auf die nächsten Jahre meiner Karriere.
Sind Sie stolz darauf, bei einem Klub wie Liverpool über so viele Jahre zum Stammpersonal zu gehören?
Bei einem Verein wie Liverpool gehört Konkurrenz dazu. Ich bin natürlich glücklich, dass ich es geschafft habe, mich über so lange Zeit zu behaupten. Dafür muss man natürlich ab und zu mal was zeigen - sonst hat man nicht die Möglichkeit, so lange zu bleiben. Wir haben so viel Qualität und so viele Spiele, dass man zwangsläufig auch mal auf der Bank sitzt - das ist normal. Und ich bin auch froh darüber, so gute Kollegen in der Innenverteidigung zu haben.
Sind Sie in all den Jahren zu einem echten Scouser geworden?
Den Akzent habe ich mir nicht angewöhnt - da hört man immer noch das gute alte Deutsch-Englisch raus. Ich verstehe die Leute aber mittlerweile ganz gut. Und die Mentalität ist hier so ähnlich, wie im Ruhrgebiet.
Wie schafft es Jürgen Klopp über all die Jahre die Intensität hochzuhalten und die Mannschaft nicht zu langweilen?
Er ist permanent Feuer und Flamme. Man merkt ihm nicht an, dass er schon einige Jahre hier ist, sondern hat das Gefühl, dass er gerade erst angefangen hat. Er ist bei jeder Einheit mit vollem Elan dabei und brennt bei jeder Besprechung. Es bricht einfach aus ihm heraus, damit steckt er auch die Leute an. Das ist bis heute so geblieben.
Der beste Motivator, den Sie je als Trainer hatten?
Er ist der Coach, unter dem ich am längsten gearbeitet haben und ganz sicher einer der besten Trainer der Welt - da werden wohl nicht viele widersprechen. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, unter ihm zu spielen.
Schafft Ihr Herzens-Klub Schalke den Wiederaufstieg?
Beim letzten Spiel hat man ja gesehen, wozu Schalke in der Lage ist - einfach alles nochmal zu drehen. Der Verein gehört in die Bundesliga. Natürlich bin ich da nicht objektiv, aber ich denke, selbst der eine oder andere Dortmunder würde sich über eine Rückkehr freuen, um dann wieder die Derbys in der 1. Liga geniessen zu können.
Ist eine Rückkehr zu Schalke für Sie denkbar?
Ich mache mir keine Gedanken darüber, was im nächsten Sommer ist, sondern fokussiere mich komplett auf die Gegenwart.
Die deutsche Nationalmannschaft geht mit Julian Nagelsmann in die Zukunft. Eine gute Wahl?
Das kann ich nur als Fussball-Fan beantworten. Ich sehe, dass die Top-Spieler haben und Julian Nagelsmann ist ein Top-Trainer - aber das war Hansi Flick auch. Ab und zu passt eine Konstellation aber einfach nicht. Ich hoffe sehr, dass es in der künftigen Kombination passen wird. Denn bei der Heim-EM wäre es natürlich schön, wenn die den Titel zu Hause behalten würden. Ich wünsche denen jedenfalls alles Gute.