Die Weltmeister der Herzen
Für die Goldmedaille hat es gegen Tschechien zwar nicht gereicht. Doch für die Schweizerinnen und Schweizer sind unsere Eishockey-Stars die «Weltmeister der Herzen», wie ein Augenschein beim Empfang in der Swiss Arena in Kloten zeigt.
Es ist ein ganz normaler Montagnachmittag. Weder Schulferien, noch Pfingsten oder sonst ein Feiertag. Und doch strömen die Menschen, von Kindern übers Mittelalter bis zu Pensionären, in Richtung Swiss Arena. Sogar ein Parkdienst ist im Einsatz, um den Verkehr zu regeln, die Zufahrt zum Stadion ist schon früh nicht mehr möglich.
Zwischen 1500 und 2000 Menschen sind so an diesem Nachmittag in Kloten versammelt und warten darauf, die Schweizer Eishockey-Helden in Empfang zu nehmen und zu feiern, die am Vortag in Prag Silber gewonnen haben. Und es ist ein emotionaler Anlass. «Wir haben am Morgen gemerkt, dass wir doch viel erreicht haben. Aber viel habe ich nicht geschlafen», sagt Sky-Botschafter Nico Hischier später. Er weiss, dass er wie das ganze Team stolz sein kann auf diese Silbermedaille, die er in seinem persönlichen Palmarès ganz weit oben ansiedelt. Aber: «Es tut aktuell schon noch sehr, sehr weh, dass es nicht zum Titel gereicht hat. Wir waren so nahe dran.»
In der Klotener Swiss Arena zeigt sich der Teamgeist der Schweizer. Alle streichen diesen Zusammenhalt heraus, der diese erfolgreichen Tage erst möglich gemacht hat. Man spürt, es ist etwas gewachsen in diesem Team. Es besteht eine grosse Solidarität. Von den Topstars bis zu jenen Spielern, die nur wenig Eiszeit erhielten. Das beste Beispiel sei Kevin Fiala, sagt New Jersey-Captain Nico Hischier: «Er wurde Vater und ist kurz nach der Geburt seiner Tochter an die WM gereist – da sieht man, was uns diese Auftritte für unser Land bedeuten.» Dies widerspiegelt sich übrigens auch beim Ertönen der Schweizer Nationalhymne, die den offiziellen Teil dieser Medaillenfeier abschliesst. Tristan Scherwey unterbricht schnellstens ein Interview, um sich zurück auf der Bühne zu seinen Kollegen zu gesellen, die sich umarmen und den Schweizerpsalm mitsingen.
Es sind emotionale Momente in Kloten. Vor allem beim Auftritt von Kevin Fiala, der als wertvollster Spieler des ganzen WM-Turniers ausgezeichnet worden war. «Wir sind sehr dankbar für den Empfang. Es war sehr traurig», sagt der Stürmer der Los Angeles Kings, um in Anspielung auf den zuvor gezeigten WM-Rückblick anzufügen: «Diese Szenen jetzt nochmal zu sehen, ist nicht einfach.» Als Moderatorin Daniela Milanese ihm sagt, dass er alle stolz gemacht habe, übernimmt es den besten Schweizer Skorer dieser WM (sieben Tore, sechs Assists) vollends und fliessen bei Fiala die Tränen.
Wie alle Spieler und Staff-Mitglieder kämpft auch Nationalcoach Patrick Fischer bei diesem wunderbaren Empfang mit der Enttäuschung über das verpassen des grossen Coup. «Für mich sind die Jungs Weltmeister», sagt er über sein Team, um dann zu versprechen: «Wir geben nicht auf, jetzt brennt es im Herzen, aber wir machen weiter. Merci!» Und Captain Roman Josi bedankt sich bei allen Fans, die nach Kloten gekommen sind und sagt: «Ein solcher Empfang ist nicht selbstverständlich!»
35 Tore haben die Schweizer an der WM erzielt. 35 Mal sorgte der Tor-Song «Richi» von der Stubete Gäng in den Stadien für Begeisterung und Stimmung. Entsprechend laut wird es an diesem Montag in der Klotener Swiss Arena, als die Stubete Gang den Song live auf der Bühne performt. Man stellt sich vor, was in diesem Tollhaus wohl losgewesen wäre, wenn die Schweizer Eishockey-Nati ihren ersten WM-Titel überhaupt gewonnen hätte, aber dieses entscheidende Tor fällt nicht und so bleibt auch das weltmeisterliche «Richi» leider aus.
«Ein solcher Empfang macht Lust auf mehr», sagt Nico Hischier. Und wer weiss, vielleicht tun die Schweizer es ja in zwei Jahren den Tschechen gleich und stürmen bei der Heim-WM ebenfalls zu WM-Gold. Klar ist, dass die Konstellation für einen solchen Coup ebenso günstig sein muss wie in diesem Jahr. Dass unsere Topstars in der NHL die Playoffs verpassen oder früh scheitern müssen, um dann noch die WM bestreiten zu können – was wir ihnen natürlich nicht wünschen. Aber nach den verlorenen Finals 2013, 2018 und 2024 wäre WM-Gold halt schon auch mal schön…