Cédric Zesiger geht im neuen Klub auf Rekordjagd
Nach schwieriger Vorrunde in Wolfsburg blüht Cédric Zesiger in Augsburg auf. Im Interview spricht der 26-jährige Verteidiger über den neuen Spitznamen, die Geburt des Sohnes und seine Zukunftswünsche.
In der Bundesliga macht ein Schweizer Innenverteidiger mit einer besonderen Serie auf sich aufmerksam: Sieben Spiele hat Cédric Zesiger seit seinem Wechsel im Winter bestritten, sieben Mal blieb sein Team ohne Gegentor. Dabei spielt er nicht etwa für den Überflieger Bayern München, sondern für den "kleinen Nachbarn" aus dem gleichen Bundesland, den FC Augsburg.
Ein Verein, der zum Kämpfer Zesiger passt. Gerardo Seoane, Zesigers ehemaliger Trainer bei den Young Boys, bezeichnete ihn als "robust und kopfballstark". Allein mit seiner Körpergrösse von 1,94 m beeindruckt der Berner Seeländer. Gleichzeitig attestierte Seoane Zesiger einen "feinen Charakter" und eine "gute Mentalität".
Nach vier Spielzeiten, in denen er mit den Bernern drei Meister- und zwei Cuptitel holte, wechselte Zesiger 2023 nach Wolfsburg. Dort wollte er sich als Stammverteidiger etablieren, geriet zuletzt aber aufs Abstellgleis. Die Leihe nach Augsburg gab Zesiger neuen Mut, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA verrät.
Cédric Zesiger, es gibt Phasen im Leben, da läuft plötzlich alles wie geschmiert. Erleben Sie gerade eine solche Phase?
"Im Moment kann ich mich wirklich nicht beklagen. Ich geniesse es, wie es derzeit läuft, privat wie auch im Fussball. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich mich nicht auf dem Erfolg ausruhen kann. Wir wissen, wie schnell es im Fussball gehen kann."
Da spricht die Erfahrung. In Wolfsburg starteten Sie als Stammspieler in die Saison, wurden dann aber auf die Ersatzbank verbannt.
"Es war, das muss man ehrlich sagen, keine einfache Zeit in der Vorrunde. Ich bin mit der klaren Vorstellung in die Saison gegangen, nach einer guten ersten Saison in Wolfsburg den nächsten Schritt zu machen. Dann zu merken, dass man plötzlich nicht mehr die erste Wahl ist, das ist hart. Letztlich gehört das leider zu unserem Beruf, solche Phasen gibt es auch. Umso mehr freut es mich, dass ich hier wieder das Vertrauen spüre - und der aktuelle Erfolg macht alles noch besser."
In Augsburg hat Trainer Jess Thorup sofort auf Sie gesetzt. Am 13. Januar haben Sie den Leihvertrag unterschrieben, zwei Tage später standen Sie beim Auswärtsspiel in Berlin gleich in der Startelf.
"Es war schon etwas Besonderes, nach dem ersten Training mit der Mannschaft gleich auf dem Platz zu stehen. Der Trainer hat mir gesagt: 'Wir wollen, dass du spielst. Mach dein Ding, gib alles, hilf der Mannschaft. Ich übernehme die Verantwortung.' Mit diesem Vertrauen spielt man sofort befreiter auf. Und dann starten wir gleich mit zwei Auswärtssiegen innerhalb von vier Tagen (davor war Augsburg seit März auswärts sieglos, die Red.). Einen besseren Start kann man sich kaum vorstellen."
Wie finden Sie den Spitznamen "Zu-Null-Zesi"?
"Ich würde ihn gerne noch eine Weile behalten."
Am Samstag könnten Sie einen Bundesliga-Rekord egalisieren, wenn Sie zum achten Mal in Folge ein Spiel ohne Gegentor beenden. Ein besonderer Anreiz?
"So würde ich es nicht ausdrücken. Es ist schön zu wissen, dass ein Rekord möglich ist. Aber wenn wir 2:1 gewinnen, freue ich mich genauso wie über ein 1:0. Der Erfolg der Mannschaft steht immer über dem Erfolg des Einzelnen."
Für Sie ist es sowieso ein besonderes Spiel. Sie treffen auf den Verein, der Sie nach Augsburg ausgeliehen hat, also eigentlich auf Ihre Teamkollegen.
"Ich freue mich auf das Spiel. Ich habe immer noch viel Kontakt zu den Spielern, bis hin zum Materialwart. Während meiner Zeit in Wolfsburg sind einige Freundschaften entstanden. Vor und nach dem Spiel wird es sicher ein besonderes Gefühl sein, aber in den 90 Minuten auf dem Platz denkt man nicht daran."
Augsburg hat eine Kaufoption in Ihrem Leihvertrag. Hoffen Sie, langfristig hier bleiben zu können?
"Ich habe schon mehrfach betont, dass ich hier happy bin. Im Moment ist es sicher noch etwas früh, um konkrete Aussagen zu machen, es ist ja erst März. Aber meine Freundin und ich fühlen uns hier sehr wohl. Mein Sohn ist in Augsburg auf die Welt gekommen, daher ist die Bindung zu dieser Stadt schon sehr gross - egal, ob ich bleibe oder nicht. Und letztlich hängt dieser Entscheid auch nicht nur von mir ab."
Vor gut einem Monat wurde Ihr Sohn geboren, herzlichen Glückwunsch. Wollten Sie schon immer jung Papa werden?
"Ich habe immer gesagt, dass es cool wäre, wenn meine Kinder noch sehen könnten, wie ich Fussball spiele. Und wenn ich gesund bleibe, wird das sicher möglich sein. Das wäre natürlich besonders schön."
Von Ihren Leistungen schon jetzt Notiz genommen hat sicher auch Murat Yakin. In der Nationalmannschaft hatten Sie bisher eine etwas undankbare Rolle. Während der gesamten EM-Kampagne, der Qualifikation und der Endrunde, waren Sie im Aufgebot, kamen aber in 19 Spielen nur einmal über 90 Minuten zum Einsatz, zweimal wurden Sie spät eingewechselt, ansonsten sassen Sie auf der Ersatzbank. Im Herbst fehlten Sie dann plötzlich im Aufgebot.
"Am Ende ist es immer eine Ehre, Teil der Nationalmannschaft zu sein. Es macht mich sehr stolz, dieses Trikot zu tragen. Ich habe meine Rolle angenommen und immer versucht, alles zu geben. Dass ich in meinem Tief in Wolfsburg nicht mehr nominiert wurde, habe ich verstanden. Aber jetzt hoffe ich, dass ich wieder dabei bin und kurz- bis mittelfristig eine grössere Rolle spiele, also mehr Einsatzminuten bekomme."
Wie wollen Sie das schaffen?
"Ich muss einfach meine Leistung im Verein bringen. Je mehr ich spiele, desto mehr kann ich mich zeigen und aufdrängen. Und wenn dann die Chance kommt, muss ich sie nutzen. Ganz einfach."
Nochmals zurück zum Klubfussball: Augsburg ist seit neun Spielen ungeschlagen, so lange wie noch nie in der Bundesliga. Plötzlich sind sogar die Europacup-Plätze in Sicht. Dem "Kicker" sagten Sie: "Träumen darf man immer." Was ist in dieser Saison noch möglich?
"Wenn man sieht, wie eng es in der Liga zugeht, ist sicher viel möglich. Aber es kann auch ganz schnell nach unten gehen, wenn man seine Leistung nicht abruft. Dann nützt alles Träumen nichts. Wir wollen das derzeitige Hoch so lange wie möglich ausdehnen, weiter Punkte sammeln und dann sehen, wohin es uns führt."