Alex Frei "Mit YB muss man immer rechnen"
Die Super League ist so spannend wie lange nicht mehr. Wer hat die besten Karten im Titelrennen? Wie gross ist der Einfluss von Xherdan Shaqiri beim FCB? Und kann YB doch noch eingreifen? Im Gespräch spricht Frei über die heisseste Phase der Saison, mentale Stärke im Meisterkampf und die entscheidenden Wochen, die jetzt anstehen.
Alex Frei, Ihr Herz macht momentan wohl Luftsprünge, wenn Sie die Tabelle ansehen.
"Wieso?"
Sie haben zu den ersten drei Mannschaften eine spezielle Beziehung. Bei Servette, dem FCB und dem FCL haben Sie zu Ihrer Aktivzeit gespielt, in Luzern waren sie später Sportdirektor, in Basel Trainer.
"Es ist klar, dass ich zu jedem Klub eine spezielle Bindung habe und zum FCB die engste. Luftsprünge macht mein Herz deswegen aber keine."
Dann lassen wir das Emotionale beiseite und kommen zu den Fakten. Servette ist momentan in der Pole-Position. Das war vor nicht allzu langer Zeit nicht absehbar.
"Servette ist ein wenig wie Lausanne: Eine welsche Mannschaft, die wir in der Deutschschweiz nie richtig auf der Rechnung haben. Die Genfer haben ein gutes Team und machen es aktuell auch richtig gut. Ich glaube aber, dass es nicht für die Liga spricht, wenn der Leader eine solche Bilanz ausweist wie Servette."
Das Team von Thomas Häberli hat am 11. Spieltag den FCZ auswärts 3:1 bezwungen und dadurch die Tabellenspitze erobert. Es folgte ein Absturz sondergleichen mit nur einem Sieg aus den darauffolgenden elf Spielen. Die Genfer haben nun fünfmal in Serie gewonnen und sind - nach einem 3:1 beim FCZ - wieder an der Tabellenspitze. Folgt erneut ein Absturz oder haben die Grenat die Lehren aus der Negativserie gezogen?
"Das ist von aussen betrachtet schwierig zu sagen. Ich weiss nicht, weshalb sie damals in einen solchen Negativstrudel geraten sind. Fakt ist, dass März und April die entscheidenden Monate sind und du dann deine Spiele gewinnen musst, wenn du vorne dabeibleiben willst. Aber es geht noch lange, und die Liga ist so ausgeglichen - eine Prognose abzugeben macht wenig Sinn."
In den letzten Jahren haben die Young Boys die Liga dominiert, zuvor war es der FCB, der über Jahre prägend war. Wieso ist in dieser Saison alles so nahe beisammen?
"Das hat mehrere Gründe. Die Kader sind ausgeglichener als in den letzten Jahren. Die Qualität in der Super League ist gut, aber es gibt - bis auf den FCB mit Shaqiri - keine Mannschaft, die einen Spieler hat, der in jedem zweiten Spiel die Differenz macht."
In der Anfangsphase der Saison machte Dereck Kutesa oft den Unterschied für Servette.
"Nicht falsch verstehen, Kutesa ist ein guter Spieler. Aber am Schluss ist es so, dass Konstanz und Kontinuität unterscheiden zwischen Durchschnitt und sehr gut."
Sie haben Xherdan Shaqiri bereits angesprochen. Zweifelsohne ein Unterschiedsspieler. Aber: Die Abhängigkeit des FCB von ihm ist frappant.
"Das sehe ich überhaupt nicht als Problem. Shaqiri ist ein Glücksfall für den Klub, weil er die anderen Spieler besser macht."
Aber sollte er mal über einen längeren Zeitraum ausfallen, wird es für den FCB schwierig.
"Das glaube ich nicht. Klar wäre ein Ausfall Shaqiris ein herber Verlust. Aber Basel hat eine solch gute Mannschaft, dass sie ihn durchaus über drei, vier Spiele auffangen könnten."
Der FCB hat die mit Abstand torgefährlichste Offensive und gleichzeitig die beste Defensive der Liga. Die Tordifferenz von +27 spricht Bände. Servette als zweitbestes Team der Liga in dieser Hinsicht hat nur neun Tore mehr geschossen als erhalten. Wieso schaut beim Team von Fabio Celestini punktemässig nicht mehr heraus?
"Weil es zu viele Remis gab. Mit der Drei-Punkte-Regel ist es einfach - fünf Euro ins Phrasenschwein: Lieber einmal gewinnen und einmal verlieren, als zweimal unentschieden spielen."
Basel hat neun seiner 13 Siege mit zwei oder mehr Toren Unterschied errungen, darunter ein 6:0 in Genf und zwei Kantersiege gegen Winterthur (6:1 und 5:0).
"Das Torverhältnis kann am Ende das Zünglein an der Waage spielen. Es ist wie ein zusätzlicher Punkt – zumal in einer solch engen Situation, wie wir sie momentan in der Super League vorfinden."
Kommen wir zum Dritten im Bunde: Ist der FC Luzern mit seinen vielen jungen Eigengewächsen schon reif für den Titel?
(überlegt lange) "Luzern hat eine junge, dynamische Truppe. Nicht viel nachzudenken und einfach drauflos zu spielen kann helfen. Gleichzeitig kann die Unerfahrenheit, sobald man anfängt nachzudenken, zusätzlichen Druck generieren und ein Nachteil sein. Irgendwann kommt die Phase, in welcher der Druck grösser wird. So fünf, sechs Spiele vor Schluss, wenn man sieht, man ist immer noch dran, kann etwas erreichen, das in die Klubgeschichte eingeht. Dann kommt es auf die mentale Verfassung an, dann ist es eine psychologische Geschichte."
Wie weit ist die Mannschaft von Mario Frick in dieser Hinsicht?
"Ich habe Luzern schon ein paar Mal gesehen. Ihr grosser Vorteil ist, dass sie Rückstände drehen können. Das spricht für die Qualität und Mentalität der Mannschaft. Aber es wird früher oder später nicht mehr aufgehen, wenn sie stets in Rückstand geraten."
Schafft es denn überhaupt einer aus dem Trio, sich vorne zu behaupten?
"Die Mannschaft, die im April und Mai bereit ist, macht es. Alle drei Teams werden oben bleiben."
Trauen Sie YB zu, ins Titelrennen einzugreifen?
"Ja. Mit acht Punkten Rückstand ist YB wieder voll dabei."
Am Sonntag muss in Basel aber ein Sieg her. Sonst ist der Zug abgefahren.
"Selbst wenn YB nicht gewinnt, muss man immer mit ihnen rechnen."
Lugano war lange das stabilste Team der Liga, vieles deutete darauf hin, dass die Mannschaft von Mattia Croci-Torti reif ist für den Titel. Davon ist nach drei Niederlagen in der Meisterschaft, dem Cup-Aus gegen das drittklassige Biel und dem Ausscheiden in der Conference League jedoch wenig zu sehen. Was läuft im Tessin momentan schief?
"Das weiss ich nicht. Dafür bin ich zu wenig involviert. Wenn du europäisch engagiert bist und nicht gewohnt bist, alle drei Tage zu spielen, kann das ein Problem sein. Für den Schweizer Fussball wäre es wichtig gewesen, dass Lugano in der Conference League eine Runde weiterkommt. Für die Mannschaft selbst sehe ich es im Hinblick auf die Liga als Vorteil, dass sie ausgeschieden ist. Die Tessiner würde ich noch nicht abschreiben."
Zum Schluss noch ein Blick nach unten. Wer muss den Gang in die Challenge League antreten und wer die Barrage bestreiten?
"Ich gehe davon aus, dass Winterthur und GC die beiden letzten Plätze unter sich ausmachen."
Sind Sie ein Befürworter oder Gegner der Barrage?
"Ich finde die Barrage ganz okay. Die Liga wurde zwar unlängst aufgestockt. Ich sähe aber durchaus Platz für zwei weitere Mannschaften in der Super League."