Ryan Regez ist ein Olympiasieger ohne Selbstvertrauen - noch
Im Frühjahr 2022 stand Ryan Regez als Olympia- und Gesamtweltcupsieger auf dem Gipfel. Seither hat er nicht mehr gewonnen. Der 31-Jährige spricht von einem Teufelskreis. Jetzt ist er wieder fit.
Die Vorbereitung verlief vielversprechend, "fantastisch" sogar, sagt Ryan Regez. Der Berner Skicross-Olympiasieger spricht von "super Trainings" und "super Trainingsbedingungen". Er habe viele Kilometer gesammelt auf Schnee, beschwerdefrei sei er geblieben. Beste Voraussetzungen, um nach zwei Seuchenjahren an die guten alten Zeiten anzuknüpfen, zu alter Stärke zurückzukehren.
Seit dem Olympiasieg im Februar 2022 hat Regez kein Rennen mehr gewonnen. Besser als Achter wie im fatalen Rennen in Arosa mit dem Kreuzbandriss war er nicht mehr. Aber jetzt, nach dieser guten Vorbereitung, sollte es doch wieder klappen. Schliesslich bringt Regez alles mit, was einen erfolgreichen Skicrosser ausmacht.
Doch so einfach geht das bei Ryan Regez nicht, dem vor Kraft strotzenden 1,92 m grossen Modellathleten mit dem einmaligen Speed auf den Ski und dem sanften Gemüt. Noch fährt er mit angezogener Handbremse, wie er selber sagt. Noch fehlt das Vertrauen ins linke Knie - und das Selbstvertrauen, an dem es einem Athleten eigentlich nicht mangeln sollte, der eine Saison lang alles und jeden besiegt hat. Noch fehlt dieses eine gute Resultat, das die Blockade lösen könnte.
Der Auftakt in den Weltcup misslang. Zweimal blieb Regez vor Wochenfrist in Val Thorens in der Qualifikation hängen. "Ich weiss, ich könnte es. Aber noch war der Glaube an mich selbst nicht da", sagt er ein paar Tage später in Arosa, wo am Dienstagabend die Sprintrennen der zweiten Weltcup-Station entschieden werden. In der letzten Trainingswoche in St. Moritz hatte Regez zuvor einige harte Schläge aufs Knie abbekommen. Die Bänder hielten, aber das Knie reagierte.
"Es ist nicht die Angst vor einer neuen Verletzung, die mich daran hindert, hundert Prozent zu performen", beteuert Regez. Eher ist es die Suche nach der Leichtigkeit, nach dem Selbstverständnis, das ihn in den erfolgreichen Tagen durch die Rennen trug und die Suche danach sich nun schwierig gestaltet. "Ich stehe mir selber im Weg. In meinem Kopf geht viel vor", sagt Regez. Das fehlende Selbstvertrauen eines Olympiasiegers.
Bis zu den nächsten Höhepunkten, der Heim-WM in St. Moritz im kommenden März und den Olympischen Spielen 2026 Mailand und Cortina, bleibt noch Zeit. Und auch wenn sich ein Olympiasieger teamintern qualifizieren muss, setzt sich Regez nicht unter Druck - so wie er es auch letzte Saison nicht gemacht hat, als er in St. Moritz das Comeback nach dem Kreuzbandriss gegeben, sich im Saisonverlauf aber vorsichtig herangetastet hat. Der Fokus liege nicht auf der Heim-WM, betont er.
Die Leidenszeit begann vor zwei Jahren in Arosa. Ein Sturz im kleinen Final des Heim-Weltcups riss ihn hart aus dem Höhenflug, der in der Vorsaison im Olympiasieg und dem Gewinn des Gesamtweltcups gegipfelt hatte. Die niederschmetternde Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie, Zerrung des Innenbandes, zwei kleine Risse am Meniskus.
Die Reha gestaltete sich zäh - "extrem knorzig" nennt es Regez. Anders als beim sieben Jahre älteren Teamkollegen Alex Fiva, mit dem er im Februar zusammen auf das Olympiapodest gestiegen war und der sich zehn Monate später, kurz vor ihm, ebenfalls einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, verlief der Heilungsprozess nicht reibungslos. Ein Jahr nach der Glückseligkeit in China schlug Regez hart auf.
Rückblickend spricht Regez von einer "extremen psychischen Belastung. Ich war im Negativen gefangen, es war ein Teufelskreis." Dabei sind Verletzungen für Regez nichts Neues. 2017 hatte er sich eine ähnliche Verletzung am rechten Knie zugezogen (Kreuzbandriss, Anriss des Innenbandes, leichter Riss des Meniskus), 2021 endete die Saison wegen eines Handbruchs frühzeitig. Die Comebacks verliefen nach Plan.
Jetzt müsse er lernen, geduldig zu sein, sagt Regez. Für unmittelbare Erfolge fehlt das Selbstvertrauen. Aber der Glaube, es wieder nach oben zu schaffen, ist da. "Irgendwann wird es wieder gut laufen, das weiss ich. Die Motivation auf das Skifahren und darauf, es zu schaffen, ist extrem gross", sagt Regez.