Heldinnen und Helden auf Zeit
An den Olympischen Spielen in Paris sind 162 von 329 Entscheidungen gefallen. Die Schweiz belegt im Medaillenspiegel den 28. Platz – wobei die Namen unserer Heldinnen und Helden kaum der breiten Öffentlichkeit bekannt sind.
Die Eishockey-WM und die Fussball-EM haben in den letzten Wochen für Begeisterung gesorgt. Roman Josi? Kevin Fiala? Nico Hischier? Granit Xhaka? Yann Sommer? Breel Embolo? Es sind Namen, die für einen grossen Teil von Herrn und Frau Schweizer Allgemeingut sind; man kennt die Gesichter dieser Athleten.
Ganz anders sieht es wohl bei den folgenden Namen aus: Chiara Leone, Julie Derron, Zoé Claessens, Roman Mityukov, Audrey Gogniat oder Roman Röösli/Andrin Gulich. Sie waren wohl auch vielen absoluten Sportfanatikern nicht bekannt, bis sie sich an den Olympischen Spielen ins Rampenlicht katapultierten. Schützin Chiara Leone gewann die bislang einzige Schweizer Goldmedaille an diesen Spielen, Triathletin Derron eroberte Silber, BMX-Fahrerin Claessens, Schwimmer Mityukov, Schützin Goignat und die Ruderer Röösli/Gulich konnten sich über Bronze freuen.
Unsere besten Fussballer und Eishockey-Cracks werden für ihre Leistungen in den populären Sportarten fürstlich entlöhnt und haben nach ihrer Karriere finanziell ausgesorgt. Ihre Namen und Gesichter bleiben in vielen Fällen für immer und ewig präsent, sie sind Personen des öffentlichen Lebens.
Olympiasiegerin Chiara Leone lächelte uns in den vergangenen Tagen von manchen Titelseiten entgegen. Sie ist jedoch eine Heldin auf Zeit. Es liegt in der Natur der Olympischen Spiele, dass gerade Medaillengewinnerinnen und -gewinner in Randsportarten für eine begrenzte Dauer von Ruhm begleitet werden. Hand aufs Herz, wem ist heute noch spontan präsent, in welcher Sportart Heidi Diethelm Gerber 2016 in Rio Bronze gewann? Es war im Schiessen. Oder wer weiss, weshalb Nikita Ducarroz 2021 in Tokio jubeln konnte? Bronze im BMX-Freestyle. So ist es auch logisch, dass diese erfolgreichen Sportlerinnen finanziell Welten von Josi, Xhaka und Co. entfernt sind.
Immerhin ist es aber so, dass der grosse Einsatz, die harte Arbeit und der Erfolg auch bei Sportlerinnen und Sportlern in eigentlich wenig lukrativen Sportarten finanziell honoriert werden und es nicht nur noch um den olympischen Gedanken geht («dabei sein ist alles»). Swiss Olympic bezahlt für eine Goldmedaille 50'000 Franken, für Silber fliessen 40’000 und für Bronze 30’000 Franken. Prämien werden bis zu Rang 8 ausbezahlt, der mit 4000 Franken belohnt wird. Teams bekommen etwas mehr, müssen den Betraf aber untereinander aufteilen.
Es sind natürlich willkommene Einkünfte, die sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen können. In Deutschland wird ein Einzel-Olympiasieg mit 20'000 Euro honoriert, für Silber gibt’s 15'000 und für Bronze 10'000 Euro. Aber es gibt auch im anderen Bereich extreme: Gemäss dem US-Magazin «Forbes» erhalten Goldmedaillengewinner aus Hongkong 768’000 US-Dollar, gemäss andere Quellen fliessen in Singapur und Taiwan für Gewinnerinnen und Gewinner 740'000 respektive 720'000 Dollar.
Es sind Summen, von denen Gold-Schützin Chiara Leone nicht einmal träumen kann. Und auch wenn sie früher oder später aus dem Rampenlicht verschwinden wird: Olympiasiegerin darf sie sich verdientermassen ein Leben lang nennen – und die Emotionen rund um diesen Triumph wird sie nie mehr vergessen.