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Der ewige WM-Vierte, der doch noch Weltmeister wurde

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Franz Heinzer spricht im Interview über seine Leidenszeit an Weltmeisterschaften, den Abfahrts-WM-Titel 1991 in Saalbach und darüber, weshalb das Schweizer Speed-Team der Männer so erfolgreich ist.

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Abfahrts-Weltmeister Franz Heinzer jubelt bei der Siegerehrung 1991 in Saalbach-Hinterglemm © KEYSTONE/STR

Franz Heinzer gab 1981 in Kitzbühel als 18-Jähriger mit Rang 8 ein glänzendes Weltcup-Debüt. Seine grössten Erfolge feierte der Schwyzer jedoch vergleichsweise spät in der Karriere. 1991 in Saalbach-Hinterglemm versöhnte sich Heinzer mit dem Titelgewinn in der Abfahrt mit Weltmeisterschaften, an welchen er zuvor nie besser als Vierter geworden war. Insgesamt gewann er vier Kristallkugeln (drei in der Abfahrt, eine im Super-G) und 17 Weltcup-Rennen, elf davon ab Dezember 1990 bis Januar 1993.

Heinzer gab im Februar 1994 per Ende Saison seinen Rücktritt als Aktiver bekannt. 2002 kehrte er auf Anfrage von Karl Frehsner in den Skirennsport zurück, zunächst als Speed-Assistenztrainer im Weltcup. Seit über 15 Jahren ist der Ex-Weltmeister auf Stufe Europacup tätig, wo er sich darum kümmert, dass mit grosser Regelmässigkeit gut ausgebildete Schweizer Speed-Talente den Weg nach oben finden.

Franz Heinzer, was sind Ihre Erinnerungen an den 27. Januar 1991?

"Dass ich an diesem Tag alles andere, aber sicher nicht mehr Vierter werden wollte. Denn WM-Vierter in der Abfahrt, das hatte ich schon hintereinander in Schladming (1982), Bormio (1985) und in Crans-Montana (1987) erleben müssen."

1989 in Vail durften Sie die Abfahrt gar nicht bestreiten, weil Sie in der internen Qualifikation der Schweizer scheiterten. Konnten Sie am Start in Saalbach Ihre Erfahrungen an früheren Weltmeisterschaften einfach so ausblenden?

"Nicht komplett. Die früheren Geschehnisse mit den drei vierten Rängen waren irgendwo präsent. Nachdem mir das in Crans-Montana zum dritten Mal passiert war, kämpfte ich zwei Wochen stark mit mir, ob ich meine Karriere überhaupt fortsetzen soll. Nochmals Vierter zu werden, das war wirklich wie ein Hammer, der auf mich niederging."

Sie entschieden sich dann aber doch zum Weitermachen.

"Zum Glück hatte ich zu diesem Zeitpunkt der Saison schon einen Sieg errungen (Anfang Januar 1987 in Laax - Red.). Das gab den Ausschlag, dass ich weiterfuhr. Ich sagte mir, dass ich einer der privilegierten Fahrer bin, weil ich schon aufs Podest gefahren bin. Damit versicherte ich mir, dass ich das nötige Talent und die Begabung hatte. Ich sah es danach fast als Verpflichtung an, das Blatt in meiner Karriere noch zu wenden. Was mir, im Alter von 28 bis 32 Jahren, auch gelang."

Kehren wir zum Tag der WM-Abfahrt in Saalbach zurück. Ihre vierte WM-Abfahrt begann schlecht.

"Ja. Im oberen Teil unterlief mir ein Fehler, ich lag drei, vier Zehntel zurück. Danach gab es für den unteren Teil nur noch volles Risiko. Dass es aufging und ich den Titel holen konnte, war eine unglaubliche Genugtuung für mich."

Speziell in Saalbach war noch, dass zwei Tage vor der WM-Abfahrt der langjährige Männer-Cheftrainer Karl Frehsner wegen eines Streits mit der Verbandsführung abreisen wollte. Nach einem Hin und Her blieb er dann doch, der Rücktritt als Cheftrainer erfolgte nicht per sofort, sondern per Ende Saison. Hat Sie dieser Streit nicht belastet?

"Nein. Vielmehr wollte ich auch noch für Karl ein gutes Rennen fahren und Weltmeister werden."

Wo ordnen Sie diesen Titel ein?

"Meine drei Kristallkugeln in der Abfahrt und auch diejenige im Super-G sind vom Leistungsausweis her höher einzustufen, weil da ging es um Leistungen über drei, vier Monate und auf bis zu zehn verschiedenen Strecken. Da der Beste zu sein, hat mir mehr bedeutet. Bei der WM geht es darum, an einem einzelnen Tag der Beste zu sein."

Erinnern Sie sich noch, dass Sie nach Ihrem Triumph in rund einem Dutzend Restaurant waren in Saalbach?

"Stimmt, das war fast wie ein Marathon. Wir wohnten mitten in Hinterglemm. Mein Fanclub war vor Ort. Es wurde viel getrunken, das gehört auch dazu."

An was erinnern Sie sich sonst noch?

"Dass mich der Werbechef der Firma Atomic über den Bach getragen hat. Das hatte er angekündigt für den Fall, dass ich Weltmeister werden sollte. Diese Aktion stiess auf riesiges Interesse, er war dann wirklich bis Mitte Bauch im Bach. Es war ein zünftiges Fest, ehe es am Nachmittag danach im Helikopter nach Hause ging."

Da wurde ebenfalls gefestet, obwohl es Montag war.

"In Schwyz gab es einen riesigen Empfang für mich. Den werde ich nie vergessen. Unser Hauptplatz war pumpenvoll mit 8000 Leuten, obwohl es minus acht oder zehn Grad kalt war. Einmalig, unglaublich."

Werden Sie an der diesjährigen WM-Abfahrt dabei sein?

"Wie alle anderen Weltmeister von 1991 habe ich von den Saalbacher Organisatoren eine Einladung für die Eröffnungsfeier erhalten. Ich wäre sehr gerne dabei, aber wahrscheinlich reicht es nicht. Genau an diesen Tagen sind wir Schweizer für Abfahrts-Trainings in Crans-Montana, wo kurze Zeit später Europacup- und dann auch Weltcup-Rennen stattfinden werden."

Was erwarten Sie von den Schweizern in Saalbach?

"Wenn sie gesund bleiben und die bisherige Leistungskonstanz weiterziehen können, dann dürfen wir sehr zuversichtlich sein und mit grossen Erfolgen rechnen."

Ein besonderer Ort für Sie ist auch Kitzbühel, wo Sie dreimal gewannen und als 18-Jähriger Ihr Weltcup-Debüt gegeben haben. Mit Startnummer 45 zeigten Sie auf der Streif einen wilden Ritt, mit Rang 8 holten Sie gleich Ihre ersten Punkte.

"Alle sprachen immer von diesem Kitzbühel und wie schwierig die Streif ist. Dann kam ich dahin und war im ersten Training gleich Dritter. Das gab mir sehr riesiges Selbstvertrauen."

Tönt sehr einfach, wie Sie die Streif beschreiben.

"Natürlich brauchte auch ich grosse Überwindung. Als ich aus der damals noch kleinen Starthütte hinausblickte und die Nebelbank gleich bei der Mausefalle sah, da spielte ich schon kurz mit dem Gedanken, auf den Start zu verzichten. Ebenso hatte ich im ersten Training grosses Glück gehabt, dass ich an zwei, drei Stellen nicht gestürzt bin. Mit einer Verletzung hätte es wieder ganz anders ausgesehen."

Aber alles lief gut.

"Ich wurde Achter, eine Woche später am Lauberhorn 13. und Ende Saison in Aspen sogar Dritter. Damit war ich etabliert und gehörte dazu. Dass ich zum Beispiel da schon schneller war als Franz Klammer, mein langjähriges Idol damals, machte mich sehr stolz."

Ein 18-Jähriger, der auf der Streif gleich punktet. Wäre das heute auch noch möglich?

"Eher nicht. Heutzutage ist es so, dass je mehr Kraft und Druck du auf die mehr taillierten Ski gibst, desto mehr Druck erhältst du zurück. Ein 18-Jährige kann das gar nicht halten."

Franjo von Allmen gehört aktuell zu den jüngsten Fahrern und ist 23.

"Im Verhältnis entspricht das wohl den 18 Jahren in meiner Zeit. Er ist äusserst jung für einen Abfahrer. Ich habe die Startliste in Kitzbühel genau angeschaut. Wir Schweizer haben im Vergleich mit anderen Nationen einige sehr junge Fahrer, die im Weltcup zudem schon Erfolge gefeiert haben. Sie sind früh schon sehr weit. Franjo, der körperlich extrem gut beieinander und auch sehr cool ist, ist erst recht eine Ausnahme."

Was macht die Schweiz im Speed-Bereich so stark?

"In der Schweiz gibt es U18- und U21-Speed-Kurse. Da gehe ich auch immer hin, um zu schauen, welche Talente sich wieder zeigen. Wir haben in der Schweiz auch das Glück, dass wir im Sommer auf abgesperrten Pisten schon viele Speed-Kilometer absolvieren können."

Gibt es noch mehr Gründe?

"Natürlich ist auch das ganze Umfeld sehr professionell. Wenn ein Fahrer bei uns auf dem Radar ist, dann gibt es für ihn wie einen roten Faden, der bis nach oben durchläuft. Von mir geht es für einen guten Fahrer weiter zur Weltcup-Gruppe von Vitus Lüönd. Die Fahrer sind immer dort im Einsatz, wo es ihnen am meisten bringt. Alle ziehen am gleichen Strick, wir haben eine hervorragende Zusammenarbeit unter den verschiedenen Gruppen."

Jeder Athlet sieht den Weg, den er gehen kann.

"Wenn meine Fahrer im Europacup sehen, was Franjo von Allmen, der vor zwei Jahren noch mit ihnen im gleichen Kader war, jetzt im Weltcup macht, dann verleiht ihnen das zusätzlich Schub. Sie wissen, dass die Voraussetzungen und Trainingsbedingungen für sie auch stimmen."

Wie wichtig ist der gute Team-Geist, der bei den Schweizern herrscht?

"Die Schweizer machen das seit einigen Jahren sehr gut. Denn sind wir ehrlich: Ski ist ein knallharter Einzelsport. Aber jeder Fahrer ist darauf angewiesen, mit anderen gute Trainings zu haben. Auch die Funksprüche bei den Rennen gehören für mich dazu. Ich betone es gegenüber meinen Fahrern immer wieder: 'Helft einander!' Dabei profitiert einmal der eine Fahrer mehr, ein anderes Mal wieder der andere. Wenn da alle am gleichen Strick ziehen, kommen alle vorwärts."

Wenn Sie einen Fahrer zum ersten Mal sehen: Erkennen Sie sofort, ob er das Speed-Gen hat?

"Das erkennt man nicht immer so schnell wie bei Beat Feuz. Wenn ein Athlet frisch in meine Gruppe kommt, dann erfolgt eine genaue Übergabe und ein klares Gespräch mit seinem früheren Trainer. Aber bis ich die Stärken und Schwächen eines Fahrers genau kenne und ich ihn richtig coachen kann, dauert es rund ein Jahr. Ob einer bereit ist, alles für den Sport zu geben und er Talent hat, merkt man allerdings recht schnell."

Was heisst für Sie Talent?

"Wenn ein Fahrer im richtigen Moment instinktiv das Richtige macht. Um einen Sturz zu verhindern, bleibt dir keine Zeit zum Überlegen. Talent ist auch, wenn du bei einem Tor zu tief gerätst, dann aber innert zwei, drei Passagen und quasi ohne Zeitverlust wieder zurück auf der Ideallinie bist."

Ihr Weg als Trainer ist eher ungewöhnlich. Sie begannen 2002 im Weltcup, nach fünf Jahren auf der obersten Stufe gingen Sie eine Stufe runter in den Europacup. Weshalb?

"Die Zeit im Weltcup mit Fahrern wie Didier Cuche, Didier Défago, Ambrosi Hoffmann, Bruno Kernen und den Grünenfelders war gut und interessant. Dann kam aber von unten nichts mehr nach. Der damalige Cheftrainer Martin Rufener beauftragte mich deshalb, mal zu schauen, wie das auf den unteren Stufen im Speed-Bereich genau funktioniert. Ich habe diese Aufgabe gerne gemacht und auch gemerkt, dass ich da etwas bewegen kann. Das hat mich motiviert."

Wollten Sie nie in den Weltcup zurück?

"Es gab schon zwei, drei Mal die Situation, dass ich mit Athleten, von denen ich dachte, dass sie oben durchstarten könnten, gerne aufgestiegen wäre. Weil es eben seine Zeit braucht, einen Athleten kennenzulernen, hätte ich einige gerne mal drei, vier Jahre begleitet. Aber weil wir jetzt zwischen den Gruppen schon seit längerem so gut zusammenarbeiten und ich weiss, dass die Athleten ihren Weg auch in den anderen Gruppen sehr gut weitergehen und sich entwickeln können, mache ich meinen jetzigen Job nach wie vor sehr gerne. Ich freue mich für jeden, der oben Erfolg hat und dass ich ein kleines Mosaiksteinchen auf seinem Weg sein durfte."

Sie sind 62 Jahre alt. Wie weit voraus planen Sie?

"Im Moment habe ich gute Fahrer und ein gutes Team. Wir sind zusammen erfolgreich und haben Spass. Ich sehe das Schöne des Jobs, ich kann etwas bewegen. Es passt."

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