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"Ich empfinde eine extreme Faszination"

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Matthias Simmen ist der Mann, der uns den Biathlon erklärt. Zufällig zum Sport gekommen, war der Urner der erste Schweizer auf einem Weltcup-Podest. Als TV-Experte ist die Leidenschaft geblieben.

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Die Stimme des Biathlon in der Schweiz: Matthias Simmen an der WM in Lenzerheide © KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Eine so grosse Bühne, wie aktuell mit der ersten Weltmeisterschaft in der Schweiz, hatte Matthias Simmen noch nie. Nicht einmal, oder erst recht nicht, als er 2002 erstmals an Olympischen Spielen teilnahm. 23 Jahre später begeistert der Mann mit dem markanten Kinn und dem urchigen Urner Dialekt mit seinem Enthusiasmus und Fachwissen das TV-Publikum.

"Ich bin eigentlich immer wieder erstaunt, wie es mich nach wie vor bewegt, wenn ich so ein Rennen schaue", schwärmt Simmen gegenüber Keystone-SDA. "Und das nicht nur, wenn die Schweizer gut sind. Ich empfinde eine extreme Faszination." Das ist umso erstaunlicher, als der 52-Jährige aus Realp erst als Mittzwanziger mit dem Biathlon in Berührung kam. Sein Werdegang ist verblüffend - und wäre in der heutigen Zeit, da der Sport auch in der Schweiz viel professioneller betrieben wird, nicht mehr denkbar.

Wie fast alle Kinder in der Region Andermatt war auch Simmen Mitglied eines Skiklubs, eine Karriere als Sportler war aber nie ein Thema. Nach einer Schreiner-Lehre meldete er sich bei der Grenzwacht-Schule an. "Ich wusste gar nicht genau, was die machten", sagt Simmen. "Ich bin einfach per se ein sehr neugieriger Mensch." Dort zeigte sich dann allerdings sein ausgeprägtes Talent. Bei Geländeläufen liess er regelmässig alle hinter sich - selbst die, welche die Schule als Spitzensportler absolvierten. Da kam die Idee, aus Simmen einen Langläufer zu machen, auch wenn er damit bis dahin nur wenig Erfahrung hatte.

"Ich hatte sicher aussergewöhnlich gute körperliche Voraussetzungen", erinnert sich der Modellathlet. "Ich habe eine sehr grosse Lunge. Das habe ich von meinen Eltern." Er gibt aber zu, dass es schon ein wenig verrückt sei, erst mit mehr als 20 Jahren mit dem Langlaufen anzufangen. Aber eben, Simmen ist bekanntlich auch aussergewöhnlich neugierig und dazu ehrgeizig. Im Langlauf schaffte er es bis ins B-Kader von Swiss-Ski, ehe er von einem Mittelfussbruch und dann vom Pfeifferschen Drüsenfieber ausgebremst wurde.

Damit war seine Sportler-Karriere im Prinzip bereits wieder vorüber - bis ihm vorgeschlagen wurde, es doch mal mit Biathlon zu versuchen. Die Faszination war in jener Zeit aber noch überhaupt nicht da. "Als Langläufer haben wir die Biathleten immer ein wenig belächelt", erinnert sich Simmen. Dazu kam, dass Biathlon damals in einem eigenen Verband organisiert war und in der Schweiz als absolute Randsportart konstant mit Geldproblemen kämpfte. Ohne grosse Erwartungen versuchte sich der Urner also im Biathlon, im stolzen Sportler-Alter von fast 28 Jahren. Dennoch schaffte er völlig überraschend bereits 2002 die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Salt Lake City.

Die Spiele im Bundesstaat Utah wurden allerdings mit den Plätzen 67 und 78 zum Desaster. "Es gab entsprechend mediale Haue. Das hat mich damals auch persönlich sehr getroffen", blickt Simmen zurück. "Die Kritik war sportlich berechtigt, aber auch unfair, wenn man unsere Umstände anschaut." In der Schweiz gab es keine Trainingsmöglichkeiten für die Biathleten. "Wenn ein Schwimmer in der Schweiz kein Schwimmbassin hat, kann man von ihm auch keine Weltklasse-Leistungen erwarten", vergleicht Simmen.

Er erinnert sich mit einem Lachen an diese Zeit. "Ich war mir vom Langlauf gewöhnt, mit einem ganzen Sack an Ausrüstung nach Hause zu gehen. Beim ersten Biathlon-Zusammenzug erhielten wir einen Plastiksack mit einem Dress und einer Brille - und mussten dafür noch hundert Franken bezahlen." Die Rettung kam durch die Integration des Biathlons, der international nicht durch die FIS organisiert wird, beim Schweizer Skiverband Swiss-Ski - auch wenn die Begeisterung dort zunächst nicht gross war.

Ein Glücksfall war dann Simmens Podestplatz im Februar 2006 in Hochfilzen. Mit der hohen Startnummer 63 belegte er in einem Sprint hinter den Stars Ole Einar Björndalen und Michael Greis den 3. Platz - notabene nach einem am Vortag eingefangenen Hexenschuss. Erstmals stand ein Schweizer Biathlet im Weltcup auf dem Podest, in der Heimat gab es sogar einen Empfang für Simmen. Auch mit den Olympischen Spielen sollte er sich noch versöhnen. Bei seiner dritten Teilnahme gab es 2010 in Vancouver den respektablen 9. Rang mit der Staffel.

Heute sind die Voraussetzungen für die Schweizer Biathleten ganz andere. "Eine Amy (Baserga) oder ein Niklas (Hartweg) haben schon mit dem Luftgewehr angefangen zu schiessen und sind dann zum Kleinkaliber gekommen", erklärt Simmen. "Die haben schon als Kinder intuitiv Dinge aufgenommen." Bereut er, dass er seinen Sport nicht in professionelleren Strukturen ausüben konnte? Simmen überlegt kurz und sagt dann bestimmt: "Hey, das bringt ja nichts. Ich bin einfach froh, dass die Sportart da ist, wo sie jetzt ist, und ich ein bisschen dazu beitragen konnte."

So konnte auch er dem Sport verbunden bleiben. Simmen arbeitet mittlerweile bei der Bundeskriminalpolizei in Bern, für die Biathlon-Übertragungen muss er jeweils Ferien nehmen - und tut dies gerne. "Es ist diese Kombination aus der sehr physischen Komponente beim Langlaufen, der Technik, dem Talent und der mentalen Stärke, die du beim Schiessen brauchst, die die Faszination des Biathlon ausmacht." Dank Simmens Erklärungen im Fernsehen verstehen das auch mehr und mehr Schweizer.

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