Nicht die Besten, aber das Bestmögliche
Giovanni Mpetshi Perricard. Nicht einmal Turnierpräsident Roger Brennwald kannte vor ein paar Tagen den Namen des neuen, wahrscheinlich überraschendsten Siegers in der Geschichte der Swiss Indoors. Das passt durchaus zur aktuellen Situation im Welttennis und beim grössten jährlichen Sportanlass der Schweiz, die zugleich viel versprechend als auch herausfordernd ist.
"Wir befinden uns in einer völlig neuen Ära", sagt der mittlerweile 78-jährige Brennwald, der das Turnier am Rhein von kleinen Anfängen in einer Traglufthalle mit ein paar Zuschauerstühlen in Muttenz zu einem der Fixpunkte im Welttennis aufgebaut hat. "Es findet gerade ein grosser Umbruch statt. Die Dichte an der Spitze ist enorm, man sollte sich da nicht auf Zahlen fixieren." Stand März seien vier Top-Ten-Spieler in Basel gemeldet gewesen, sieben Monate später waren es "nur" noch zwei.
"Ein Tsitsipas oder ein Rune haben aber immer noch den gleichen Wert für die Zuschauer, auch wenn sie nun knapp nicht mehr in den Top Ten sind", sagt Brennwald. Selbstkritisch fügt er hinzu, dass man sich in der Vergangenheit auch selber auf diese Top Ten fokussiert habe. "Wir haben aber früh gesagt, dass in diesem Jahr keiner aus den Top 5 dabei sein wird. Eine ehrliche Kommunikation ist wichtig."
Stattdessen fokussierte das Turnier auf eine breite Palette von jungen Profis der so genannten "Next Gen" und verteilte die Startgagen auf neun Spieler, so viele wie nie zuvor. Die Folge war ein Turnier, das hervorragenden Sport mit vielen mitreissenden Partien und frischen Gesichtern bot. Es ist nun wieder mehr ein Anlass für die Tennisliebhaber als die "Modefans", die zu Zeiten von Roger Federer in Scharen in die St. Jakobshalle gepilgert sind.
Nun sind es bisschen weniger, aber mit den 63'200 Eintritten in diesem Jahr ist Brennwald mehr als zufrieden. Das sind etwa zehn Prozent weniger als zu Federers Zeiten, aber 1,6 Prozent mehr als im letzten Jahr und entspricht einer guten Auslastung von über 86 Prozent der Plätze.
Die Situation der Traditionsturniere in Europa ist aber anspruchsvoll, das spürte man parallel auch in Wien. Vor allem im Nahen Osten wird mit der grossen Kelle angerichtet, die Konkurrenz lockt mit fast unerschöpflichen Geldtöpfen. In der Woche vor den Swiss Indoors traten mit Novak Djokovic, Jannik Sinner, Carlos Alcaraz und dem bald zurücktretenden Rafael Nadal die aktuell grössten vier Stars der Tennisszene bei einem Showturnier in Saudi-Arabien an - mit einer Startgage von anderthalb Millionen Dollar und einem Vielfachen an Preisgeld. Damit wurde es im dicht gedrängten Kalender fast unmöglich, diese Spieler nach Basel oder Wien zu holen.
Brennwald verzichtet auf eine Polemik. "Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Aber grundsätzlich bin ich kein Freund von Exhibitions", lässt er sich lediglich entlocken. Gemäss seinen Informationen werde es im kommenden Jahr keine zweite Auflage dieses so genannten "Six King Slams" in Riad geben - zumindest nicht in der Form und an dem Datum. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Scheichs am Golf ein Event der Masters-1000-Kategorie ins Land holen wollen. Dieses würde Basel weniger direkt konkurrenzieren.
Was Brennwald ebenfalls zuversichtlich stimmt, ist die Entwicklung bei den jungen Schweizern. "Sie geben wirklich zu grossen Hoffnungen Anlass", freut er sich. "Das ist für einen Turnierveranstalter von grösster Bedeutung." Er denkt dabei an den 17-jährigen Basler Henry Bernet, der in der Qualifikation Fabio Fognini bezwang. Mit Mika Brunold hatte ein weiterer Einheimischer einen guten Auftritt, der 21-jährige Fricktaler Jérôme Kym qualifizierte sich für das Hauptfeld und unterlag dort dem letztjährigen Halbfinalisten Ugo Humbert nur knapp in drei Sätzen.
Die mittelfristige Zukunft des Turniers sieht also nicht allzu düster aus. Zwar möchte Brennwald natürlich Jannik Sinner, die einzige Nummer 1 neben dem Australier John Newcombe in den Anfangszeiten, die nie in Basel spielte, einmal dabei haben. Doch er bleibt auch realistisch. "Wir sind nicht Wimbledon", betont er. "Wir hatten nie den Anspruch die Besten zu sein, sondern das Beste aus den Möglichkeiten machen." Das gelingt ihm seit 54 Jahren vorzüglich - auch in der nicht einfachen Ära nach Federer.