Kriegt die Bundesliga doch noch ihr Titelrennen? Zwei Meinungen
Eigentlich war alles klar, spätestens nach dem überlegenen Sieg der Bayern in der Champions League gegen Bayer. Doch dann unterlagen die Münchner Bochum, liessen Federn bei Union und erlebten eine Länderspielpause zum Vergessen. Wird der Titelkampf doch noch spannend? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind unterschiedlicher Meinung.
Patrick Y. Fischer sagt: Ja
Sechs Punkte Vorsprung, verteilt auf acht Spieltage: Im Normalfall ein klarer Fall für einen erfahrenen Titelhamsterer wie den FC Bayern München. Doch seit dem überlegenen 3:0 im CL-Achtelfinal-Hinspiel gegen Bayer Leverkusen ist bei den Bayern fast nichts mehr normal – vom souveränen 2:0 im Rückspiel in der BayArena mal abgesehen.
Da wäre einmal das Sportliche. Drei Tage nach dem Königsklassen-Highlight unterlagen die Münchner zu Hause sensationell dem VfL Bochum. Eine Bagatelle, ein Betriebsunfall, begünstigt durch Chancenwucher, eine unglückliche rote Karte (Palinha) und das Auswärtsspiel des Jahres des VfL. Eine Woche später ging es dann nach Berlin – und auch bei den Eisernen liessen die Münchner die letzte Konsequenz vermissen. Schlussendlich kostete sie ein Fehler des jungen Keepers Jonas Urbig in der 83. Minute zwei weitere Punkte.
Isoliert betrachtet sind die beiden jüngsten Fehltritte in der Meisterschaft aber nicht wirklich das Problem. Viel mehr beschäftigen den Rekordmeister die grösstenteils schwerwiegenden Verletzungen, welche sich die defensiven Leistungsträger Manuel Neuer (Muskelfaserriss mit verzögertem Heilungsverlauf), Alfonso Davis (Kreuzbandriss) und Dayot Upamecano (freie Knorpelteile / Gelenkkörper im Knie) in den letzten Wochen zugezogen haben. Alle drei würden gerade jetzt, in der entscheidenden Saisonphase dringend benötigt, werden dem FC Bayern aber mit Ausnahme von Neuer in dieser Saison nicht mehr zur Verfügung stehen.
Und ja, natürlich verfügen die Münchner in der Summe immer noch über einen Kader, der zumindest in der Bundesliga dazu in der Lage sein müsste, den aktuellen Vorsprung über die Runden zu bringen. Aber was, wenn weitere Ausfälle oder Sperren hinzukommen? Wenn Neuer-Ersatz Urbig in einem wichtigen Moment noch einmal patzt oder ein etwaiges CL-Aus gegen Inter auf den bayerischen Magen schlägt?
Die kommenden Wochen werden so für den FC Bayern noch einmal zu einer echten Prüfung. Keine einfache Situation, nachdem man diese doch eigentlich schon bestanden hatte. Währenddessen hat Bayer Leverkusen heute Abend die Gelegenheit, mit einem Sieg gegen Bochum bis auf drei Punkte an die Münchner heranzukommen. Es wäre der Auftakt in die Art von Titelkampf, wie ihn sich jeder Bundesliga-Fan wünschen würde.
Andy Maschek sagt: Nein
Die Ausgangslage ist komfortabel. Acht Runden vor Ende der Bundesligasaison hat Rekordmeister Bayern München sechs Punkte Vorsprung auf Titelverteidiger Bayer Leverkusen. Dazu kommt das viel bessere Torverhältnis. Alles klar? Ist der Kampf um die Meisterschale schon entschieden? Oder kommt doch nochmals Spannung auf?
Selbstverständlich, die Münchner waren in ihren beiden letzten Spielen gegen Bochum (2:3) und Union (1:1) alles andere als sattelfest, verschenkten leichtfertig Punkte. Goalie-Talent Jonas Urbig schwächelte gegen Union, verhalf den Berlinern mit einem Patzer zum Punktgewinn. Und dann wütete die Verletzungshexe bei den Bayern, gerade auch in der Defensive. Nach Goalie Manuel Neuer erwischte es auch noch Dayot Upamecano und Alphonso Davies, die nun in der heissen Phase dieser Saison ausfallen. Es sind herbe Verluste, welche die französische Sportzeitung «L’Équipe» dazu brachten, von einem «Massaker bei Bayern München» zu schreiben.
Die Wortwahl ist wohl übertrieben, aber es stellt sich dennoch die Frage: Müssen wir uns Sorgen um die Bayern machen? Meine Meinung ist klar: Nein! Die Münchner werden das Ding schon schaukeln.
In der Champions League werden sie gegen Inter Mailand bestehen. Die Italiener sind qualitativ gut besetzt, dürfen nicht unterschätzt werden. Aber Inter ist keine Über-Mannschaft, vor der man in Ehrfurcht erstarren muss. Und in der Bundesliga ist auch Meister Bayer alles andere als unwiderstehlich, zeigt Schwächen, die letzte Saison nicht zu sehen gewesen waren.
Dazu kommt, dass die Bayern trotz des Verletzungspechs Alternativen haben. Im Tor Urbig, der in der Champions League gegen Leverkusen gezeigt hat, dass er vorderhand Manuel Neuer ersetzen kann. Raphael Guerreiro, Josip Stanisic, Hiroko Ito, Eric Dier und Min-jae Kim in der Verteidigung, wobei der Südkoreaner zuletzt angeschlagen war. Sollte auch er ausfallen, wäre es ein zusätzlicher herber Schlag für die Bayern. Doch in der Not kann auch der formstarke Leon Goretzka in der Innenverteidigung aushelfen.
Mit den Verletzungen erleidet die Bayern-Defensive natürlich einen erheblichen Substanzverlust und verliert massiv an Tempo. Doch die Klasse der potenziellen Ersatzleute ist immer noch gross genug, um zumindest die Meisterschale zu gewinnen und in der Champions League den Weg zum «Finale dahoam» noch weiter zu gehen.