Kleine Vikinger ganz gross: Bodø/Glimt vor dem Einzug ins EL-Halbfinale
Nach Real, Barca, Bayern und Inter folgt heut Abend das nächste Highlight dieser europäischen Fussballwoche: Bodø/Glimt. Der norwegische Kleinklub verteidigt im Europa-League-Rückspiel bei Lazio Rom ein 2:0 und steht kurz vor dem erstmaligen Vorstoss in ein europäisches Halbfinale. Höchste Zeit, die aufmüpfigen Vikinger etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Roms neue Gallier?
Eigentlich hätte Lazio Rom gewarnt sein müssen. Schliesslich ist es noch nicht so lange her, dass sich Erzrivale AS beim Gastspiel in der nördlichsten Meisterstadt Europas so richtig blamierte, in der Conference-League-Saison 21/22 gleich mit 1:6 unterging. Doch auch den Biancocelesti erging es vor Wochenfrist nur unwesentlich besser. Mit 0:2 unterlagen sie im Kleinstadion Aspmyra (8'500 Plätze) mit dem gefürchteten Kunstrasen. Immerhin: An «Den Gule Horde» (der gelben Horde) bissen sich in dieser Spielzeit auch schon Olympiakos, Sporting Braga oder der FC Porto ihre Zähne aus. Doch was zeichnet den norwegischen Serienmeister der letzten Jahre (vier Titel) eigentlich aus?
Klare Identität und Kontinuität
Zum Beispiel ein ausgeprägtes Bewusstsein für die eigenen Stärken und eine realistische Einschätzung der vorhandenen Möglichkeiten. Entsprechend wird bei Bodø/Glimt weniger gross geträumt, sondern eher gross geliefert. Dabei bedient man sich der ureigenen nordnorwegischen Mentalität, entsprechender Widerstandskraft sowie dem Mindset eines Aussenseiters, aber nicht nur. In erster Linie hat man sich nach der Rückkehr in die höchste norwegische Spielklasse vor bald acht Jahren eine klare strategische Neuausrichtung verpasst, an deren Umsetzung bis heute nicht gerüttelt wird. Unter der Führung des damals abtretenden Cheftrainers Aasmund Bjorkan, der ins Amt des Sportdirektors wechselte, und des nachrückenden vormaligen Assistenten Kjetil Knutsen hat sich Bodø eine klare spielerische Identität verpasst, spielt ein agressiv-offensives 4-3-3 mit unnachgiebigem Pressing und schnellem Umschaltspielt. Mit diesem haben die Norweger auch schon Schweizer Klubs wie Lugano vor grosse Probleme gestellt, das im Rahmen der CL-Kampagne im Spätherbst 2023 gleich mit 2:5 unterlag. Und dies mit einem Team, dass mit einem Gesamt-Marktwert von 43 Mio. Euro nur knapp höher bewertet wird als zum Beispiel Lausanne-Sport.
Der Nachwuchs am Ursprung der Erfolge
Überhaupt tut Bodø/Glimt vieles von dem, was Schweizer Klubs auch gerne umsetzen würden, es aber in den wenigsten Fällen auch tun. Denn neben der für hiesige Verhältnisse aussergewöhnlichen Kontinuität auf den sportlichen Führungspositionen, setzt der Klub aus der Provinz Nordland auch seit Jahren konsequent auf den eigenen Nachwuchs, der in der klubeigenen Nachwuchsakademie geformt wird. Regelmässig stammen so bis zur Hälfte der Spieler im Fanionteam aus den eigenen Reihen, inklusive jener Talente, die dank starken Leistungen irgendwann den Sprung ins für alle Beteiligte lukrative Ausland schaffen. Wieder andere wie der aktuelle Captain und Nationalspieler Patrick Berg (27), Linksverteidiger Frederik Bjorkan (26, 14 Länderspiele) oder Innenverteidiger Frederik Sjovold (21) entwickeln sich auf nationalem Niveau zu unverzichtbaren Leistungsträgern, wobei Letzterem der Sprung in eine grössere Liga bereits diesen Sommer gelingen könnte. Vorerst aber haben alle Drei das Ziel, als erster norwegischer Klub den Sprung ins Halbfinale eines europäischen Wettbewerbs zu vollziehen. Dank dem 2:0 im Hinspiel ist die halbe Ernte auf dem Weg zum historischen Erfolg bereits eingefahren.