Goldjunge Odermatt – und gute Perspektiven
Die Ski-WM 2023 ist vorbei – mit Marco Odermatt als absolutem Superstar und einer erfolgreichen Schweiz, die mit ein wenig Glück noch erfolgreicher hätte sein können. Doch ein Blick in die Zukunft sorgt zusätzlich für Optimismus.
Im Weltcup haben die Schweizerinnen und Schweizer in dieser Saison bislang dominiert. Satte 1817 Punkte beträgt der Vorsprung in der Nationenwertung auf Erzrivale Österreich, der Champagner kann schon kaltgestellt werden. Entsprechend gross waren die Hoffnungen auf massig Edelmetall an der WM in Courchevel und Méribel. Und sie wurden erfüllt: dreimal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze lautete nach diesen zwei WM-Wochen die Bilanz, damit stand die Schweiz im Medaillenspiegel ganz oben. Nicht was die Anzahl der Auszeichnungen betrifft, da schnitt Norwegen mit neun Medaillen noch besser ab. Sondern betreffend Qualität, da die Schweizer dreimal Gold eroberten und die Norweger «nur» zweimal. «Die Erwartungshaltung war hoch, das spürten wir», sagte Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann abschliessend, «aber jetzt kann ich sagen: Wir haben geliefert, hatten super Resultate, wir waren sehr, sehr erfolgreich.»
Auf dem Weg zu diesem Erfolg zeigten die Schweizerinnen und Schweizer Charakter, nachdem der Start nicht wunschgemäss geglückt war. Für die ersten vier Rennen – alpine Kombination und Super-G bei Frauen und Männern – konnte man eigentlich eine Flut an Medaillen erwarten, da mit Wendy Holdener, Lara Gut-Behrami, Marco Odermatt und Loïc Meillard in allen vier Wettkämpfen Topfavoriten am Start standen. Doch die Ausbeute blieb mässig: Wendy Holdener gewann Kombi-Silber, das wars dann schon, weil Lara Gut-Behrami im Super-G um vier und Marco Odermatt um elf Hundertstel am Podest vorbeischrammten.
Die Triumphe in der Königsdisziplin
Die Folge: Der Druck vor den Abfahrten stieg massiv an, weitere medaillenlose Rennen hätten zu einer Negativspirale führen können. Doch dann schlugen Jasmine Flury und Marco Odermatt zu, behielten kühlen Kopf, triumphierten in der Königsdisziplin. Die Bündnerin landete überraschend den Gold-Coup, zudem eroberte Corinne Suter trotz ihrer Nachwehen nach dem schweren Sturz in Cortina die Bronzemedaille. Einen Tag später sorgte Marco Odermatt in der Abfahrt für den absoluten Höhepunkt, als er mit einem Teufelsritt Weltmeister wurde und die Konkurrenz um Alexander Aamodt Kilde schon fast in Grund und Boden fuhr.
Marco Odermatt wurde zum König dieser Spiele, gewann später auch noch den Titel im Riesenslalom, seiner absoluten Paradedisziplin – und dies vor Loïc Meillard, der mit der Silbermedaille den Schweizer Freudentag perfekt machte. Odermatt ist der Schweizer Goldjunge, ein Ausnahmeathlet, der alle anderen überstrahlt. Mit 25 Jahren ist er: Olympiasieger im Riesenslalom, Doppel-Weltmeister sowie Gesamtweltcupsieger, wobei er demnächst wohl zum zweiten Mal als bester Skifahrer des Winters ausgezeichnet wird; er liegt nach 28 von 39 Wettkämpfen 313 Punkte vor Kilde. «Er kann Gesamtweltcupsieger, Olympiasieger werden – alles, was er möchte», hatte der Österreicher Marcel Hirscher, der langjährige Weltcup-Dominator, schon vor vier Jahren prophezeit. Er lag damit rückblickend richtig.
Einfädler und Hundertstel-Pech
Nur wenig fehlte, und Wendy Holdener wäre bei den Frauen zum WM-Superstar geworden. Sie wurde in der Kombination und im Parallelrennen Vizeweltmeisterin und war im Slalom auf dem Weg zum Sieg, als ein Einfädler den Goldtraum platzen liess. Bitter für die Schwyzerin, bei der danach natürlich die Tränen flossen. Ganz ohne Medaille blieb Lara Gut-Behrami, der auch im Riesenslalom das Hundertstelpech einen Strich durch die Rechnung machte – sie verpasste die Bronzemedaille um 0,09 Sekunden. Und im Slalom der Männer, der eigentlich der krönende WM-Abschluss hätte sein können oder sollen, stach keiner der vier Schweizer Trümpfe.
Superstar Odermatt und sieben WM-Medaillen: Es war eine gelungene WM, auch wenn die Ausbeute mit ein wenig mehr Wettkampfglück noch besser hätte sein können. Erfreulich ist, dass auch die Perspektiven gut sind: Wir haben die aktuellen Stars wie Odermatt, Holdener & Co., verfügen aber auch über eine zweite Garde, die im Europacup regelmässig Siege feiert und positive Schlagzeilen schreibt. Und dahinter folgt der Nachwuchs, der für die Schweiz an der vergangenen Junioren-WM Platz 1 im Medaillenspiegel sicherte. So kann die Ski-Schweiz wirklich optimistisch in die Zukunft schauen.