Mit Pius Suter: Die Vancouver Canucks überraschen die NHL
Knapp fünf Wochen sind der NHL-Saison 2023/2024 gespielt und die überraschendste Entwicklung spielt sich im nördlichsten Westen der Liga ab. Die Vancouver Canucks, in den letzten zehn Jahren genau zweimal gut genug für die NHL-Playoffs, gehören bislang zu den absoluten Spitzenteams.
Aus dem Niemandsland an die Spitze
17 Spiele, 25 Punkte und eine Mannschaft, die mit 72 Toren und 41 Gegentoren den besten Angriff mit der sechstbesten Defensive der Liga vereint. Viel besser hätte der Saisonstart für die 1970 gegründete Franchise gar nicht verlaufen können. Vor der Saison von Experten mehrheitlich mit Aussenseiterchancen auf die Playoffs bedacht, gehören die Canucks nach dem ersten Monat der Regular Season zu den absoluten Spitzenteams. Dabei verlor sich die Mannschaft in den vergangenen Jahren trotz talentiertem Nukleus jeweils rasch im Niemandsland der Tabelle, startete letzte Saison sogar mit sieben Niederlagen. Davon kann in dieser Spielzeit keine Rede mehr sein. Zum Auftakt wurden die Edmonton Oilers gleich mit 8:1 aus der Rogers Arena gefegt, mittlerweile zogen McDavid & Co. im direkten Duell sogar bereits dreimal den Kürzeren. Für Schlagzeilen sorgte kürzlich auch der 10:1-Auswärtserfolg bei den San Jose Sharks. Die Canucks fliegen plötzlich durch die Liga – aber weshalb?
Talent und der Wille zur Arbeit
Dass die Vancouver Canucks über ein talentiertes, entwicklungsfähiges Roster verfügen, konnte schon in der vergangenen Spielzeit beobachtet werden. Mit den beiden Centern Elias Pettersson (27 Skorerpunkte, Plus-2-Bilanz) und J.T. Miller (27 Scorerpunkte, Plus-10-Bilanz), Flügel Brock Boeser (21 Skorerpunkte, Plus-10-Bilanz) und Verteidiger Quinn Hughes (27 Skorerpunkte, Plus-15-Bilanz) bilden vier Erstrundendrafts den Kern des Teams, welcher durch Zweitrundenpick Filip Hronek (17 Skorerpunkte, Plus-10-Bilanz) und den russischen Free Agent Andrei Kuzmenko (14 Skorerpunkte, Plus-3-Bilanz) vorzüglich ergänzt wird. Seit der Ankunft von Trainer Rick Tocchet im Januar setzt das Team zudem vermehrt auf solidarische Verteidigungsarbeit und Systemtreue, was sich nicht zuletzt in den Neuzugängen auf diese Saison hin widerspiegelt. Spieler wie der Zürcher Center Pius Suter (4 Skorerpunkte, Plus-3-Bilanz, 15:10 Minuten Eiszeit pro Partie), der im Sommer mit einem Zweijahresvertrag nach Vancouver wechselte, stehen weniger für offensive Extravaganz als für defensive Verlässlichkeit, was bei den Canucks, die in der vergangenen Spielzeit u.a. unter dem ligaweit schwächsten Boxplay litten, bislang den Unterschied ausmacht. Und auch für Suter selbst geht die Rechnung bislang auf, obwohl er in Kanada (USD 1,6 Mio. pro Jahr) deutlich weniger verdient, als zuletzt in Detroit (USD 3,26 Mio. pro Jahr). Dafür erhält der 27-Jährige mehr Eiszeit, überzeugt mit konstanten Leistungen und ist zum ersten Mal in seiner NHL-Karriere Teil einer Spitzenmannschaft.
Wird das Hoch zur neuen Realität?
Gewiss: Die Vancouver Canucks verfügen aktuell nicht zum ersten Mal über eine talentierte, z.T. dominante Mannschaft. In den frühen 2010er Jahren stellten sie um die schwedischen Zwillinge Daniel und Henrik Sedin sogar eine Equipe, die sich zweimal hintereinander die President’s Trophy als punktebestes Team der Regular Season sicherte, ohne danach jedoch in den Stanley-Cup-Playoffs zu reüssieren. Auch wenn das ultimative Scheitern somit gewissermassen zur Klub-DNA gehört, gibt es dennoch gute Gründe, dass mit den Canucks in diesem Jahr auch im weiteren Saisonverlauf zu rechnen sein wird. Trainer Tocchet hat der Mannschaft eine klare Handschrift verpasst, welche Vancouver bislang wohl zur am besten ausbalancierten Organisation der Liga macht. Hinzu kommt eine Offensive, die im ersten Fünftel der Saison kaum zu stoppen war und sich in der eher schwachen Pacific-Division auch künftig gut in Szene setzen dürfte. Bleibt noch Teamleader Elias Pettersson (24), dessen im Sommer auslaufender Vertrag (Restricted Free Agent) über potentielle Sprengkraft verfügt. Halten sich sämtliche Beteiligten jedoch an die vor der Saison getroffene Abmachung, das nächste Arbeitspapier des Schweden nicht vorzeitig zum Thema werden zu lassen, könnte der Klub tatsächlich vor einer richtig guten Saison stehen.