Sky Experte Patrik Kühnen schaut noch einmal auf die kürzlich vergangenen US Open und unter anderem auf die Siege von Coco Gauff und Novak Djokovic sowie das Abschneiden von Alexander Zverev.
Auch das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres steht in den Büchern - Zeit für die Analyse von unserem Sky Experten Patrik Kühnen. Für den ehemaligen Davis-Cup-Kapitän gibt es viele spannende Erkenntnisse aus den US Open.
Zusätzlich zur aktuellen Folge von Maddog & Wingman, dem Sky Tennis Podcast mit Michael Stich, Patrik Kühnen und Paul Häuser und unserem grandiosen Gast Eva Lys gibt es hier Patriks fünf Punkte zum vierten Grand Slam der Saison im Big Apple. Besonders beeindruckt haben dabei die beiden Champions Coco Gauff und Novak Djokovic.
1. Coco Gauff erfüllt sich ihren grossen Traum
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als Coco Gauff als 15-Jährige in Wimbledon für Furore sorgte und ihr Idol Venus Williams bezwang. Gauff stand plötzlich im Rampenlicht und musste mit dem Druck der Medien eigentlich viel zu früh lernen umzugehen. Nun aber, vier Jahre nach diesem Wimbledon-Turnier 2019, gewinnt Gauff tatsächlich als 19-Jährige ihren ersten Grand-Slam-Titel und dann auch noch in New York vor heimischen Publikum.
Gauff wurde in ihrem ersten Match von Laura Siegemund gefordert, konnte dieses für sich entscheiden, und hat sich danach von Runde zu Runde gesteigert. Im Finale gegen Aryna Sabalenka dann solch eine Leistung abzuliefern, bei all dem Lärm, all dem Hype, all dem Druck - das ist ganz gross. Gauff ist aktuell wohl die fitteste Spielerin auf der Tour. Ihre Konterstärke und ihr defensives Spiel waren in New York herausragend. Einen grossen Anteil hat sicherlich auch ihr neuer Coach Brad Gilbert.
Wenn sich Gauff nun auch noch in der Offensive und besonders auf der Vorhand weiterentwickelt, dann kann sie die nächsten Jahre auf der WTA-Tour gemeinsam mit Iga Swiatek, Sabalenka und anderen Top-Spielerinnen eine Ära ganz entscheidend prägen.
2. Novak Djokovic schnappt sich die 24
Das Imperium hat tatsächlich zurückgeschlagen. Nach dieser für ihn so bitteren Fünfsatzniederlage im Wimbledon-Finale gewinnt Djokovic nun also die US Open und schnappt sich seinen Grand-Slam-Titel Nummer 24. Mit diesem Sieg hat der Djoker sich auch auf besonders süsse Weise für die Finalniederlage gegen Daniil Medvedev bei den US Open vor zwei Jahren revanchiert, als Djokovic die Chance auf den Gewinn des Grand Slam (den Gewinn aller vier Majors in einem Jahr) hatte. Für diesen Grand Slam hat es auch in diesem Jahr, aufgrund des verlorenen Wimbledon-Finals, nur ganz knapp nicht gereicht.
Im US-Open-Endspiel hat der Djoker auch feinstes Serve-and-Volley gespielt und Medvedev mit einer taktischen Meisterleistung besiegt. Der Serbe entwickelt sich ständig weiter und bleibt so hungrig auf den Erfolg. Djokovic hat in dieser Saison also erneut drei Grand Slams gewonnen und dazu ein Wimbledon-Finale erreicht. Er hat nun 24 Grand-Slam-Titel insgesamt und ist wieder die Nummer eins der Welt. Djokovic wird weitermachen, solange er diese Titel weiter so abräumen kann und das Mass aller Dinge ist.
3. Daniil Medvedev, der Disruptor
Der Russe hat wieder einmal eindrucksvoll gezeigt, dass er ein wahrer Hartplatzexperte ist und auf diesem Belag über sich hinauswachsen kann. Seine Leistung im Halbfinale gegen Carlos Alcaraz war wahrscheinlich eine der besten Leistungen in diesem Tennisjahr überhaupt. Medvedev war in dieser Saison gegen Alcaraz im Finale von Indian Wells und im Halbfinale von Wimbledon jeweils unterlegen. Der Spanier ist für Medvedev ein extremes Match-up, die tiefe Returnposition von Medvedev spielt Alcaraz eigentlich perfekt in die Karten. Doch Medvedev hat in diesem Duell alles gezeigt, was ihn auszeichnet. Die Aufschlagstärke, die brutale Defensive, die gute Länge in den Schlägen, die extremen Winkel - Medvedev hat selbst gesagt: Das war eine 12 von 10. So war es auch.
Ich bin tief beeindruckt von dieser Leistung und ziehe meinen Hut. Im Finale gegen Djokovic hat es zwar dann nicht ganz gereicht, aber der Russe hat eindrucksvoll unterstrichen, dass man ihn immer auf dem Zettel haben muss. Auf uns Tennisfans wartet auch in Zukunft eine spannende Rivalität zwischen Medvedev und Djokovic, Medvedev und Alcaraz und natürlich auch Alcaraz und Djokovic.
4. Ben Shelton, das Energiebündel
Der 20-jährige US-Boy bereitet mir sehr grosse Freude. Ich liebe seinen sensationell wuchtigen Aufschlag und die Art und Weise, wie er mit seinem Körper Spannung aufbaut und sich dann voll in den Ball wirft. Ein enormes Schlagtalent mit so viel Power und Aufschlägen bis zu 240 km/h. Die Zuschauer lieben ihn und er liebt das Spiel mit dem Publikum. Bei den US Open wurde Shelton auf einer Welle getragen und besiegte seine Landsleute Tommy Paul und Frances Tiafoe.
Er strotzt nur so vor Energie und bringt eine solch positive und erfrischende Art und Weise auf die Tour. Vor dieser Saison war Shelton noch nie im Ausland als Tennisspieler. Nun hat er bei den Aussie Open das Viertelfinale, bei den US Open das Halbfinale erreicht und steht in den Top 20. Ich freue mich schon jetzt auf seine weitere Entwicklung.
5. Alexander Zverev weiter auf dem Weg nach oben
Das epische Fünfsatz-Match von Sascha Zverev gegen Jannik Sinner im Achtelfinale war eines der Matches des Turniers. Wie Zverev trotz völliger Erschöpfung im fünften Durchgang nochmal alle Kräfte mobilisiert hat und gegen den ebenfalls bravourös kämpfenden Sinner am Ende gewann, war eine unglaubliche Leistung. Die Aufgabe Alcaraz war dann nach diesem fast fünf Stunden Knaller gegen Sinner zu viel für den dann auch am Oberschenkel lädierten Zverev.
Aber hängen bleibt bei mir vor allem eines: Zverev ist zurück im Konzert der Grossen. Er hat in einem Match auf höchstem Niveau, den sich in Topform präsentierenden Sinner besiegt. Der Südtirol hatte zuvor in diesem Sommer das Masters in Toronto gewonnen. Bleibt Zverev für den Rest der Saison topfit, dann sehe ich die deutsche Nummer eins bei den kommenden Turnieren wieder voll im Rennen.