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Renato Steffen: Schlüsselspieler oder Stinkstiefel? Zwei Meinungen!

Andy-Pat

Am Sonntag kann der FC Lugano zumindest für ein paar Stunden die Tabellenspitze der Super League erklimmen. Zentrale Figur bei den Tessinern ist Renato Steffen, der die Dinge auch Mal öffentlich beim Namen nennt. Ein Problem oder Segen für die Bianconeri? Unsere Redaktoren Andy Maschek und Patrick Y. Fischer sind sich nicht einig.

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Renato Steffen bildet beim FC Lugano gemeinsam mit dem Argentinier Ignacio Aliseda ein erfolgreiches Duo. © KEYSTONE/EPA/Martin Divisek

Andy Maschek sagt: Segen

Es gibt Spieler, die polarisieren. Die man als Mitspieler oder Fan entweder gerne in seinem Team hat oder die man sich weit weg ins Pfefferland wünscht. Renato Steffen gehört definitiv dazu. Und es gibt Spieler, die vor Ehrgeiz brennen, die mit aller Kraft den maximalen Erfolg zu erreichen versuchen. Und auch in dieser Kategorie ist Renato Steffen anzusiedeln.

Steffen ist kein einfacher Charakter. Kein Ja-Sager, keiner, der sich duckt oder durch die Hintertüre verabschiedet, wenn es unbequem wird. Sondern einer, der den Konfrontationen nicht aus dem Weg geht, das Unbequeme nicht scheut. «Ein ekliger Siech, das will ich sein», sagte er einst in einem Interview. Und das ist er – auf und neben dem Rasen. In den Stadien bringt er regelmässig seine Gegenspieler und die gegnerischen Fans zum Kochen, aber auch teamintern kann er schon mal für Unruhe sorgen.

So war das zuletzt, als er sich nach der Niederlage gegen YB öffentlich über den von Shkelqim Vladi verschossenen Penalty beklagte und im selben Interview auf die Nicht-Nominierung für die kommenden Nations League-Spiele gegen Serbien und Spanien sagte: «Manchmal ist es besser, wenn man nichts sagt.» Es war ein vielsagendes «Schweigen».

Renato Steffen trägt sein Herz auf der Zunge, legt den Finger in die Wunde, auch wenn es schmerzt. So war das auch zu Beginn seiner Zeit beim FC Lugano, als er die Arbeitsmoral seiner Teamkollegen kritisierte, die Meinung vertrat, dass diese die Komfortzone nicht verlassen würden. Und gegenüber dem «Corriere del Ticino» vermittelte er im Interview den Eindruck, dass er gerne ein Leader sein möchte, sich aber nicht von allen Mitspielern akzeptiert fühlt, was natürlich für Aufsehen und in der Sonnenstube für ein paar Gewitterwolken sorgte. «Es war das, was mich zu diesem Zeitpunkt beschäftigt hat. Ich sah Punkte, die man in dieser Mannschaft ändern muss, um mehr Erfolg zu haben», erklärte er später.

Es war wohl ein reinigendes Gewitter und ist heute Schnee von gestern. Der FC Lugano gehört heute zu den besten Fussballadressen unseres Landes, darf vom ersten Meistertitel seit 1949 und dem ersten Cupsieg seit 2022 (also kurz bevor Steffen aus der Bundesliga kam) träumen. Dies ganz sicher auch wegen dem Aargauer, der mit seinem Biss und seinem Ehrgeiz sein Team mitreissen kann. Und als Leader vorangeht. Ja, er ist ein Segen für seinen Arbeitgeber.

Patrick Y. Fischer sagt: Problem

Eigentlich ist der Fall klar. Ein Spieler wie Renato Steffen, im Ausland gewogen und nicht als zu leicht empfunden, mit über 40 Länderspielen und zwei Endrunden-Teilnahmen auf dem Buckel, ist für jeden Superligisten ein Gewinn. Aber: Wenn sich dieser Spieler wiederholt über anstatt vor den Rest seiner Mannschaft stellt, ist das ein Problem, dass an der Tabellenspitze den Titel kosten kann.

Dabei geht es nicht darum, dass Steffen Missstände im Team, im Spiel oder im Training nicht ansprechen kann. Im Gegenteil. Kraft seiner Rolle als Führungsspieler muss und soll er das sogar tun. Aber halt nicht in der Öffentlichkeit und nicht in einer Art und Weise, die ihn selbst von der Kritik ausnimmt. Denn das führt – ungewollt oder nicht - nur dazu, dass Unruhe entsteht, dass Druck auf einzelne Teile der Mannschaft aufgebaut oder sogar das Innenleben des Teams gestört wird.

Mag sein, dass es Spielertypen gibt, die an Differenzen wachsen und Reibung benötigen, um sich selbst immer wieder zu Höchstleistungen zu pushen. Nur sollte man dabei nicht den Fehler machen, von sich selbst auf andere zu schliessen. Ein echter Leader zeichnet sich nicht dadurch aus, nach dem Spiel mit kernigen Aussagen für zusätzlichen  Betrieb zu sorgen, sondern sich speziell im Moment eines Negativerlebnisses mit Bedacht zu äussern und die Gruppe zu schützen. So wie das Spitzentrainer wie Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder auch Ottmar Hitzfeld jahrzehntelang getan haben – und wie es anerkannte Schweizer Top-Sportler wie die beiden NHL-Captains Roman Josi und Nico Hischier tagtäglich vorleben. Es ist kein Zufall, dass selbst ein Granit Xhaka das erfolgreichste Jahr seiner Karriere spielte, als es am ruhigsten um ihn war.

All das gewichtet Renato Steffen zu wenig, wenn er sich wie zuletzt nach dem Spiel bei YB öffentlich negativ über Trainerentscheidungen oder Mitspieler äussert, die darüber nicht erfreut sein können. Natürlich geht Steffen auf dem Rasen mit guten Leistungen voran, aber damit alleine ist sein Job nicht getan. Um vom Problem zum Meistermacher zu werden, muss von ihm auch nach dem Abpfiff mehr Souveränität und Weitsicht kommen. Ganz nach dem Motto «weniger ist manchmal mehr».

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