Peter Sagan: Der letzte Auftritt des Rock’n’Rollers
Im letzten Jahrzehnt hat Peter Sagan den Radsport geprägt. Siebenmal gewann der 33-jährige Slowake die Punktewertung der Tour de France, so oft wie kein anderer Fahrer. Heute bestreitet der Rock’n’Roller unter den Radprofis seine letzte Etappe an der Grande Boucle.
Dieses Palmarès ist schlicht beeindruckend: 121 Profisiege stehen da. Dreimal in Folge wurde er Weltmeister (2015 bis 2017), er gewann die Flandernrundfahrt (2016), triumphierte bei Paris-Roubaix (2018), feierte zwölf Etappensiege an der Tour de France, gewann sieben Mal die Punktewertung. Und entschied so ganz nebenbei 18 Etappen an der Tour de Suisse für sich, was ihn zum Rekordsieger an unserer Landesrundfahrt macht. Ganz klar: Peter Sagan wird als einer der ganz Grossen des Metiers in die Geschichte eingehen, wenn er am Ende der Saison das Rennvelo zur Seite stellt und nur noch mit dem Mountainbike um Siege kämpft. Sein Ziel ist es, die Olympischen Spiele 2024 mit dem Mountainbike zu bestreiten. Er sagt: «Ich wollte immer auf dem Mountainbike aufhören, denn so begann alles.»
Der Kniff in den Po…
Sagan war erfolgreich, und immer auch ein willkommener Farbtupfer im Peloton. Eine einzigartige Figur. Er begeisterte die Fans wie kaum ein anderer. Und demonstrierte eine gewisse Lockerheit. So liess er auf seinem Körper das Tattoo «Why so serious?» (Warum so ernst?) verewigen, was zu ihm passte wie die Faust aufs Auge. Er sorgte für Schlagzeilen, als er 2013 nach Fabian Cancellaras Sieg an der Flandernrundfahrt bei der Siegehrung eine Ehrendame in den Po kniff, als diese den Sieger küsste. Keine Medienkonferenz mit ihm war langweilig, er hatte immer irgendwelche Sprüche parat, auch wenn er sich bisweilen wortkarg gab. Ein paar Muster des charismatischen Superstars gefällig?
«Ich will nicht der zweite Eddy Merckx sein, sondern der erste Peter Sagan.»
«Ich mache es wie Forrest Gump. Wenn sie ihm sagten, er solle rennen, dann rannte er. Wenn sie mir sagen, ich solle gewinnen, dann gewinne ich.»
«Nur eine Naturkatastrophe kann mich davon abhalten, das Grüne Trikot zu gewinnen.»
«Ich bin glücklich, dass so viele Menschen gekommen sind, um den Clown in Grün zu sehen.»
«Wer gewinnen will, muss dreist sein.»
Und auf seinem Camper stand geschrieben: «They laugh at me because I’m different. I laugh at them because they’re all the same.» («Sie lachen über mich, weil ich anders bin. Ich lache über sie, weil sie alle gleich sind.»)
Bereits im Jahr 2010, bevor er ins Rampenlicht gefahren war, antwortete der Slowake, auf seinen Zukunftswunsch angesprochen: «Ich möchte eine reiche Freundin haben, die sich um mich sorgt.» Damals, vor seinen ersten grossen Siegen, war Geld vielleicht noch ein Problem, mittlerweile dürfte das anders sein, schliesslich soll er von seinen Arbeitgebern ein jährliches Salär von bis zu sechs Millionen Franken kassiert haben.
Und er sorgte auch sonst für Schlagzeilen, so zuletzt vor einigen Wochen, als die Polizei ihn in Monaco auf seinem Motorroller stoppte, weil sein Fahrstil gefährlich wirkte. Sagan gab zu Protokoll, bis 3 Uhr nachts gefeiert zu haben. Die Kontrolle fand um 11 Uhr 35 statt, dazwischen hatte er zwar einige Stunden geschlafen, doch in seinem Blut waren immer noch 1,46 Promille Alkohol zu finden.
Sagan eckte aber auch an, vor allem bei der Konkurrenz, die sich bisweilen daran störte, dass er im Sprint weit vor der Ziellinie jubelte und so seine Gegner lächerlich machte. Oder dass er im Finish teilweise rüpelhaft vorging, die anderen Fahrer in Gefahr brachte. 2017 wurde er an der Tour de France disqualifiziert, weil er Mark Cavendish in eine Bande gedrängt hatte, worauf sich der Brite das Schulterblatt brach. Die Reaktion Sagans? Er charterte eine Super-Jacht, machte Party und schlug sich da bei einem Sturz zwei Zähne aus…
1,9 Millionen Followers
Zuletzt ist es aber ruhig geworden um Peter Sagan. Er hatte mit Long-Covid-Folgen und einigen Blessuren zu kämpfen und ist im Jahr 2023 noch ohne Erfolg, seinen letzten grossen Sieg feierte er im Juni vergangenen Jahres in Grenchen an der Tour de Suisse. In der laufenden Tour de France ist ein achter Platz sein bislang bestes Ergebnis, in der Punktewertung belegt der einstige Dominator nur gerade Rang 54. Die heutige Etappe nach Paris wird für Peter Sagan der letzte grosse Auftritt an der Tour de France sein. Ein Sieg auf den Champs Elysées wäre in seiner momentanen Verfassung eine Sensation. Aber es gibt wohl nicht viele Sportfans, die dem Rockstar unter den Radprofis nicht einen Abgang unter Pauken und Trompeten wünschen würden. Denn wie populär er ist, zeigt ein Blick auf Instagram: Ihm folgen da 1,9 Millionen Menschen, dem Dänen Jonas Vingegaard, der sich heute als Gesamtsieger feiern lassen darf, nur 553'000 Menschen.