Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne auf das bevorstehende Ende der Ära von Thomas Müller und erklärt, was er jetzt an Müllers Stelle machen würde.
Wenn der Vertrag von Thomas Müller bei Bayern München nicht verlängert werden sollte, würde dies in erster Linie eins bedeuten: Klarheit. Für uns alle ist es mit das Wichtigste im Leben zu wissen, woran wir sind.
Thomas ist einer der verdienstvollsten und wichtigsten Spieler der Bayern-Geschichte. Einer, der eine der erfolgreichsten Perioden des Vereins mitgestaltet hat. Ein Aushängeschild und Gesicht des Klubs.
Aber irgendwann muss man auch das auf sich zukommende Ende erkennen. Bayern München hat höchste Ziele, aber Thomas wird nicht jünger und der Fussball wird nicht langsamer.
Für Müller hat es mir leidgetan
Er ist 35 Jahre alt, hat nicht mehr die Power und die Geschwindigkeit, die du brauchst, um auf seiner Position auf diesem Niveau den Unterschied auszumachen. Natürlich hat er Erfahrung, nach wie vor eine gewisse Schlitzohrigkeit und ist wichtig für seine Mitspieler, aber immer nur für zwei oder fünf Minuten würde ich an seiner Stelle nicht spielen.
Ich selbst habe damals noch gegen Real Madrid von Anfang an gespielt, bevor ich mit knapp 39 nach New York gegangen bin. Aber mein Kopf hat nicht mehr mitgespielt. Ich wollte noch einmal etwas Neues erleben und deswegen habe ich um die Freigabe gebeten.
Vielleicht ist Thomas mit seiner Situation zufrieden, ich kenne seine Gedanken nicht, aber von aussen betrachtet hat es mir leidgetan, dass ein Spieler mit seinen Verdiensten gegen Celtic für 90 Sekunden auf den Platz geschickt wurde. Er hat darauf reagiert, aber ist er wirklich zufrieden?
Die USA wären eine interessante Erfahrung
Ich muss ihm keinen Rat geben, er ist lange genug dabei, aber ich habe es schon vor zwei Monaten gesagt: In den USA gibt es Möglichkeiten, nicht nur als Spieler und Gesicht der MLS, sondern auch mit Blick auf die WM im kommenden Jahr. Als Gesicht des deutschen Fussballs der vergangenen 15 Jahre könnte er dort die Werbetrommel rühren. Es wäre eine interessante Erfahrung für ihn und er müsste die Fussballschuhe nicht an den Nagel hängen.
Viele Spieler haben es vorgemacht, wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller oder ich. Marco Reus ist jetzt in den USA. Warum also nicht? Thomas muss für sich entscheiden, er muss es wollen. Aber ich glaube, dass es für ihn spannend sein könnte, dort zwei Jahre Erfahrungen zu sammeln und danach nach München zurückzukehren.
Dann wäre es besser, dass Buch jetzt zuzuklappen
In welcher Funktion man ihn in Zukunft beim FC Bayern einsetzt, ist heute nicht das Thema. Man hat für so viele Leute eine Position gefunden oder neu erschaffen, da gäbe es für Thomas einige Möglichkeiten. Der FC Bayern würde gut daran tun, ehemalige Gesichter des Vereins nach ihrer Karriere einzubinden.
Wichtig ist, dass der Abschied als Spieler in Ruhe abläuft, nicht wie bei mir damals mit dem Ärger um das Abschiedsspiel. Es ist zwar jetzt kein schöner Moment, aber wenn der Verein wirklich nicht mehr mit ihm verlängern will, ist es besser, dass Buch jetzt zuzuklappen als vor den Viertelfinalspielen in der Champions League gegen Inter Mailand oder vor einem möglichen Halbfinale.
Das Geld wurde vielleicht nicht immer sinnvoll eingesetzt
Man weiss auch, dass der FC Bayern sparen muss. Müller würde bei einer Verlängerung zwar nicht den Vertrag bekommen, den er vorher hatte, aber trotzdem wäre es die eine oder andere Million. In den vergangenen fünf, sechs Jahren wurde beim FC Bayern hier mal ein Milliönchen und da mal ein Milliönchen ausgegeben.
Von aussen betrachtet, schien viel Geld vorhanden zu sein, es wurde aber vielleicht nicht immer sinnvoll eingesetzt. Transfers wie die von Hernandez, Mane oder Palhinha hatte man in dieser Grössenordnung vorher nie gesehen, nicht nur was die Ablösesummen angeht, sondern auch was die Gehälter betrifft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Festgeldkonto, von dem Uli Hoeness immer gesprochen hat, noch so aussieht wie vor zehn oder 20 Jahren.
Hoeness hadert mit wirtschaftlicher Situation
Ich habe keinen Kontakt zu Uli, aber seine jüngsten Aussagen zeigen, dass er besonders mit der wirtschaftlichen Situation des Vereins nicht zufrieden ist. Das betrifft nicht nur aktuell die Zeit mit Max Eberl, sondern schliesst auch die Zeit davor mit Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic ein - auch wenn er diese damals selbst eingestellt hat.
Transfers, Abschlagszahlungen für entlassene Trainer. Es gab so viele Baustellen in den vergangenen Jahren, und das nagt an Hoeness. Er den Verein seit 50 Jahren als Spieler, Manager und Präsident aufgebaut, aber zufrieden ist Uli momentan nicht.
Leipzig steht vor Mammutaufgaben
Die Entlassung von Marco Rose als Trainer in Leipzig war eine logische Konsequenz der Entwicklungen der vergangenen Monate. Das RB-System funktioniert nicht mehr so wie früher. Es fängt an beim Scouting, den Akademien, aber es fehlen die Perlen wie Haaland oder Szoboszlai, die von Salzburg aus in die Welt hinaus gegangen sind.
In der Bundesliga den Rückstand auf Platz aufzuholen, ist für Leipzig und Interimstrainer Zsolt Löw eine Mammutaufgabe, genau wie im Pokal in Stuttgart weiterzukommen und möglicherweise im Endspiel gegen Leverkusen zu gewinnen.
Leipzig hat nach wie vor eine konkurrenzfähige Mannschaft. Sie kann von der Qualität her zwar nicht mit den ganz Grossen mithalten, aber in einzelnen Spielen kann man auch mal gegen einen ganz Grossen gewinnen, und daran muss man glauben.