Schwächelnder Meister und zögerliche Herausforderer
Die Winterpause in der Super League ist kurz. Bereits Mitte Januar geht es weiter. Das ist gut so, denn die Meisterschaft ist so packend wie noch selten.
Man kann die Tabelle der Super League nach den ersten 18 Runden anschauen, wie man gerade will. Sie verspricht ein zweites Halbjahr voller Spannung. Die Top 5 mit Lugano, Basel, Lausanne-Sport, Luzern und Servette sind durch zwei Punkte getrennt. Der Neunte liegt nur acht Zähler hinter dem Leader Lugano - und weil es sich dabei um den Schweizer Meister YB handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass der Neunte am Ende der Erste sein wird.
So ausgeglichen wie in den letzten Monaten war die Super League seit ihrer Einweihung 2003 noch nie. In der Mehrheit der 21 bisherigen Saisons war der Leader nach 18 Runden schon enteilt oder bildete im besten Fall mit dem einen oder anderen Konkurrenten eine isolierte Fluchtgruppe. Dass sich so viele Teams noch Hoffnungen auf den Meistertitel machen können, ist eine Premiere und spricht für die vollzogene Aufstockung der Super League von zehn auf zwölf Mannschaften auf die letzte Saison hin.
Am Ursprung der ganzen Spannung steht der Absturz der erfolgsverwöhnten Berner. Die Young Boys stehen mit 15 Punkten weniger da als noch vor einem Jahr und haben damit den Platz frei gemacht für die Konkurrenz. Im ersten halben Jahr haben sie nie richtig in die Saison gefunden, obwohl schon früh der Trainer gewechselt wurde und Patrick Rahmen für Joël Magnin Platz machen musste.
Rahmen war im Sommer auch deshalb von Winterthur gekommen, um das Spiel von YB spektakulärer zu machen. Diesen Anspruch, der in der Vergangenheit auch dem FC Basel auf dem Leistungszenit zum Verhängnis wurde, hat der erfolgreichste Schweizer Fussballklub der letzten Jahre längst nicht mehr. In der Super League aber auch in der komplett misslungenen Champions-League-Ligaphase ist YB hart aufgeprallt. Das Team, das zuletzt immer wieder Liga-Bestmarken aufgestellt hat, konnte in der Meisterschaft in dieser Saison noch nicht zweimal in Folge gewinnen.
Klub-Boss Christoph Spycher und Sportchef Steve von Bergen hatten bei der Trainerwahl und dem Management des Kaders kein gutes Händchen. Pech spielte allerdings auch eine Rolle. Viele Verletzungen verhinderten, dass sich die Mannschaft formen konnte. Letzte Woche musste mit dem Tod des Sohnes von Meschack Elia eine Tragödie verarbeitet werden. Dass am Sonntag trotzdem ein Heimsieg gegen Servette heraussprang, spricht für das Team und lässt eine spektakuläre Aufholjagd zumindest nicht unmöglich erscheinen. Ob mit oder ohne Magnin auf der Trainerbank, ist bei YB noch nicht entschieden.
YB in der Bredouille hätte den Weg für Lugano und Servette freimachen sollen. Die beiden Mannschaften brachten alles mit, um sich vom Rest der Liga zu distanzieren: ein starkes Kader mit der Erfahrung von Cupsiegen und eine gute letzte Super-League-Saison als Referenz. Bei Lugano scheint die Doppelbelastung mit bereits jetzt mehr als 30 bestrittenen Spielen in dieser Saison ein Hindernis für regelmässig gute Leistungen. Sehr gute Spiele wechseln sich mit mittelmässigen ab.
Servette verpasste die Europacup-Ligaphase und kann sich damit ganz auf die heimischen Wettbewerbe konzentrieren. Trotzdem geht bei den Genfern auch unter Trainer Thomas Häberli der Fokus oft in den Spielen etwas verloren. Zuletzt gesehen am Sonntag gegen YB, als auf das geniale Tor von Dereck Kutesa nicht mehr viel Zwingendes folgte. Sicher scheint, dass der erste Meistertitel seit 1999 nur mit Kutesa erreicht werden kann. Der beste Torschütze der Liga, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, dürfte im Winter von anderen Klubs umschwärmt werden.
Auch beim drittplatzierten Lausanne, das zehn Punkte mehr ausweist als vor einem Jahr, werden die Fans die Transferzeit mit Bangen verfolgen. Der sicherlich bald für Murat Yakin in der Schweizer A-Nationalmannschaft auflaufende Alvyn Sanches interessiert zahlreiche ausländische Klubs. Sein Verbleib im Team von Ludovic Magnin hängt davon ab, wie sehr Besitzer Ineos in London Gefallen an den ausserordentlichen Leistungen der Waadtländer gefunden hat.
Neben Lausanne ist Luzern der zweite Überraschungsgast in den vordersten Plätzen der Super League. Angeführt von Topskorer Thibault Klidjé, der so oft trifft wie noch nie, gehen die Luzerner mit viel Elan in die Partien. Das geht manchmal auf wie am Wochenende in Winterthur mit zwei Toren in der Nachspielzeit - und manchmal nicht. So lösten sich Siege und Niederlagen zuletzt recht regelmässig ab.
Dass der FC Basel sich bald mal wieder ganz vorne in der Super League wiederfinden würde, konnte angesichts des schlummernden Fussball-Potenzials des Klubs und der Stadt angenommen werden. Nach zwei national total misslungenen Saisons ist das abgelaufene Halbjahr aber spektakulär. Die Punkteausbeute hätte sogar noch etwas besser sein können, wenn man die Tordifferenz als Indiz nimmt. 41:19 ist normalerweise nicht das Torverhältnis einer Mannschaft, die sechs von 18 Spielen verloren hat.
Basel scheint wie Lugano dank der Breite seines Kaders noch den einen oder anderen Gang höher schalten zu können, wenn es dann noch etwas ernster wird im Titelrennen. Individuell besitzt der FCB eine ganze Reihe von Spielern, die für den Unterschied sorgen können und mit Xherdan Shaqiri einen Leader, der dann am besten ist, wenn es besonders zählt. Andere Klubs sind mehr von einzelnen Spielern abhängig und könnten sportlich teuer bezahlen, wenn einer im Januar transferiert wird.
Bis und mit YB dürfen aber alle Mannschaften vom grossen Coup träumen. Wie rasch es bei solch einer Tabellenkonstellation wieder in eine andere Richtung gehen kann, bewiesen zuletzt der FC Sion und der FC Zürich. Vor sechs Wochen war der FCZ mit elf Punkten Vorsprung auf die Walliser Leader. Nun gehen die beiden Teams durch einen Zähler getrennt als Tabellennachbarn in die Winterpause. Die Zürcher wären momentan als Sechste in der Meisterrunde, die Sittener als Siebente in der Abstiegsrunde.
Diese Zäsur erfolgt am Ostermontag nach der 33. Runde und wird auf jeden Fall einen vorangegangenen Leader in die Abstiegsrunde verweisen. In den ersten 18 Runden gab es sieben verschiedene Tabellenführer.