Der heisse Kampf um die grosse Kugel beginnt
Vorhang frei! Am Samstag eröffnen die Ski-Stars in Sölden die neue Weltcupsaison. Es fällt auch der Startschuss im neuen Kampf um den Gesamtweltcup – im Fokus dabei sind Titelverteidigerin Lara Gut-Behrami, Mikaela Shiffrin und Federica Brignone.
Die Schweizerin, die Amerikanerin und die Italienerin gehören seit Jahren zur Crème de la Crème im Frauen-Zirkus und drücken immer wieder den Stempel auf. Seit 2016 teilen sie den Gewinn der grossen Kristallkugel fast unter sich auf: fünfmal gewann Shiffrin, zweimal Gut-Behrami und einmal Brignone. In diesem Kampf auf höchstem Niveau könnte natürlich auch Petra Vlhova, Gesamtsiegerin 2021, mitmischen, doch die Slowakin befindet sich noch immer auf dem Weg zurück nach ihrem Kreuzbandriss, den sie sich Ende Januar zugezogen hat, braucht noch Zeit, um auf die Weltcup-Pisten zurückzukehren und wird so die drei Top-Favoritinnen kaum beunruhigen können.
Im letzten Winter knackten Gut-Behrami (1716 Punkte), Brignone (1581) und Shiffrin (1409) als einzige Athletinnen die 1000-Punkte-Marke, was vor allem bei Shiffrin bemerkenswert ist, da sie nach ihrem Abfahrtssturz Ende Januar in Cortina und ihrer Knieverletzung wochenlang pausieren und auf 14 Rennen verzichten musste. Ohne dieses Malheur hätte sie beste Chancen gehabt, mit Rekordsiegerin Annemarie Moser-Pröll (sechsmal Gesamtsiegerin) gleichzuziehen.
Grosse Ambitionen auch ohne Abfahrten
Die Verletzung kostete sie nicht nur Punkte, sondern hinterliess auch Spuren. Erst kürzlich verriet die Amerikanerin, deren Verlobter Aleksander Aamodt Kilde nach seinem Sturz am Lauberhon die ganze Saison verpassen wird, dass sie in diesem Winter keine Abfahrten bestreiten wird. Eines Tages würde sie gerne wieder Abfahrten bestreiten, so Shiffrin, «aber wir werden sehen, wie es läuft». Gleichzeitig stellte sie vor dem Auftakt in Sölden klar, dass sie von Lara Gut-Behrami die grosse Kugel zurückerobern will, das sei ihr Leitstern für den WM-Winter.
In Sölden werden am Samstag viele Augen auf Shiffrin gerichtet sein. Sie fuhr auf dem Rettenbachgletscher in ihrer Karriere bereits sechsmal aufs Podest (zweimal Sieg, dreimal Rang 2, einmal Rang 3) – so oft wie keine andere. Nur: Rekordsiegerin ist Lara Gut-Behrami, die wie die längst zurückgetretene Tina Maze dreimal gewann; dazu kommt noch ein zweiter Platz. Und auch die Bilanz von Brignone lässt sich sehen: ein Sieg, drei zweite Plätze.
17. Weltcup-Saison für Gut-Behrami
Für Lara Gut-Behrami, mittlerweile 33 Jahre alt, beginnt in Sölden ihre 17. Weltcup-Saison – und die nimmt sie, nachdem ihr neuer Konditionstrainer Flavio Di Giorgio in der Vorbereitung neue Impulse setzte, top motiviert in Angriff, wie sie kürzlich erklärte, es scheint gar, als sei das mögliche Ende ihrer Karriere weiter nach hinten gerückt. «In diesem Sommer hatte ich im Training so viel Spass, dass ich mir dachte: Warum nicht noch ein zweites Jahr? Es machte so viel Spass, dass es schade wäre, es nicht noch ein zweites Jahr zu machen.»
Es wäre schön für die Ski-Schweiz – und für Lara Gut Behrami, die aktuell 45 Weltcupsiege auf ihrem Konto hat. Damit liegt sie auf Rang 6, einen Triumph hinter der Österreicherin Renate Götschl und zehn Siege hinter der besten Schweizerin, Vreni Schneider. Letzte Saison gewann die Tessinerin acht Weltcuprennen – die Marken von Götschl und Schneider sind also in Gefahr. Kein Thema ist dagegen die Nummer 1. Da thront Mikaela Shiffrin mit 97 Siegen vor Lindsey Vonn (82) und Annemarie Moser-Pröll (62). Es braucht nicht viel Fantasie für den Gedanken, dass die Amerikanerin schon bald die 100-Siege-Marke knackt.
So oder so gehören Gut-Behrami und Shiffrin in Sölden zu den heissesten Anwärterinnen auf den obersten Podestplatz, mit dem sie auch den Kampf um den Gesamtsieg perfekt lancieren könnten. Und der könnte sehr ausgeglichen, eine enge Kiste werden. Gut-Behrami hat Vorteile in der Abfahrt und im Super-G, Shiffrin kann im Slalom abräumen; im Riesenslalom scheinen beide in etwa gleichauf zu sein. Und die Italienerin Brignone hat ihre absoluten Stärken im Riesenslalom und im Super-G, stand aber auch schon insgesamt siebenmal in der Abfahrt auf dem Podest und hat mit Rang 12 ein respektables Bestresultat im Slalom.
SRF-Expertin Tina Weirather traut trotz der grossen Konkurrenz Gut-Behrami den erneuten Gewinn des Gesamtweltcups zu, wie sie kürzlich gegenüber dem «Blick» erklärte: «Lara hatte letzte Saison unglaublich starke Phasen. Wenn sie diese Leistungen heuer durchgehend zeigen kann, kann sie es wieder schaffen. Ihre Hauptkonkurrentin ist Shiffrin. Sollte sie diesmal keine Rennen verpassen und so fahren, wie man sie kennt, wird es für alle anderen schwierig. Dass Shiffrin diese Saison keine Abfahrten bestreiten wird, könnte das Feld etwas öffnen. Allerdings hat sie dann immer noch drei Disziplinen, in denen sie in jedem Rennen zu den Topfavoritinnen gehört, also gleich viele wie Gut-Behrami.»