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Kickt der nächste grosse Schweizer Star in Stuttgart? Zwei Meinungen

Mit einem Jahr Verspätung ist Fabian Rieder angekommen. Auf eine starke EM folgten zuletzt überzeugende Auftritte für den VfB Stuttgart. Haben die Schwaben mit Rieder das nächste grosse Schweizer Los gezogen? Unsere Redaktoren Andy Maschek und Patrick Y. Fischer sind sich nicht einig.

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Fabian Rieder im Duell mit Vinicius junior. © IMAGO / SOPA Images

Andy Maschek sagt: Ja

Man sollte mit dem Wort «Star» defensiv umgehen, gerade im Sport und in den Boulevardmedien wird der Begriff teilweise exzessiv verwendet, ohne dass Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen. Aber in meinen Augen verfügt Fabian Rieder über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die es auch braucht, um irgendwann zu den ganz Grossen in diesem Business zu gehören.

Rieder ist keiner, der den Boden unter den Füssen verliert, was sich in folgender Anekdote widerspiegelt. Als er im Rahmen der Swiss Football Night als Youngster des Jahres 2022 geehrt sowie den Titel als bester Super League-Spieler 2021/22 gewann – eine Auszeichnung, die zuvor auch Spieler wie Arthur Cabral, Kevin Mbabu, Breel Embolo oder Mohamed Salah erhalten hatten –, sagte er nüchtern: «Ich fühle mich durch diese Auszeichnungen sehr geehrt, und es ist auch eine Wertschätzung für meinen bisherigen Werdegang. Jedoch sind die Titel nur die Bestätigung für die Vergangenheit, und es ist meine Aufgabe, jetzt an den Erfolgen in der Gegenwart zu schreiben.»

Rieder ging seinen Weg erfolgreich weiter, war in jungen Jahren Leistungsträger und Führungsspieler bei YB, zog zu Rennes weiter, liess sich auch durch ein Seuchenjahr mit vielen Problemen und Verletzungen aber wenig Einsatzminuten nicht unterkriegen, dankte Nati-Trainer Murat Yakin für das EM-Aufgebot mit tollen Leistungen in Deutschland und zog weiter zum VfB Stuttgart.

Und dort glänzt er weiter. In seinen ersten drei Teileinsätzen in der Bundesliga erzielte er ein Tor und zwei Assists, wurde dank seines an Xherdan Shaqiri erinnernden Zauberfusses von der «Bild» schon als «neuer Standard-König» bezeichnet und von seinem Teamkollegen Ermedin Demirovic folgendermassen gelobt: «Fabi ist unser Wadenbeisser, der gibt nie auf.» Er habe gar nicht gewusst, dass Rieder so schnell ist, das sei Gareth Bale 2.0 gewesen, so Demirovic. 

Die Einstellung, die Demut, die Technik, das Tempo sowie eine enorme Spielintelligenz – es sind Fähigkeiten, die es für eine grosse Karriere braucht. Und es sind die Attribute, mit denen der erst 22-jährige Rieder sich in Stuttgart in der Hierarchie nach oben spielt. In den letzten Spielen wurde er immer wieder für Chris Führich gebracht, den deutschen Nationalspieler, dessen Marktwert zuletzt explodierte und auf fast 30 Millionen Euro stieg, und der in den letzten Monaten auch mit Bayern, Dortmund, Chelsea oder Dortmund in Verbindung gebracht worden war.

Es spricht nicht viel dagegen, dass auch Fabian Rieder dereinst mal bei einem euopäischen Schwergewicht landet und auf der ganz grossen Bühne für Schlagzeilen sorgt. Eine Duftnote hat er jedenfalls diese Woche hinterlassen, als er in der Champions League gegen Real Madrid eingewechselt wurde und sich in Zweikämpfen gegen Jude Bellingham oder Vinicius junior durchsetzte. Es sind Signale, die definitiv Mut machen.

Patrick Y. Fischer sagt: Nein

Gewiss: Fabian Rieder ist ein talentierter Spieler. Womöglich einer der talentiertesten, mit Sicherheit in der Schweiz, wo nach dem Nati-Rücktritt von Xherdan Shaqiri akuter Bedarf an einem nächsten, genialen Linksfuss besteht. Aber der nächste grosse Schweizer Star? Dafür ist es meiner Meinung nach noch zu früh.

Schliesslich ist es erst ein knappes Jahr her, dass Fabian Rieder nach dem Gewinn des Doubles mit YB und im Anschluss an die erfolgreiche CL-Qualifikation mit grossen Vorschusslorbeeren in die Ligue 1 zu Stade Rennes wechselte. Wobei: So genau wissen wir das nicht. Ob man in der Bretagne mit ebenso viel Vorfreude auf den jungen Berner gewartet hat, spielt in der abschliessenden Betrachtung auch keine Rolle. Fakt ist, dass sich Fabian Rieder beim Tabellenzehnten der Ligue 1 in keinster Weise durchsetzen konnte. Wegen Verletzungen, aber natürlich auch aufgrund einer ganzen Reihe weiterer Faktoren. Kein Beinbruch, denn schliesslich ist das eine Erfahrung, wie sie jedes Jahr Dutzenden von talentierten jungen Fussballern widerfährt. Aber: Den wirklich grossen Schweizer Kickern der letzten Dekaden ist das nicht passiert. Nicht einem Xhaka, Akanji, Sommer, Kobel oder Shaqiri (mit Abstrichen), auch nicht einem Lichtsteiner, Barnetta, Frei oder Chapuisat in den Generationen davor. Und genau in diese Grössenordnung muss Rieder vordringen, wenn er sich künftig zur prägenden Figur des Schweizer Fussballs entwickeln soll.

Natürlich, die Vergangenheit ist gerade im Spitzensport ein suboptimaler Indikator wenn es darum geht, die künftige sportliche Leistungsfähigkeit eines Talentes richtig vorherzusagen. Und selbstverständlich hat Fabian Rieder grundsätzlich die Möglichkeit, sich in den kommenden Jahren zum besten Schweizer Fussballer seiner Generation zu entwickeln. Bislang gibt es einfach relativ wenig Anzeichen, um diese überhöhte Erwartungshaltung zu rechtfertigen. Ein prägende Rolle bei YB, eine überraschend gute Figur an der EM und ein vielversprechender Start in Stuttgart sind positive Anzeichen. Aber eben halt auch, weil man nach einem enttäuschenden Jahr in Rennes nicht unbedingt mit dieser Entwicklung rechnen durfte. Insofern ist Fabian Rieder auf dem richtigen Weg – immer im Bewusstsein, dass da noch sehr viel mehr kommen muss als 144 gute Bundesligaminuten, tolle Standards und viel Lob von Fans, Medien und Mitspielern. 

Insofern sollte man mit dem Label «nächster grosser Star» vorsichtig umgehen. Insbesondere in Bezug auf den 22-jährigen Rieder, der sowohl in Stuttgart als auch in der Nati zwar ein Hoffnungs-, nicht zwingend aber ein Leistungsträger ist. Möglicherweise ändert sich das schon bald. Am Sonntag gegen Borussia Dortmund winkt die nächste Chance, Skeptiker wie mich eines Besseren zu belehren.

 

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