Nach der Sperre das Abfahrts-Gold
Breezy Johnson krönt mit dem WM-Titel in der Abfahrt ihre Karriere, die auch selbstverschuldet ins Stocken geraten ist. Die Amerikanerin gewinnt Gold zwei Monate nach Ablauf einer langen Sperre.
Überraschung ja. Zu vergleichen mit dem Coup von Jasmine Flury vor zwei Jahren in Méribel. Aber vollends aus heiterem Himmel? Das dann doch nicht - selbst wenn Breezy Johnson noch nicht zu den Siegerinnen im Weltcup gehört. Zweimal Zweite war sie geworden dieser Tage in den Trainings und hatte damit angedeutet, dass sie mit den Bedingungen auf der Piste Ulli Maier gut zurecht kommt. "An einem guten Tag ist vieles möglich", blickte die 29-jährige Amerikanerin, in Jackson Hole, Wyoming, zur Welt gekommen und in Victor, Idaho, aufgewachsen, mit viel Zuversicht dem Rennen entgegen.
Genannt worden war ihr Name bei der Aufzählung der Medaillenkandidatinnen also schon. Ausserdem hatte sie sich bereits einmal aufgemacht, sich im obersten Segment der Abfahrts-Hierarchie einzuordnen. Trotzdem: "Abfahrts-Weltmeisterin Breezy Johnson" ist noch gewöhnungsbedürftig. Auf jeden Fall stellen die USA 16 Jahre nach dem Titelgewinn von Lindsey Vonn in Val d'Isère wieder die Goldmedaillengewinnerin in der alpinen Königsdisziplin.
Saisonende statt Olympische Spiele
Das erste sportliche Hoch hatte vor gut vier Jahren begonnen - und hielt zwölf Monate. Sieben Podestplätze heimste Breezy Johnson in dieser Zeit im Weltcup ein, drei zweite und vier dritte. Nach dem letzten Spitzenergebnis warens noch sieben Wochen hin bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Peking. Logisch, dass Breezy Johnson für die Abfahrt dem Kreis der Favoritinnen angehörte, sie sich selber ebenfalls in einer vielversprechenden Ausgangslage sah. Doch es sollte anders kommen. Bei einem Sturz im Training für die Abfahrt in Cortina d'Ampezzo erlitt sie einen Knorpelschaden im rechten Knie. Die Saison war für sie vorbei, die Rennen in Yanqing fanden ohne sie statt.
Das beziehungsweise die Knie - die Gelenke hatten Breezy Johnson schon zuvor zweimal zu langen Pausen gezwungen, zweimal kurz hintereinander. Im September vor sechs Jahren zog sie sich während der Saisonvorbereitung in El Colorado in Chile einen Kreuzbandriss ebenfalls im rechten Knie zu. Kaum hatte sie die Rekonvaleszenz beendet, fand sie sich erneut im Operationssaal wieder. Nach einem Zwischenfall neun Monate später im Riesenslalom-Training in Mammoth Mountain in Kalifornien erlitt sie, diesmal im linken Knie, einen zweiten Kreuzband- und dazu einen Seitenbandriss.
Breezy Johnson hatte Mühe, den neuerlichen Rückschlag zu verkraften. Am Boden zerstört sei sie, erschüttert, schrieb sie damals in den sozialen Medien. Sie hatte Mühe, das neuerliche Pech anzunehmen. Sie haderte, versuchte, dem Geschehenen einen Sinn zu geben - und scheiterte dabei. Gleichwohl war der Abschied vom Spitzensport für sie kein Thema. Sie war zu gerne Skirennfahrerin. Also machte sie sich erneut auf den beschwerlichen Weg und nahm sie die Herausforderung ein weiteres Mal an.
Im folgenden Januar, das war vor fünf Jahren, kehrte Breezy Johnson in den Weltcup zurück, zwölf Monate danach, Mitte Dezember, errang sie ihre ersten Klassierungen unter den ersten drei im Weltcup. In den Abfahrten in Val d'Isère wurde sie innert 24 Stunden zweimal Dritte.
Sperre statt Skirennen
Nach dem Verpassen der Olympischen Spiele in Peking haperte es auf den Rennpisten - und folgte das nächste einschneidende Geschehnis, für das Breezy Johnson allerdings allein die Verantwortung zu tragen hat. Dreimal hatte sie innert eines Jahres gegen die Meldepflicht gegenüber der Anti-Doping-Agentur der Vereinigten Staaten verstossen. Sie wurde deshalb für 14 Monate suspendiert. Die Sperre begann am 10. Oktober vorletzten Jahres, die Weltcup-Rennen des letzten Winters erlebte Breezy Johnson nur aus der Ferne.
Im vergangenen Dezember war die neue Weltmeisterin wieder eine Weltcup-Fahrerin, mit vorerst mässigem Erfolg. Den einzigen Aufsteller erlebte sie in der Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Es war das letzte Rennen in dieser Disziplin vor der Weltmeisterschaft, anderthalb Wochen vor der Eröffnungsfeier in Saalbach.
Es war die Steigerung im richtigen Moment. Breezy Johnson reiste mit zusätzlichem Selbstvertrauen ins Glemmtal. Sie hatte sich selber bewiesen, an einem guten Tag wieder mit den Besten mithalten zu können. Der gute Tag kam schneller als erwartet, im richtigen Moment.