"Die Mannschaft funktioniert, egal wer spielt"
Seit der Verpflichtung von Tomas Oral als Trainer treten die Grasshoppers deutlich stabiler auf. Captain Amir Abrashi hebt das entstandene Wir-Gefühl heraus, warnt aber auch.
Amir Abrashi erscheint gut gelaunt zum Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf dem Campus des Grasshopper Club Zürich. Die Erleichterung nach dem 1:0 am vergangenen Sonntag gegen die Young Boys, dem ersten Heimsieg seit dem 3:1 gegen Sion am 24. August des vergangenen Jahres, ist dem 34-jährigen defensiven Mittelfeldspieler anzumerken. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, seine enorme Leidenschaft für den Verein ist klar zu spüren.
Die Verbundenheit zu den Grasshoppers ist auf Abrashis Kindheit zurückführen. In Bischofszell im Kanton Thurgau aufgewachsen, erlebte er sein erstes Spiel als Zuschauer einer Partie in der höchsten Schweizer Liga im Hardturm, dem damaligen Stadion des Zürcher Vereins. "So entstand die Verbindung zum Klub. GC war damals eine grosse Macht im Schweizer Fussball, es war für mich ein Traum, mal dort zu spielen", erzählt Abrashi.
Dieser Traum ging in Erfüllung. Im Sommer 2010 wechselte er von Winterthur zu den Grasshoppers, für die er am 17. Juli 2010 in der damaligen NLA gegen Neuchâtel Xamax debütierte. 2015 zog es ihn nach Deutschland zum SC Freiburg, mit dem er 2016 in die Bundesliga aufstieg. Im Januar 2021 wurde er bis zum Ende der Saison an den FC Basel ausgeliehen, ehe er zu GC zurückkehrte. "Mir gefiel es auch bei Freiburg, aber die Verbundenheit zu GC ist eine komplett andere", sagt Abrashi. Darum leide er enorm, wenn es nicht laufe. Es falle ihm dann schwer abzuschalten.
Zu Leiden gab und gibt es für Abrashi einiges. In der ersten Saison nach der Rückkehr entgingen die Grasshoppers hauchdünn der Barrage gegen den Zweiten der Challenge League, vor einem Jahr retteten sie sich in dieser gegen Thun in extremis. Abrashi sprach danach von einem der schönsten Momente. Doch auch in dieser Saison geht es gegen den Abstieg. Nach 26 Runden liegen die Zürcher auf dem drittletzten Platz, der Vorsprung auf das Schlusslicht Winterthur beträgt sechs Punkte, jener auf den Vorletzten Yverdon einen.
Dennoch ist die gute Laune von Abrashi verständlich, nicht nur aufgrund des Sieges gegen den aktuellen Schweizer Meister. Die Entlassung von Marco Schällibaum am 5. November brachte den gewünschten Effekt, unter dessen Nachfolger Tomas Oral tritt die Mannschaft bislang sehr stabil auf. Hatte GC in den 13 Meisterschaftsspielen mit Schällibaum in der Verantwortung bloss neun Punkte geholt, sind es in den zwölf Partien unter dem Deutschen 17 Zähler. Die einzige Niederlage unter Oral in der Super League setzte es Mitte Februar im Heimspiel gegen Servette ab (1:2 nach einer 1:0-Führung).
Die Grasshoppers hätten gar noch einige Zähler mehr holen können, wenn nicht müssen. So kassierten sie unter Oral nicht weniger als fünfmal nach der 82. Minute den Ausgleich, davon zweimal in der Nachspielzeit. Abrashi führt dies auf eine gewisse Naivität angesichts der jungen Mannschaft zurück.
Was ist nun anders? "Wir haben ein Wir-Gefühl entwickelt", sagt Abrashi. "Oral ist knallhart. Er schaute von Anfang darauf, dass Ordnung herrscht und wir eine Einheit werden." Während früher jeder Spieler nach dem Training dann ass, wann er wollte, wird das Mittagessen nun gemeinsam eingenommen. Den Trainingsplatz betritt die Mannschaft jetzt geschlossen. Das führt zu mehr Gesprächen untereinander, was in der heutigen Zeit umso wichtiger ist. "Sonst ist jeder für sich und schaut auf sein Handy", sagt Abrashi.
Der schweizerisch-albanische Doppelbürger hat im vergangenen Dezember den Vertrag mit GC um eine weitere Saison bis 2026 verlängert. Über wie viel Energie er nach wie vor verfügt, ist auf dem Platz zu sehen. Er hat seinen Weg gefunden, fit zu bleiben, absolviert spezielle Übungen und geht einmal pro Woche zu einem Osteopathen. Dennoch schaut er nur noch von Jahr zu Jahr. Klar ist für ihn aber, dass er dem Fussball auch nach dem Karriereende erhalten bleibt, und dies nach Möglichkeit bei den Grasshoppers. Ein Leben ohne Fussball kann er sich nicht vorstellen. Deshalb er hat mit der Ausbildung zum Trainer begonnen.
Vorerst gilt Abrashis ganzer Fokus aber der aktuellen Meisterschaft, möchte er mit GC die positive Tendenz fortsetzen. Am Samstag ist auswärts St. Gallen der Gegner. "Unter Oral fühlt sich jeder wichtig. Die Mannschaft funktioniert, egal wer spielt. Das hinzubekommen, ist das Schwierigste für einen Trainer", sagt Abrashi. "Die Jungs geben Gas ohne Ende, wir sind fit wie noch nie. Die Trainings sind zwar hart, dennoch machen sie Spass. Du kommst gerne wieder auf den Campus." Trotz aller Lobeshymnen warnt Abrashi aber auch immer wieder im Gespräch: "Wir haben noch nichts erreicht. Das muss uns allen bewusst sein." Schliesslich möchte Abrashi die gute Laune behalten.