Ditaji Kambundji stösst in neue Sphären vor
Ditaji Kambundji hat an der Hallen-EM in Apeldoorn Historisches vollbracht. In der Europarekordzeit von 7,67 Sekunden sprintet die erst 22-jährige Bernerin zu Gold über 60 m Hürden.
Vor allem im Leistungssport spielt mentale Stärke eine entscheidende Rolle. In angespannten Situationen fokussiert zu bleiben und Bestleistungen abzurufen - die einen trainieren sich das an, andere - wie die Kambundji-Schwestern - schaffen dies mit Leichtigkeit. "Mich hat heute nichts aus der Ruhe bringen können", sagt Ditaji Kambundji im Siegerinterview. "Ich habe Freude an Meisterschaften, sie haben mich immer gepusht." Aber sie sei nicht mehr übermotiviert. "Ich kann den Fokus halten und so eine gewisse Ruhe und Gelassenheit in den Wettkampf bringen."
Auch ihre Technik-Trainerin Claudine Müller erwähnt unter anderem den mentalen Aspekt. Auf die Frage, wie sie ihre Athletin beim Einlaufen erlebt habe, meint sie. "Konzentriert, professionell, kambundjig!". Mit diesem Adjektiv kann auch Ditajis Haupttrainer Florian Clivaz, zugleich Freund und Coach von Mujinga Kambundji, etwas anfangen: "Ditaji ist ein Kambundji-Kopf. Zu hundert Prozent!", betont der Romand. Als Trainer könne man nur hoffen, dass solche Leistungen im entscheidenden Moment eintreffen. "Und bei den Kambundjis passiert das sehr oft."
"Zuerst habe ich gar nicht realisiert, was diese Zeit bedeutet", gesteht die Hürdensprinterin. "Ich war einfach froh, gewonnen zu haben." Nach Bronze und Silber in München 2022 und Rom 2024 habe sie sich nun in der Elite zu Gold hochgearbeitet. "Das ist wunderschön." Und es ist auch eine logische Folge: Denn in allen Nachwuchs-Kategorien war die Bernerin bereits Europameisterin.
"Die Zeit ist schon krass", gesteht die 22-Jährige. "Ich hätte nicht gedacht, dass sie möglich ist." 7,67 bedeutet nicht nur die Egalisierung des Europarekords von Susanna Kallur aus dem Jahr 2008. Aussagekräftiger ist die geringe Differenz von zwei Hundertstel zum Weltrekord aus dem Vorjahr. Ditaji Kambundji zählt zur absoluten Weltspitze. "Wir sind die Schweiz, aber wir sind in der Weltspitze", betont die Athletin von Swiss Athletics. "Ich freue mich auf China." Dort finden in zwei Wochen Hallen-Weltmeisterschaften statt.
Für den Quantensprung mit einer Steigerung von 13 Hundertstel müssen sich einige Puzzleteile zusammenfügen: Erhöhte Grundschnelligkeit, mehr Kraft, eine noch präzisere Technik und die Umsetzung des Potenzials in den Wettkampf. Was bei Ditaji Kambundjis Entwicklung auffällt: Sie hat das Kamikazehafte verloren. In den Juniorinnenjahren hiess es oft: Sieg oder Sturz.
"Wir haben in der Technik eine Stabilität aufgebaut, die sitzt", sagt Claudine Müller, eine auf die Hürdensprints spezialisierte Trainerin. In der Regel reist Ditaji Kambundji zweimal in der Woche zu ihr nach Basel, ansonsten trainiert sie zusammen mit ihrer Schwester und William Reais (EM-3. 200 m) in Bern und schickt die Videos der Trainingsläufe nach Basel. Jetzt feile man an Details wie beispielsweise der Armstellung, so Claudine Müller.
"Ditaji ist gesund", nennt Clivaz den wohl wichtigsten Grund für den Exploit in Apeldoorn. "Im Prinzip waren wir schon vor einem Jahr so weit, aber dann kam die Verletzung." Die Hürdensprinterin hatte sich im Olympiajahr an den Schweizer Meisterschaften am Hamstring verletzt, nachdem sie zuvor mit EM-Silber in Rom den Schweizer Rekord noch auf 12,40 Sekunden gesenkt hatte. Danach habe man alternativ trainieren müssen, alles werde komplizierter. "Heute hat nun alles gepasst: Gesundheit, Tagesform und Kambundji-Kopf."