Rast und Holdener feiern Doppelsieg nach schwierigen Zeiten
Camille Rast und Wendy Holdener sichern sich im WM-Slalom in Saalbach Gold und Silber. Für Rast ist es eine Premiere und eine Genugtuung nach schwierigen Zeiten, für Holdener "gut so, wie es ist".
Wieder ein Schweizer Jubeltag an der WM in Saalbach. Dieses Mal schlagen die Frauen zu. Und dies gleich doppelt. Sieg für Camille Rast im Slalom, Platz 2 für Wendy Holdener. Die Walliserin bringt nach überlegener Bestzeit im ersten Durchgang den Vorsprung ins Ziel, die Schwyzerin macht mit Bestzeit einen Sprung von Platz 4 auf 2. Am Ende trennen die beiden Teamkolleginnen 46 Hundertstel. Bronze geht an die Österreicherin Katharina Liensberger.
"Unglaublich, ich habe das alles noch gar nicht realisiert", sagt Rast nach der Flower-Zeremonie im Zielraum von Saalbach, als schon mehr als eine Stunde seit der Zieldurchfahrt vergangen ist.
Vor der Saison hatte die 25-Jährige noch keinen Podestplatz im Weltcup vorzuweisen. Nun ist sie nicht nur zweifache Saisonsiegerin und Trägerin der roten Startnummer, sondern auch Weltmeisterin. "Hätte mir das jemand vor der Saison gesagt, hätte ich natürlich unterschrieben."
Der Erfolg ist das Produkt harter Arbeit und dem mittlerweile unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Denn ihre Karriere war mehr als einmal aus den Fugen geraten. So sehr, dass Rast mit dem Gedanken spielte, einen Schlussstrich unter das Skifahren zu ziehen.
Mit 18 erkrankt sie am Pfeifferschen Drüsenfieber. Die Erkrankung hält sie nicht nur eine ganze Saison von den Rennpisten fern, sondern setzt ihr auch im mentalen Bereich zu. Eine Depression ist die Folge, auf deren Gipfel - oder besser Tiefpunkt - sie im Skirennsport keinen Sinn mehr sieht. Ihre Eltern bittet sie darum, die Ski und sämtliches Material zu verkaufen. Sie tun es nicht. Rast fährt weiter. Bis ein Kreuzbandriss im rechten Knie, erlitten vor bald sechs Jahren, den nächsten Einschnitt in der Karriere und den nächsten Prüfstein für die Walliserin bedeutet.
All diese Widerstände hat die Juniorenweltmeisterin von 2017 überwunden. Sie holte sich die Freude am Leben und am Skirennfahren zurück, sah wieder einen Sinn in ihrem sportlichen Alltag. "Ich bin froh, dass ich nie aufgehört und immer weitergekämpft habe. Das zeigt: Es ist immer alles möglich. Manchmal braucht es einfach ein wenig mehr Zeit. Ich bin sehr stolz."
Ebenfalls schwierige Zeiten hinter sich hat Wendy Holdener. Wegen einer Fraktur am linken Sprunggelenk musste sie sich Mitte Dezember 2023 aus dem Rennbetrieb verabschieden und sich einer Operation unterziehen, die sie für den Rest des Winters ausser Gefecht setzte. Während ihrer Verletzungspause folgte ein weiterer, weitaus schmerzvollerer Schlag.
Holdeners Bruder Kevin schied im Februar 2024 mit nur 34 Jahren nach langem Krebsleiden aus dem Leben. Ein einschneidendes Erlebnis, schliesslich war er nicht nur der vier Jahre ältere grosse Bruder, sondern ein Idol, später ihr Manager und steter Begleiter, "mein Seelenverwandter und bester Ratgeber", wie sie sagte. Sie sei extrem stolz auf sich selbst und den Weg, den sie gegangen sei, sagte Holdener nach Silber im Slalom.
Drei WM-Medaillen hat Holdener in Saalbach gewonnen. Dreimal Silber. Im Team-Wettkampf, in der Team-Kombination und nun also auch im Slalom, ihrer Lieblingsdisziplin. Es ist sinnbildlich für die Karriere der Schwyzerin, dass es wieder der 2. Platz ist. 19 Mal wurde sie im Weltcup Zweite, darunter zwölfmal hinter Shiffrin, zweimal hinter Rast. Auch an Grossanlässen reichte es ihr im Slalom nie zu Gold. An der Heim-WM 2017 holte sie Silber hinter Shiffrin, bei den Olympischen Spielen 2018 Silber hinter der Schwedin Frida Hansdotter.
Davon, Gold verloren zu haben, wollte sie am Samstag aber nichts wissen. "Ich habe im ersten Lauf den Rhythmus nicht ganz gefunden, aber das Beste aus dem zweiten Lauf gemacht. Camille ist richtig gut gefahren. Ich habe gar nichts verloren. Es ist gut so, wie es ist."
34 Jahre nach Vreni Schneider stellt die Schweiz wieder die Slalom-Weltmeisterin. Nicht nur deswegen ist es ein historischer Tag für Swiss-Ski. Einen Doppelsieg in einem WM-Slalom gab es für die Schweiz noch nie.