Hertha BSC Berlin: Anhaltender Schrecken ohne Ende
Seit der Gründung 1892 hat die alte Dame Hertha schon so machen Sturm erlebt. Doch nach der gescheiterten „Big City Club“ Ära und der 180-Grad-Wende mit dem „Berliner Weg“ steht der Klub nach turbulenten Jahren erneut vor herausfordernden Wochen: Es droht der zweite Abstieg innert drei Spielzeiten.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Dabei war man vergangenen Sommer in der Hauptstadt noch guten Mutes. Ein Jahr nach dem Abstieg und einer damit verbundenen, substantiellen Reduktion des Spieleretats sollte es unter Neo-Trainer Cristian Fiél wieder aufwärts gehen – im Idealfall bis zurück in die 1. Liga. Und warum nicht? Fiél sprach nach dem eher pragmatischen Ansatz von Vorgänger Pal Dardai von der Rückkehr zum mutigen, erfolgreichen Fussball und der Klub stellte ihm dazu den noch immer zweitwertvollsten Kader der Liga (Marktwert von über 53 Mio. Euro) zur Verfügung. Dieser war in der Sommerpause mit scheinbar bewährten Kräften wie ZM Michaël Cuisance (Venedig, Serie A), ZM Kevin Sessa (Heidenheim), IV John Brooks (Hoffenheim) und DM Diego Demme (SSC Neapel) verstärkt worden, die den bestehenden Kern um LA Fabian Reese, Torjäger Haris Tabakovic sowie den ungarischen EM-Teilnehmer Marlon Dardai ergänzen sollten. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Fehleinschätzungen manifestieren sich auf dem Rasen
Denn in der Liga zeichnete die Realität bald ein anderes Bild. Zwar zeigte die Hertha unter Fiél immer wieder Anzeichen einer vielversprechenden Spielkultur, richtig verankern konnte der ehemalige Dresden- und Nürnberg-Coach diese Ansätze jedoch nie. Möglicherweise auch, weil es dem noch relativ jungen Head Coach an Erfahrung fehlte, über die auch sein Staff mit den Newcomern Jaime Monroy und Patrick Ebert nicht ausreichend verfügte. Hinzu kamen Fehleinschätzungen auf dem Transfermarkt, wo die Verantwortlichen Christian Weber (Sportdirektor) und Klubikone Andreas „Zecke“ Neuendorf (Leiter Lizenzspielerabteilung) es verpassten, den Abgang von Topskorer Tabakovic (22 Tore in der Vorsaison) gleichwertig zu ersetzen. Dazu passte, dass fix eingeplante Leistungsträger wie Reese oder Brooks über längere Zeit verletzt ausfielen und Spieler wie Demme und Cuisance die ihnen zugedachte Leader-Rolle nicht oder nur bedingt ausfüllen konnten. In der Summe eine zu hohe Hypothek für die Hertha-Ausgabe 2024/2025, die je länger, je mehr vom eigentlich vorgesehenen Weg abkam. Nach vier Niederlagen am Stück zog der Klub schliesslich Mitte Februar die Reissleine und ersetzte Fiél durch den erfahreneren Stefan Leitl, der bis zur Winterpause in Hannover gearbeitet hatte. Bislang mit überschaubarem Erfolg. Nach dem blamablen 0:4 bei der SV Elversberg am Sonntag trennen die Berliner noch vier Punkte von Eintracht Braunschweig und dem Relegationsplatz.
Good News nur neben dem Platz
Trotzdem konnte der Klub vergangene Woche wieder einmal gute Nachrichten verbreiten. Denn nach jahrelanger finanzieller Schieflage ist es der Hertha unter Geschäftsführer Thomas E. Herrich in der Zeit seit dem Abstieg gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Zuletzt konnte die Schuldenlast von über 100 Mio. Euro auf rund die Hälfte reduziert werden und auch die Finanzierung einer im November fällig werdenden Anleihe über 40 Mio. Euro ist gesichert. Trotzdem werden in der Hauptstadt weiterhin kleinere Brötchen gebacken werden müssen, prägt der rigorose Sparkurs doch auch künftig den Klub. Auch mit Blick auf die kommende Spielzeit soll der Spieleretat, der aktuell bei rund 30 Mio. Euro liegt, noch einmal deutlich reduziert werden, was u.a. auch erklärt, warum ein Tabakovic nicht gleichwertig ersetzt werden konnte. Derweil präsentiert sich die sportliche Situation im Abstiegskampf weiterhin angespannt. Gelingt in den kommenden beiden Partien gegen Schalke 04 und den direkten Verfolger Eintracht Braunschweig keine Stabilisierung, könnte den Herthanern noch ein langer und nervenaufreibender Kampf um den Ligaerhalt bevorstehen.