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Erfolgsforscher Ruedi Zahner: « Der Druck im Trainerberuf ist heute noch einmal deutlich höher als vor 10 Jahren »

Patrick

Derzeit vergeht keine Woche, ohne eine einschneidende Nachricht aus dem Trainer-Business. Hoffnungsträger fliegen, Erfolgstrainer kommen an ihre Grenzen und der Sündenbock von gestern wird an anderer Stelle zum Heilsbringer. Mit dem ehemaligen Fussballprofi, Trainer, Manager und heutigen Erfolgsforscher Ruedi Zahner unterhielten wir uns u.a. über Pep Guardiola, Marc Crawford und die Tücken des Trainerberufes.

Ruedi Zahner
Erfolgsforscher und Leadership-Mentor Ruedi Zahner ist seit über vier Jahrzehnten im und rund um den professionellen Sport tätig © www.ruedizahner.com

Fangen wir mit einer Nachricht an, die kurz nach Weihnachten die gesamte Eishockey-Schweiz überraschte: ZSC-Meistertrainer Marc Crawford trat aus persönlichen Gründen zurück und fügte an, mental nicht mehr in der Lage zu sein, seiner Mannschaft 100% zu geben. Inwiefern können Sie das nachvollziehen?

Ruedi Zahner (RZ): Aus meiner Position, ist das absolut nachvollziehbar. Dass selbst ein NHL-erprobter Coach wie Crawford diesen Schritt vollzieht zeigt, wie stressig der Trainer-Alltag ist. Der ständige Druck gewinnen zu müssen, möglicherweise an einem fremden Ort und ohne Familie, ist hart und zehrt an einem. Denn das Erlebte kumuliert sich, insbesondere im Verlauf einer langen Karriere, wie sie Crawford bis hierhin hatte. Umso mehr bewundere ich ihn für seinen Entscheid, der mit Sicherheit sehr viel Mut und auch Ehrlichkeit gegenüber sich selbst bedingte. In meinen Augen ist der Rücktritt ein grosses Zeichen der Stärke.

Wie kann ein Trainer oder eine Trainerin eine solche Situation verhindern?

RZ: Er oder sie muss schauen, dass es gar nicht erst so weit kommt. Wichtig dabei ist zu wissen, was mich erwartet. Denn der Druck und Stress im Trainerberuf sind heute noch einmal deutlich höher als vor zehn bis zwanzig Jahren. Als Trainer:in muss ich für mich einen persönlichen Weg finden, um in der Balance zu bleiben, um meinen Akku ständig wieder aufzuladen, um meine Energie zu verwalten. Gelingt das nicht komme ich an einen Punkt, an dem ich auf dem Zahnfleisch laufe, an dem ich nicht mehr jene Energie und Begeisterung habe, die es braucht, um sie auch an meine Mannschaft weiterzugeben.

Was viele dabei unterschätzen: Der Trainerberuf ist umfangreicher und anspruchsvoller geworden. Heute managen Trainer:innen ein ganzes Team von Mitarbeiter:innen und Spezialist:innen, führen sowohl nach unten, als auch nach oben. Denn im Umfeld tummeln sich immer mehr Leute, die gerne ebenfalls mitreden möchten. Das erschwert die Arbeit und zehrt an den Kräften. Hinzu kommt dann noch die generelle Ungeduld der Medien und der Öffentlichkeit. Als Trainer:in kannst du dir heute eigentlich keine Niederlage mehr erlauben, ohne dass Unruhe entsteht, du – bewusst oder unbewusst – in Frage gestellt wirst.

Sorgen machen muss man sich zur Zeit um Pep Guardiola. Auf dem Höhepunkt der Krise von Manchester City fügte er sich selbst sogar deutlich sichtbare Kratzspuren am Kopf zu. Was sagt das aus?

RZ: Dass Pep auch «nur» ein Mensch ist, ein Mensch, der leidet. Kommt hinzu, dass er die aktuelle Situation nicht kennt und von seiner Persönlichkeit her auch nicht der Typ ist, der dafür Ausreden sucht oder die Schuld auf andere schiebt. Im Gegenteil: Er nimmt das sehr persönlich, macht sich sicher – so wie ich ihn kenne – auch Vorwürfe. Und das wiederum ist zu viel des Guten.

 

Keystone_Manuel Geisser_Irgendwann zu viel_Marc Crawford tart im Dezemer aus gesudnheitlichen Grüdne zurück
Er fand seine Energie und innere Balance zuletzt nicht mehr: ZSC-Meistertrainer Marc Crawford gab sein Amt im Dezember überraschend ab. (Keystone / Manuel Geisser)

Wie werden solche «Zeichen» in einem Klub / der Mannschaft aufgenommen und wie sollte ein Trainer am besten damit umgehen?

RZ: Meiner Meinung nach mit Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Zu sich zu stehen und sich auch von seiner verletzlichen Seite zu zeigen, ist heute eine aussergewöhnliche Leadership-Qualität.  Aber natürlich setzt das Mut und Demut voraus – und löst das eigentliche Problem noch nicht. Schlussendlich ist es unabdingbar, einen Weg zu finden, um wieder zur eigenen Kraft und Energie zu kommen. Und das ist nicht so einfach in einem Business, in dem die Zeit fehlt, in dem nur der Sieg zählt und alles andere einem Scheitern gleichkommt.

Zurück nach Zürich: Crawfords Nachfolger ist mit Marco Bayer ein zwar bekannter, aber nicht zwingend renommierter Name. Worin liegt die grosse Schwierigkeit seiner Aufgabe bei den Lions?

RZ: Grundsätzlich gleicht Bayers Job bei den Lions einer Herkulesaufgabe. Einerseits kommt er völlig unerwartet zum Handkuss, denn ein Trainerwechsel bei den Lions war nicht absehbar. Andererseits trifft er auf eine Mannschaft die - bildlich gesprochen – soeben ihren Vater verloren hat, unter Schock steht. Das ist ein spezielles Spannungsfeld, in dem er jetzt erfolgreich navigieren und einen Weg finden muss. Denn der im Normalfall (Jobübernahme im Misserfolg) offensichtliche Ansatz fehlt hier komplett. Das macht Bayers Aufgabe sehr herausfordernd.

Nach schwachem Start haben sich die Lions unter Bayer mittlerweile stabilisiert. Worauf führen Sie das zurück?

RZ: Als Aussenstehender kann ich hierzu nur generell sprechen. Einerseits sind sicher Geduld und Zeit gefragt, um den erwähnten Schock zu verarbeiten, sich neu kennen zu lernen.  Andererseits halte ich es für sehr wichtig, in die Beziehung zur Mannschaft – zu den einzelnen Spielern - zu investieren. Denn schliesslich bin ich von ihnen abhängig, wenn ich meine Ideen umsetzen will. Besonders dann, wenn es in den Playoffs um alles oder nichts geht. In die Beziehung zu investieren, bedeutet aber nicht, einfach nur lieb zu sein, sondern viel mehr mit Herz und Biss zu führen. Die schlussendliche Hauptaufgabe besteht darin, eine Mannschaft zu formen, die für mich als Trainer:in durchs Feuer geht. Und genau an diesem Punkt entscheidet sich alles – Erfolg und Misserfolg.   

Zuletzt wurden mit Contini, Breitenreiter, Forte oder Tramezzani an verschiedenen Orten altbekannte Namen als Trainer verpflichtet. Gleichzeitig scheiterte mit Nuri Sahin ein junger Trainer vorzeitig. Ist Erfahrung so wichtig?

RZ. Als Trainer:in muss ich mir überlegen, ob ich wirklich für die Aufgabe bereit bin, die in diesem Moment und in diesem Klub auf mich wartet. Das bedeutet, dass ich weiss welche Herausforderungen auf mich zukommen, wie ich diesen begegnen will, dass ich einen klaren Plan habe. Wie schaffe ich es z.B. vom ersten Moment an als Autorität wahrgenommen zu werden, in der Niederlage zur Höchstform aufzulaufen, eine starke Beziehung zu meinen Spielern, zum Staff und zum Umfeld aufzubauen, sowie mit dem ganzen Stress und Druck umzugehen? Voraussetzung dafür ist, dass ich wirklich bereit bin und genau weiss, was ich will. Meine persönliche Erfahrung ist, dass viele junge Trainer:innen leider genau an diesen Punkten scheitern. Und so setzen die Vereine dann halt auch eher auf den Faktor «Erfahrung».

 

IMAGO_Oliver Ruhnke_Ein Trainer der emotional mitgeht_ mitlebt_steffen baumgart aktuell Union berlin
Ein Trainer, der die Spiele seiner Teams emotional mitlebt: Steffen Baumgart, aktuell Trainer bei Union Berlin. (IMAGO / Oliver Ruhnke)

Eine interessante Neuverpflichtung ist diejenige von Steffen Baumgart bei Union Berlin. Baumgart wurde erst Ende November in Hamburg entlassen und steht nun bereits wieder an der Seitenlinie?

RZ: Baumgart ist für mich ein Phänomen. So schnell wieder zu arbeiten ist aussergewöhnlich, denn jede Entlassung ist auch ein Stich ins Herz, ein Stachel der tief sitzt. Und diese Ereignisse gilt es zu verarbeiten; was geht auf meine Kappe und was lerne ich daraus? Stünde ich auf Klubseite in der Verantwortung, wäre das meine Frage an jeden neuen Trainerkandidaten: Welche Lehren hast du aus deiner Entlassung gezogen? War früher eine Entlassung ein Karrierekiller, so kann sie heute zu einem Karrierebeschleuniger werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass ich bereit bin, an dieser Erfahrung zu wachsen - als Leader und als Mensch!

Wäre es in dem Fall nicht besser, sich mehr Zeit zu geben, um die gemachten  Erfahrungen zu verarbeiten?

RZ:. Absolut. Ich bin definitiv der Meinung, dass ein Trainer oder eine Trainerin nach einer Entlassung Zeit benötig, um das Geschehene zu verarbeiten und den Akku wieder aufzuladen. Schliesslich geht es auch darum, eine neue Aufgabe nicht als Angeschlagener anzutreten und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Gerade für einen Trainer wie Baumgart, der sehr viel Energie ausstrahlt, viel über die Emotion kommt und ein offener Mensch ist, wäre das sehr wichtig.  

Zum Schluss: Die Schweizer Nati braucht einen neuen Co-Trainer. Welche Fähigkeiten muss dieser zwingend mitbringen, auch im Hinblick auf die Konstellation mit Cheftrainer Murat Yakin?

RZ: Zentral ist für mich in der Rolle des Assistenten die Fähigkeit, sich absolut loyal zu verhalten. Cheftrainer sollten sich zu 100% auf ihren Staff verlassen können, denn im Misserfolg stehen sie ohnehin komplett alleine im Gegenwind. Seine absolute Loyalität hat aus meiner Sicht auch Giorgio Contini in der Nati ausgezeichnet, zusammen mit seiner Fähigkeit, zu den Spielern eine gute Beziehung aufbauen zu können. Das war im Übrigen auch die grosse Stärke von Hansi Flick, erst als Assistent bei der Nationalmannschaft und dann bei Bayern, ehe er nicht zuletzt deshalb selbst zum Chef wurde. Eine Persönlichkeit, die selbst nach dem Rampenlicht strebt, ist für eine Assistentenrolle jedoch nicht geeignet. Gefragt ist Loyalität auf der ganzen Linie.

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