Joren van Pottelberghe oder die Klasse der Nummer 2
Das Break ist geschafft, der EHC Biel-Bienne führt im Meisterrennen gegen Servette mit 2:1. Dies dank beindruckenden und solidarischen Leistungen des ganzen Teams – und dank immenser Qualität auf der Goalie-Position.
Es ist hinlänglich bekannt: Wer im Eishockey Meister werden will, braucht einen überdurchschnittlichen Goalie. So wie das in den letzten Jahren beispielsweise mit Leonardo Genoni der Fall war, der mit Davos, Bern und Zug Meister wurde und jeweils der Fels in der Brandung, der grosse Rückhalt war. Nun sind die Bieler in der schon fast einzigartig komfortablen Situation, auf zwei Keeper der Extraklasse setzen zu können: Harri Säteri und Joren van Pottelberghe.
Der Finne Säteri ist aktueller Weltmeister und Olympiasieger und per Zufall im Seeland gelandet. In einer «normalen» Welt wäre heute Joren van Pottelberghe, der sich nach seinem Wechsel vor drei Jahren vom HCD nach Biel zu einem der besten Goalies im Land entwickelt hat, die Nummer 1 der Bieler. Aber er zog sich am 12. März 2022 gegen Zug einen Kreuzbandriss zu und war bis Januar zum Zuschauen verdammt.
Die Zuger reagierten, sicherten sich zuerst die Dienste des Finnen Jussi Olkinuora, der dann im Sommer bei den Detroit Red Wings unterschrieb, in der NHL aber nie zum Einsatz kam. Stattdessen lotste Sportchef Martin Steinegger schliesslich Harri Säteri nach Biel und landete so einen Volltreffer. Säteris Zahlen, die das unterstreichen: 92,27 Prozent gehaltene Schüsse in der Qualifikation und bislang 93,89 Prozent in den Playoffs.
Trotz dieser beeindruckenden Statistik muss der Finne in den Playoffs ab und zu seinem Teamkollegen Joren van Pottelberghe Platz machen – und dieser überzeugt ebenfalls. Im Viertelfinal gegen den SCB kam der 25-Jährige zum Einsatz, weil Säteri Vater wurde. Einmal gegen die ZSC Lions und im dritten Spiel gegen Servette wechselte Trainer Antti Törmänen dann bewusst den Goalie und liess als sechsten Ausländer den Kanadier Riley Sheahan spielen. Joren van Pottelberghe dankte dieses Vertrauen mit Leistung: Gegen die ZSC Lions feierte er einen Shutout, am Dienstag gegen Servette hielt er 47 von 48 Schüssen – und in seinen drei Einsätzen in den Playoffs kommt er auf 95,37 Prozent gehaltene Schüsse. Stark!
Natürlich könnte man mit diesen Leistungen den Anspruch haben, als Nummer 1 in die Spiele zu starten. Doch Van Pottelberghe stellt sein Ego hinter das Wohl der Mannschaft zurück und sagt: «Ich hatte zehn Monate Zeit, mich auf alles einzustellen, wusste, was auf mich zukommt, wie ich am besten damit umgehen kann. Ich gehe in jedes Training mit der Einstellung, dass ich spiele.» Wie jeder andere Profi würde er natürlich gerne auch im nächsten Spiel gegen Servette am Donnerstag in Biel auf dem Eis stehen und mithelfen, den dritten Sieg auf dem Weg zum Meistertitel zu sichern, statt nur Zaungast an der Bande zu sein. Aber er weiss, dass es darum geht, im ersten Playoff-Final in der Klubgeschichte den vierten Meistertitel überhaupt nach Biel zu holen und sagt: «Es gilt, das Ego auf die Seite zu schieben.»