IIHF-Präsident Luc Tardif fühlt sich wie Grönland
Luc Tardif, der Nachfolger von René Fasel an der Spitze des Eishockey-Weltverbandes IIHF, sprach mit Keystone-SDA über die Herausforderungen, die auf ihn warten.
Tardif, der am Samstag seinen 72. Geburtstag feiert, war zehn Jahre lang beim Weltverband für die Finanzen zuständig und wusste also noch vor der Stabsübergabe im September 2021 sehr genau, wie anspruchsvoll der Aktenstapel ist, der auf ihn wartet - unter anderem mit dem internationalen Kalender, der Teilnahme der NHL-Spieler an den Olympischen Spielen, und der Sperre gegen Russland und Weissrussland.
Luc Tardif, es gibt Stimmen, die fordern, dass die Weltmeisterschaft alle zwei Jahre stattfindet. René Fasel hatte darauf jeweils geantwortet, der Wettbewerb sei jährlich notwendig, um andere Projekte der IIHF zu finanzieren. Wie sieht die Lage heute aus?
"Wir sind bis 2033 in vertraglichen Verpflichtungen. Das heisst, wenn wir die Zeitspanne zwischen den Weltmeisterschaften ändern, müssen wir diesen Vertrag neu verhandeln, der noch vor der Corona-Krise und dem Krieg in der Ukraine unterschrieben wurde, also für uns vorteilhaft ist. Bevor man den Rhythmus der Weltmeisterschaft ändert, muss man ohnehin den gesamten internationalen Spielplan anpassen."
Wie sehen Sie die Konkurrenz der NHL, die im Februar ein Turnier mit Kanada, den USA, Finnland und Schweden organisiert hat?
"Mit der NHL, die nach Europa kommen will, müssen wir mittelfristig den Kalender anpassen. Es geht in erster Linie um die Marktlage. Es gibt eine Tendenz. Die NBA will eine Liga in Europa aufbauen, die Fussballklubs haben von einer Super League gesprochen. Man sieht, dass private Unternehmen den Verbänden oder Organisationen wie der unseren den Rang ablaufen. Aber wenn die IIHF nicht mehr die volle Finanzierung von Operationen übernimmt, die nicht rentabel sind, wird es schwierig sein, sie aufrechtzuerhalten. Wir haben grosse Fortschritte im Frauensport gemacht, aber wir können heute daraus kein Kapital schlagen."
Die IIHF muss um ihren Sport kämpfen?
"Wir haben 84 Mitgliedsländer und vier Divisionen. Niemand ausser der IIHF wird diese Veranstaltungen finanzieren. Auf jeden Fall nicht private Ligen mit Aktionären, die zufrieden gestellt werden müssen. Das sind die Herausforderungen von heute. Aber wir sind nicht die einzigen. Ich habe kürzlich mit dem Präsidenten des Triathlonverbands gesprochen, der gegen private Unternehmen kämpfen muss, die Wettkämpfe mit attraktiven Preisgeldern organisieren. Wir stehen an einem Scheideweg."
Es ist sicher nicht einfach, mit der NHL zu verhandeln?
"Wir fühlen uns ein bisschen wie Grönland, aber wir werden unsere Interessen so gut wie möglich verteidigen. Wir sehen das an den Expansionsbestrebungen der NBA und der NFL mit Spielen auf der ganzen Welt. Wenn wir also mit der NHL und der Spielervereinigung NHLPA sprechen, müssen wir erklären, dass in Ligen wie der National League oder der deutschen DEL im Februar die Playoffs bevorstehen und es schwierig ist, ein grosses Turnier zu organisieren."
Trotzdem stellt Europa der NHL immer mehr Spieler zur Verfügung.
"Absolut, aber die NHL hat kein Interesse an der Entwicklung junger Spieler, wie es die Klubs in Europa haben. 1976 war ich im Ausbildungscamp der Toronto Maple Leafs und es gab nur zwei Europäer. Heute kommt ein Drittel der Spieler in der NHL von ausserhalb Nordamerikas, und das wird noch zunehmen."
Wie sieht es mit der Teilnahme von NHL-Spielern an den Olympischen Spielen aus? Ist alles gut für nächstes Jahr in Mailand?
"Wir dürften eine Einigung erzielen. Ich warte darauf, die Abmachung mit der NHL zu unterschreiben. Es ist die IIHF, die entscheidet, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind für die Teilnahme der NHL-Spieler, denn es geht um Millionenbeträge an Versicherungsgeldern."
Das letzte heikle Dossier betrifft Russland und Weissrussland.
"Man kann nicht an der Spitze eines Verbandes stehen und sich darüber keine Sorgen machen. Auch wenn man sich aus der Politik fernhalten muss, bleibt alles politisch. Beim Ausschluss Russlands geht es vor allem um Fragen der Sicherheit und des Schutzes unseres Wettbewerbs. Wir hoffen, so bald wie möglich die WM wieder auszutragen wie zuvor. Das würde nämlich heissen, dass der Krieg vorbei ist. Im Februar 2026 werden wir den Entscheid für 2027 fällen."