Immer wieder Real: «El Cholo» will den Königlichen an den Kragen
Seit bald 14 Jahren ist Diego Simeone Trainer von Atletico Madrid. In dieser Zeit hat der Argentinier vieles erreicht und fast alle geschlagen – ausser den Stadtrivalen in der UEFA Champions League. Heute Abend bietet sich ihm im Achtelfinal-Rückspiel die nächste Chance.
Gerne unterschätzt, manchmal übersehen
Auf die Frage nach den aktuellen Grössen der Trainerzunft fallen rasch Namen wie Klopp, Ancelotti oder Guardiola. Auch junge Senkrechtstarter wie Julian Nagelsmann werden zuweilen in diesen Topf geworfen, erst später fällt – wenn überhaupt – der Name von Diego Simeone. Dabei prägte wohl kein Trainer in den letzten 20 Jahren einen Klub so sehr, wie der bald 55-Jährige. Unter Simeone ist Atletico seit 2011 von einem ambitionierten spanischen Mittelfeldklub zu einem europäischen Spitzenklub (zwei Meisterschaften, zwei CL-Finalteilnahmen, zwei Triumphe in der Europa League) gereift, der die spanischen Rivalen Real und Barca trotz deutlich geringerer Mittel Jahr für Jahr bis aufs Blut reizt. Auch auf europäischem Niveau zählt Atleti selten zum unmittelbaren Favoritenkreis, ist aber der Klub, beim dem jeder Fan sofort Bauchschmerzen bekommt, sobald die «anderen» Madrilenen seinem Team als Gegner zugelost werden. Denn Atletico Madrid und Diego Simeone – das sind schier unerschütterliche defensive Stabilität, ausgeprägter Teamspirit und unnachgiebiger Kampfgeist von der ersten bis zur letzten Minute. Was das im Umkehrschluss bedeuten kann, hat zuletzt auch Bayer Leverkusen erfahren, dass im Madrider Tollhaus «Metropolitano» Ende Januar trotz Führung und 50-minütiger Überzahl noch mit 1:2 verlor. Spiele wie diese sind denn auch der Grund, weshalb man «El Cholo» und Atletico am liebsten stets dem Erzrivalen zum Gegner wünscht.
Ein Trainer wie kein Zweiter
Das 2:1 gegen die Werkself ist aber auch eine Paradebeispiel dafür, wie Diego Simeone denkt, arbeitet und wirkt. Wo ein Ancelotti mit stoischer Gelassenheit am Spielfeldrand beobachtet oder ein Guardiola stets leicht verzweifelt gestikuliert und diskutiert, peitscht Simeone sein Team und Publikum Kraft seines Wesens einfach nach vorne. Ist Ancelotti der Gentleman und Guardiola der Denker, so ist Simeone der Puncher und Mittelfeld-Terrier im Designer-Anzug, der sich mit jeder Faser seines Körpers für sein Team und den Erfolg einsetzt. Manchmal an der Grenze der Fairness und darüber hinaus, stets aber mit der hundertprozentigen Überzeugung, den Sieg – egal gegen wen – irgendwie erzwingen zu können. Sich dem Schicksal (oder einem talentierteren Gegner) zu ergeben ist keine Option, insbesondere, weil der ehemalige Double-Sieger mit Lazio und Atleti auch taktisch einiges auf dem Kasten hat. Atletico mag zwar in erster Linie für eine starke Defensive bekannt sein, aber auch offensiv sind die Rojiblanco angeführt von Julian Alvarez und Antoine Griezmann jederzeit für Tore gut.
Das Real-Trauma besiegen
Und Tore werden die Madrilenen im heimischen Estadio Metropolitano auch heute Abend im Rückspiel gegen die Königlichen benötigen. Das 1:2 aus dem Hinspiel verspricht eine offene Ausgangslage, auch wenn Simeone im Zusammenhang mit dem Hinspiel vor acht Tagen von einer verpassten Chance spricht, wohl im Wissen, dass die CL-Duelle mit Real für seine Mannschaft zuletzt nie ein gutes Ende nahmen. 2014 und 2016 unterlagen die Rot-Weissen Real jeweils im Endspiel auf bitterste Art und Weise, 2015 und 2017 erfolgte das Out im Viertel-, respektive Halbfinale. Bringt das Achtelfinale 2025 nun endlich die lang ersehnte Revanche? Zumindest wenn man sich die persönliche Bilanz zwischen Carlo Ancelotti und Diego Simeone zu Gemüte führt (der Italiener führt mit zehn zu neun Siegen) könnte man zum Schluss kommen, dass die Zeit für einen Erfolg auch in der Champions League mehr als nur reif ist. «El Cholo», der Mann über dessen Spitzenamen es im Minimum zwei Entstehungsgeschichten gibt, wäre damit zu 100 Prozent einverstanden.