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Michel Aebischer: Der stille Schaffer als gefeierter Matchwinner

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Dass Michel Aebischer zum EM-Auftakt der Schweizer Matchwinner sein würde, hätte kaum jemand erwartet. Der 27-Jährige spielt im Nationalteam aber eine Rolle, deren Wichtigkeit unterschätzt wird.

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Michel Aebischer jubelt nach seinem Treffer zum 2:0 – es war für ihn sein erstes Tor im 21. Länderspiel. © KEYSTONE/AP Photo/Darko Vojinovic

Sein YB-Teamkollege Christian Fassnacht bezeichnete Aebischer einmal als «stilles Mäuschen». Und auch Granit Xhaka meinte nach dem 3:1-Sieg gegen Ungarn: «Misch ist einer, der etwas ruhiger ist.» An sprachlichen Hürden würde es nicht scheitern. Der Freiburger spricht fliessend (Schweizer-)Deutsch und Französisch, mit seinem Wechsel nach Bologna (im Januar 2022) hat er Italienisch gelernt, und auch Fragen auf Englisch kann er problemlos beantworten.

Aber Aebischer ist kein Typ, der das Maul aufreisst. Er ist das, was oft als «stiller Schaffer» bezeichnet wird. Einer, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, was im glamourösen Fussballgeschäft eher selten ist. Einen Aebischer hat man gerne in der Mannschaft, weil er sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt. «Er hat lange auf seine Chance warten müssen», sagte Xhaka. «Umso schöner, dass er sich nun belohnen konnte.»

Es ist überall zu spüren: Seine Mitspieler gönnen es Aebischer, dass er für einmal im Mittelpunkt steht. Er, der in der Nationalmannschaft, wenn überhaupt, meist als Joker eingesetzt wird und nur fünf seiner bisher 21 Länderspiele von Anfang an bestreiten durfte. Fabian Rieder, der nicht zuletzt aus gemeinsamen YB-Zeiten ein gutes Verhältnis zu Aebischer pflegt, war nur einer, der ins Schwärmen geriet: «Es war ein unglaubliches Spiel von ihm. So etwas habe ich noch selten gesehen.» 

Aebischer will nicht «schweben»

Als Aebischer zwei Tage später gefragt wird, ob seine Leistungen in der Öffentlichkeit zu lange unbeachtet geblieben seien, bleibt er zurückhaltend. «Das ist ein Thema für die Medien. Ich weiss, was ich kann. Der Trainer weiss, was ich kann. Für mich zählt nur das.» Auch über seine starke Leistung gegen Ungarn müsse er nicht mehr viel reden. Natürlich habe er sich die beiden Torszenen «noch zwei, drei Mal» angeschaut. Dann aber habe er es sein lassen. «Sonst schwebt man irgendwohin. Es war schön, aber jetzt stehen die nächsten Aufgaben an.»

Aussagen, die zu einem passen, der sein Debüt in der Nationalmannschaft vor einer denkbar unspektakulären Kulisse gab. Am 18. November 2019 kam Aebischer im «Victoria Stadium» von Gibraltar vor gut 2000 Fans fünf Minuten vor Schluss aufs Feld. Es folgten zwei weitere Kurzeinsätze, danach wurde er vom damaligen Trainer Vladimir Petkovic nicht mehr berücksichtigt. So verpasste er auch die letzte EM 2021, an der die Schweiz bis in die Viertelfinals kam.

Erst seit Murat Yakin Nationaltrainer ist, gehört Aebischer zum festen Bestand des Nationalteams. Doch auch unter Yakin sass Aebischer meist auf der Ersatzbank. An der WM in Katar wurde er nur gegen Brasilien eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt, in der folgenden EM-Qualifikation kam er in drei Partien auf gut 110 Einsatzminuten. 

Starke Konkurrenz

Dass Aebischer gegen Ungarn startete, war einerseits eine taktische Massnahme, andererseits hatte er sich mit starken Leistungen in Bologna immer mehr in den Fokus von Yakin gespielt. In der historischen Saison, in der man mit 68 Punkten einen Vereinsrekord aufstellte und sich für die Champions League qualifizierte, verpasste Aebischer nur zwei Spiele und war zeitweise Captain der erfolgreichen Mannschaft.

Doch auch in der EM-Vorbereitung sah sich Aebischer mit dem aus der Nationalmannschaft bekannten «Problem» konfrontiert: der starken Konkurrenz auf seiner Position. Auch nach dem Ausfall von Denis Zakaria stehen mit Captain Xhaka und Aebischers Klubkollege Remo Freuler zwei Institutionen im zentralen Mittelfeld, an denen nur schwer zu rütteln ist.

Für Yakin war jedoch klar, dass «ein so formstarker Spieler wie Michel Aebischer auch irgendwo auf dem Platz sein muss». Also stellte er ihn auf die ungewohnte Position im linken Mittelfeld – mit dem klaren Auftrag, im Offensivspiel auch in die Mitte zu ziehen und dort Überzahlsituationen zu schaffen. Ein Plan, der in dieser Hinsicht voll aufging. Defensiv klappte es nicht immer so gut; beim Gegentor machte Aebischer nicht die beste Figur. 

Nun wieder auf die Bank?

So ist denn auch noch offen, ob Aebischer gegen Schottland erneut von Beginn weg auf dem Platz stehen wird. Dessen ist er sich bewusst. «Im Spiel gegen Ungarn haben wir taktisch etwas versucht», sagt er. «Das werden die Schotten jedoch genau analysiert haben.» Deshalb könnte Yakin nach der geglückten Überraschung – der ungarische Trainer gab zu, dass er nicht mit Aebischer auf der linken Position gerechnet habe – seinen variabel einsetzbaren Joker wieder auf die Bank setzen.

Dass er dies kommentarlos akzeptieren würde, steht ausser Frage. «Ich war immer stolz darauf, überhaupt fürs Nationalteam aufgeboten zu werden», sagt Aebischer. «Wenn ich nicht spiele, bin ich der grösste Fan des Teams.»

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