Bratwurst und Bier statt Isostar für Andres Ambühl
Nach 1322 Spielen verabschiedet sich Andres Ambühl am Donnerstag von den Fans des HC Davos. Bodenständig und zurückhaltend wie in seiner ganzen Karriere. Noch strebt er aber eine 20. WM-Teilnahme an.
"Vielleicht kommen die Tränen ja noch", meint Andres Ambühl mit einem kleinen Lächeln, das seine markante Zahnlücke zeigt. Der 41-jährige HCD-Captain aus dem kleinen Sertigtal bei Davos ist kein Mann der grossen Worte und Emotionen. Gerührt ist er aber schon, als er nach dem Ausscheiden gegen die ZSC Lions minutenlang von den Fans gefeiert wird. Sie möchten ihn nicht gehen lassen, doch nach 1322 Spielen in der Nationalliga A ist für ihn Schluss.
Dass die oberste Schweizer Liga während dem grösseren Teil seiner Karriere noch nicht neumodisch National League hiess, passt zum Captain mit der Nummer 10. Andres Ambühl ist in der durchgetakteten Sportwelt, in der immer mehr Zahlen, fortgeschrittene Statistiken und Leistungsdaten über Sein oder Nichtsein bestimmen, ein Anachronismus.
Gestählt durch eine körperlich harte, aber wie er selber einmal sagte "herrliche Kindheit" auf dem Bergbauernhof und der Alp seiner Eltern verfügt er über eine natürliche Robustheit, ein herausragendes Gefühl auf den Schlittschuhen, taktische Schlauheit und - vor allem - eine überbordende Freude, auf dem Eis zu stehen. Es ist wohl das Geheimnis für die Langlebigkeit Ambühls. Als er am 17. Februar 2001 sein erstes Profispiel für den HCD machte, war George W. Bush gerade eben als Präsident der USA vereidigt worden und standen die Türme des World Trade Centers noch.
Mittlerweile hat er sich an die vielen Lobpreisungen gewöhnt, er würde sie wohl "hübsch" nennen, wirklich wichtig sind sie ihm aber nicht. "Ich hatte das Glück, dass ich die grösste Zeit mit sehr guten Mitspielern in guten Mannschaften spielen durfte", sagt er bescheiden. "Das hat alles erst ermöglicht." Als besten Mitspieler nennt er nach einigem Nachdenken nicht einen der ausländischen Stars oder Nationalmannschaftskollegen wie Roman Josi oder Kevin Fiala. "Am Besten war sicher die Zeit mit 'Guggi' (Peter Guggisberg). Es hat extrem viel Spass gemacht, in einer Linie mit 'Guggi' und Rizzi zu stürmen."
Es passt auch perfekt zu Ambühls Verständnis von Teamgeist, dass er zum Abschied nicht alleine auf dem Eis gefeiert wird, sondern mit dem ebenfalls zurücktretenden Marc Wieser. Zum letzten Mal wettkampfmässig die Schlittschuhe geschnürt hat Ambühl aber aller Wahrscheinlichkeit noch nicht. Nationaltrainer Patrick Fischer hat durchblicken lassen, dass alle Silbergewinner vom letzten Jahr eine Chance erhalten sollen, sich auch für die kommende WM zu empfehlen.
Nach einer durchzogenen Saison, in der Ambühl das Alter erstmals etwas anzusehen war, blühte er in den Playoffs noch einmal richtig auf. Das 3:6 fünf Minuten vor Schluss, mit der er nochmals ein bisschen Pfeffer in die Partie brachte, war sein vierter Treffer. Dass er einem Aufgebot Folge leisten würde, steht für "Büeli" ausser Frage. "Jetzt ist noch etwas früh", sagt er kurz nach dem Spiel. "Aber ja, wenn ich aufgeboten werde, würde ich das gerne machen." Es wäre seine 20. (!) WM, den weltweiten Rekord hält er ohnehin schon.
Einer, der sich über seine Teilnahme freuen würde, ist Sven Andrighetto. Der derzeit überragende Stürmer auf Schweizer Eis unterhält sich nach dem Ende lange mit Ambühl. "Ich hatte das Privileg, ein paar Mal an Weltmeisterschaften mit ihm spielen zu dürfen", schwärmt der Zürcher. "Er ist einfach ein toller Mensch, ein tolles Vorbild, auch für uns. Und er war auch jetzt wieder der beste Davoser." Die angesprochenen Leaderqualitäten waren bei Ambühl schon in jungen Jahren präsent. 2001 war er Captain, als die Schweizer U18-Nationalmannschaft die WM-Silbermedaille gewann.
Die Wertschätzung für Ambühl ist in der ganzen Schweiz riesig. Achtmal wurde er von den Fans zum beliebtesten Spieler gewählt. Spätestens nach der WM ist nun aber Schluss. Wie wird er sich im September fühlen, wenn es wieder losgeht und er erstmals seit einem Vierteljahrhundert nicht auf dem Eis stehen wird? "Die nächsten Tage werden komisch", gibt er zu. "Aber es ging ja auch bis jetzt immer weiter." Etwas Gutes werde ihm sicher einfallen, meint er schmunzelnd. "Dann schaust du halt zu, isst eine Bratwurst und trinkst ein Bier statt ein Isostar."
Bratwurst und Bier - auch das wird zum Bauernbub, der mittlerweile selber zwei Töchter hat, passen. Und in irgendeiner Funktion wird er dem Hockey sicher erhalten bleiben. Dafür ist seine Leidenschaft für diesen Sport zu gross. Auch ohne Tränen.