Meillard: Nicht nur schön, sondern auch schön schnell
Rang 3 beim Slalom in Levi: Loïc Meillard glänzte mit einem Saisonstart nach Mass, der einerseits überraschend kam, andererseits aber auch erwartet werden konnte.
Eigentlich waren die Vorzeichen ja wirklich schlecht. Vor drei Wochen musste der gebürtige Neuenburger, der seit seinem zwölften Lebensjahr im Unterwalliser 1500-Seelen-Dorf Hérémence lebt, beim Riesenslalom in Sölden kurzfristig Forfait geben. Beim Einfahren auf dem Rettenbachgletscher klagte er nach einem Schlag über heftige Rückenschmerzen. Die Diagnose wurde später in der Klinik Hirslanden in Zürich erstellt und lautete: Riss in der Hülle der Bandscheibe zwischen Wirbel L5 und S1. Eine schmerzhafte Verletzung.
Die damit verbundene Zwangspause war alles andere als eine ideale Vorbereitung für den Start in den Slalom-Weltcup in Levi. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit, den Meillard knapp gewann: In Levi nahm er den Slalom mit gerade mal vier Ski-Trainings in Angriff – und zeigte, weshalb man ihn zu den besten Skirennfahrern der Welt zählt. Rang 2 nach dem ersten Lauf, der dritte Platz am Ende hinter dem Franzosen Clément Noël und dem Norweger Henrik Kristoffersen.
Es war ein Ausrufezeichen, das Meillard im hohen Norden setzte. Eine Warnung an die Konkurrenz – auch an Marco Odermatt, der schon nach der vergangenen Saison gesagt hatte: «Ich glaube, dass Loïc im kommenden Winter im Kampf um den Gesamtweltcup mein grösster Konkurrent sein wird.» Auch Meillard, mit 28 Jahren im besten Alter für einen Skirennfahrer, machte kein Geheimnis daraus, dass er gross denkt, dass er die grosse Kristallkugel für die Gesamtwertung ins Visier nimmt und auf dem Weg dahin Rennen für Rennen nimmt, ohne zu weit in die Zukunft zu schauen oder mit Rechenspielen Energie zu verschwenden.
Erst die Probleme, dann die Serie
Irgendwie ist dieses Ziel «Gesamtweltcup» ja auch logisch. Im vergangenen Winter beendete Meillard die Gesamtwertung auf Rang 2, mit 874 Punkten Rückstand auf Landsmann und Teamkollege Odermatt. Eine Weltreise, doch während sich Odermatt auf einem absoluten Höhenflug befand, hatte Meillard keinen unproblematischen Winter. In der ersten Saisonhälfte kämpfte der Edeltechniker mit Materialproblemem. Mehrmals verlor er aus unerfindlichen Gründen einen Ski, das Vertrauen in die neu entwickelte Bindung schwand logischerweise. «Ich hatte überhaupt kein Vertrauen mehr, habe mich nicht mehr getraut, den Ski richtig freizugeben», so Meillard
Die Wende kam schliesslich am letzten Januar-Wochenende in Garmisch. Meillard raste im Super-G auf Rang 3 – und überzeugte danach mit Erfolgen am Laufmeter. In den letzten zwölf Weltcup-Rennen stand er sieben Mal auf dem Podest. Beim Slalom in Aspen und beim Riesenslalom in Saalbach triumphierte Meillard gar. Es waren seine Weltcupsiege Nummer 3 und 4, nachdem er die Konkurrenz zuvor schon bein Parallelrennen in Chamonix im Februar 2020 und beim Nachtriesenslalom im Januar 2023 in Schladming hinter sich gelassen hatte.
In einer Saison, in der er voller Vertrauen unterwegs ist, kann Loïc Meillard seinen Teamkollegen Odermatt sicher etwas in Bedrängnis bringen. Während Odermatt im Riesenslalom, im Super-G und in der Abfahrt in jedem Rennen als einer der Top-Favoriten am Start steht, kann Meillard im Slalom, im Riesenslalom und im Super-G jederzeit ganz vorne mitmischen.
Nach seiner Glanzvorstellung in Levi sagte Meillard nun voller Selbstvertrauen: «Bezüglich meines zweiten Laufs gibt es noch Verbesserungspotenzial, aber ich bin mit diesem Ergebnis sehr glücklich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mit einem Podestplatz im Gepäck aus Levi abreisen kann. Ich war schon glücklich, hier überhaupt am Start zu stehen.» Für ihn ist dieser Winter so richtig lanciert. Und da kann Meillard, der in der Vergangenheit immer wieder mit der Etikette versehen worden war, teilweise zu schön zu fahren zeigen, dass er eben auch richtig schnell sein kann. Und zwar konstant schnell. So wie Marco Odermatt, den er in diesem Winter nur zu gerne ins Schwitzen bringen würde.