Leichter Aufschwung, dreieinhalb Neuzugänge und ein neuer Trainer: Niko Kovac soll Borussia Dortmund zurück in die Erfolgsspur bringen. Aber ist das in dieser Konstellation überhaupt möglich? Eine Analyse.
"Alles, was ich ich in meinem Leben geschaffen habe, war durch harte Arbeit", sagte BVB-Coach Niko Kovac bei seiner Vorstellungs-PK am Dienstag. Und weiter: "Daher glaube ich, dass ich hier in den Pott gut hinpasse. Wir müssen jetzt hart arbeiten. Ich fordere Hingabe und Leidenschaft."
Kovac legt schwungvoll los und darf sich auf dreieinhalb Neuzugänge freuen: Mit Daniel Svensson ist die linke Abwehrseite qualitativ und in der Breite verstärkt worden. Chelsea-Leihgabe Carney Chukwuemeka kann als Box-to-Box-Spieler variabel im Mittelfeld eingesetzt werden. Rückkehrer Salih Özcan (Leihabbruch mit dem VfL Wolfsburg) und Diant Ramaj (von Ajax gekommen, aber direkt nach Kopenhagen weiterverliehen) sind ebenfalls dazugestossen beziehungsweise stossen im Sommer zur Mannschaft dazu. Kovac wurde bei den Transfers mit in die Überlegungen eingebunden.
Die Vorzeichen könnten schlechter sein, zumal Interimstrainer Mike Tullberg den Turnaround mit zwei Siegen und einem Remis angestossen hat. "Er hat das richtig gut gemacht, Kompliment dafür. Dafür danke ich ihm auch. Nicht nur ich, sondern auch der komplette BVB", sagte Kovac. "Die Jungs haben jetzt auch wieder gesehen, wie schön es ist, wieder zu gewinnen."
Aber reicht das für Platz vier?
Kein Cherki, kein Malen-Ersatz
Auf der anderen Seite konnte der Verlust von Donyell Malen nicht adäquat aufgefangen werden. Der zu Aston Villa transferierte Flügelspieler hinterlässt eine Lücke von garantierten 16 Torbeteiligungen pro Saison. Das muss Kovac erst einmal auffangen. Ein riskanter Move - vor allem mit Blick auf den gescheiterten Deal von Lyons Rayan Cherki, den der neue BVB-Coach gerne unter Vertrag genommen hätte. "Wir wollten den Spieler und haben verhandelt. Am Ende hat es aber nicht geklappt. Wir werden uns nicht auf das Spielchen von Lyon einlassen. Wir gehen jetzt den Weg weiter", erklärte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl am Dienstag auf der Vorstellungs-PK von Neu-Coach Niko Kovac.
Klar ist: Borussia Dortmund hat DEN Unterschiedsspieler, der Tore und Assists garantiert, in diesem Transferfenster nicht bekommen. Das kann sich im Nachhinein als Fehler erweisen, wenngleich ein solcher Neuzugang vor allem im Winter nur schwer zu finden ist.
Ohnehin: Der BVB hätte Cherki nicht als 1:1-Ersatz für Malen gesehen. Der technisch versierte Offenspieler kann zwar auch auf die Flügel ausweichen, gehört aufgrund seiner Tempodefizite aber vor allem ins Zentrum. Auf der "Zehn" hätte der 21-Jährige den Konkurrenzkampf auf den formschwachen Julian Brandt noch einmal deutlich erhöhen können. Dort fehlte es zuletzt an Kreativität und Ideen. Auf den Aussen bleiben Julien Duranville, Jamie Gittens, Karim Adeyemi die Top-Optionen. Darüber hinaus können auch Maximilian Beier, Giovanni Reyna und in Ausnahmefällen Marcel Sabitzer, Aussenverteidiger Yan Couto und Chukwuemeka auf den Flügeln spielen.
Aber reicht das für Platz vier?
Rückkehr zum 3-5-2?
Ebenso ist denkbar, dass Kovac wie in Frankfurt-Zeiten auf ein 3-5-2-System mit zwei "Schienenspielern" zurückgreift. In dieser Rolle könnten eher offensivorientierte Aussenverteidiger wie Couto und Ramy Bensebaini mit Sicherheit profitieren - auch Gittens ist eine Wingback-Option. Nico Schlotterbeck, Emre Can und Waldemar Anton zeigten bereits in der Vergangenheit, dass sie in einer Dreierkette funktionieren. Auch Niklas Süle, der vor seinem Comeback steht, darf sich Hoffnungen machen: "Wenn der Niki gesund ist, dann behaupte ich, dass er ein Spieler für die Weltmeisterschaft 2026 ist", untermauerte Kovac, der Süle noch aus gemeinsamen Zeiten beim FC Bayern kennt. Beier könnte darüber hinaus neben Lebensversicherung Serhou Guirassy als zweite Spitze agieren - die hinterlassene Flügellücke wäre mit einem kreativen Ansatz geschlossen.
Aber reicht das für Platz vier?
Der BVB benötigt wieder eine Leistungskultur - Fleiss und Disziplin müssen und werden unter Kovac im Vordergrund stehen. Das sind seine Prinzipien. Spieler, die nicht mitziehen und sich wichtig nehmen, dürften unter Kovac kaum eine Perspektive haben. Borussia Dortmund benötigt eine "gewisse Härte", aber auch einen Trainer, der den Verein mitreisst und wieder zusammenschweisst. Das ist Kovac' grosse Aufgabe.
Ob es letztendlich für den vierten Platz und den garantierten Einzug in die Königsklasse reicht, ist fraglich. "Ich möchte hier gar nicht grossartig über Tabellenplätze reden. Am Ende wird abgerechnet, wir müssen geduldig sein", machte der Dortmund-Trainer deutlich. Es liegt am Ende vor allem daran, ob Kovac das Maximale aus den Spielern herauskitzeln und den absoluten Leistungswillen wiederherstellen kann. Wenn er das hinbekommt, ist die Mannschaft qualitativ gut genug, um im Rennen um die Top Vier ein grosses Wörtchen mitzureden.
"Wir haben wirklich seine Lust gespürt, diesen Job und diese Aufgabe hier zu übernehmen und deshalb haben wir auch den tiefen Glauben und auch die Überzeugung, dass wir unsere Aufholjagd weiter fortführen werden", betonte BVB-Sportgeschäftsführer Lars Ricken, sagte aber auch: "Wir müssen viele Mannschaften überholen. Das wird noch eine Mammutaufgabe."
Diese erscheint aber nicht unmöglich, denn: Es sind nur vier Punkte Rückstand auf Platz vier und RB Leipzig. Das anstehende Programm mit den Gegnern Stuttgart, Bochum, Union, St. Pauli und Augsburg klingt absolut machbar, um sich im Rennen um die CL-Plätze wieder zurückzumelden.