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Bieler Euphorie trifft auf Berner Tristesse

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Während Trainer Giorgio Contini die Young Boys nach dem Cup-Aus in Biel in eine vergangene Zeit katapultiert sieht, ist die Euphorie beim Promotion-League-Klub aus dem Seeland riesig.

Oliver Zesiger hat aufregende Tage hinter sich. Der Sportkoordinator des FC Biel war in der letzten Zeit stark eingebunden in der Organisation des Cup-Halbfinals gegen die Young Boys – wie jedes andere Mitglied des Vereins. Schliesslich wollte sich der Klub aus der Promotion League dem hohen Besuch aus der Super League von der besten Seite präsentieren.

Als Zesiger am späten Samstagabend durch die Katakomben der Bieler Tissot Arena läuft, hat er wieder alle Hände voll zu tun – wortwörtlich. Denn wohin der 42-Jährige auch kommt – es werden ihm Hände entgegengestreckt zur Gratulation. Dafür, dass der FC Biel an diesem kühlen Frühlingsabend etwas geschafft hat, das Zesiger sagen lässt: "Ich bringe das Lachen gar nicht mehr aus dem Gesicht."

Der FCB steht nach einem 1:0 gegen die Young Boys im Cupfinal. Was nach einem unspektakulären Resultat tönt, ist die Synthese aus einem wilden Potpourri an Emotionen, strittigen Entscheiden und Diskussionen. Malko Sartoretti wird dank seines Penaltytreffers in der 99. Minute zum gefeierten Helden. Doch dass nach dem Schlusspfiff nicht nur Spieler und Trainer vor den Mikrofonen stehen, sondern auch Schiedsrichter Alessandro Dudic, zeigt, dass der Unparteiische eine anspruchsvolle Begegnung zu leiten hatte, in der trotz Unterstützung durch Videoassistent Sven Wolfensberger wohl nicht alle zu denselben Entscheiden gekommen wären.

Dass YB-Goalie David von Ballmoos den Bieler Stürmer Abdoulaye Coulibaly vor dem entscheidenden Penaltypfiff berührt, wird aus den Fernsehbildern nicht zweifelsfrei ersichtlich, Dudic versichert aber, er sei gut positioniert gewesen und habe zudem den Kontakt akustisch wahrgenommen. Der 36-Jährige war sich im Spiel seiner Sache so sicher, dass er auch darauf verzichtete, die Szene auf dem Bildschirm zu verifizieren. "Ich würde alles noch einmal genau gleich entscheiden", sagt Dudic, der zudem ein YB-Goal wegen Abseits annullierte, einen gegebenen Penalty für die Bieler zurücknahm und den vermeintlichen Ausgleich der Berner in der Nachspielzeit der Verlängerung nach einem Handspiel aberkannte.

Diese Auswahl an Szenen lässt erahnen, wie turbulent und spektakulär diese Halbfinalpartie phasenweise war – und wie sie damit so gar nicht nach dem Gusto von Giorgio Contini verlaufen ist. Als der YB-Trainer sich kurz vor Mitternacht vor den medialen Halbkreis stellt, spricht er leise. Es ist spürbar, dass der 51-Jährige mit seiner Analyse eine unangenehme Pflichtaufgabe zu erfüllen hat. "Es ist eine grosse Enttäuschung", sagt Contini. "Wir hätten genug Chancen gehabt, den Match zu gewinnen, aber heute hat es uns an der Effizienz gefehlt."

Der Coach denkt etwa an die Abschlüsse von Alan Virginius und Christian Fassnacht in der ersten oder Chris Bedia und Lukasz Lakomy in der zweiten Halbzeit beziehungsweise der Verlängerung. Er könne seiner Mannschaft keine Vorwürfe machen, zumal sie auch in Unterzahl in der 120. Minute nach vorne gestürmt sei und versucht habe, etwas zu kreieren. "Aber diese Niederlage katapultiert uns schon etwas zurück in die Zeit vor Weihnachten."

Damals war Contini gerade erst YB-Trainer geworden. Er hatte aber natürlich mitbekommen, wie verunsichert, konzept- und harmlos die Berner in der ersten Saisonhälfte teils agiert hatten. Diese Phase glaubte man in Bern überwunden zu haben. Kurzzeitig kamen unter den Lauben auch wieder Meisterträume auf. Mit acht Punkten Rückstand auf den FC Basel fünf Runden vor Schluss lösten sich diese aber zuletzt in Wohlgefallen auf, sodass aktuell realistischer scheint, dass YB wieder einmal ein Jahr ohne Titel erleben muss. "Es ist ein Nackenschlag, von dem wir uns erholen müssen, aber wir haben noch Ziele in der Meisterschaft und wollen diese gut abschliessen."

Während diesen Worten ist es immer noch laut im Stadion. Minutenlang lassen sich die Spieler der Bieler feiern, hüpfen und tanzen auf dem Rasen. Ins "We are the Champions" des euphorisierten DJs mischen sich aber das dumpfe Geräusch von Knallpetarden und Fluchtiraden aufgebrachter Fans in gelbschwarz.

Nur kurz suchen die YB-Spieler die Nähe zu den zahlreich mitgereisten Supportern. Als einige Bierbecher geflogen kommen und sie mit Pfiffen und Beschimpfungen eingedeckt werden, verschwinden sie schnurstracks in der Kabine, und Sicherheitskräfte stellen sich vor die Kurve. "Die Fans und der Verein haben es nicht verdient, dass wir so auftreten", sagt Contini und versucht zu beschwichtigen. Dennoch scheint einigen mit gelbschwarzem Herz in den Erfolgsjahren seit dem Meistertitel 2018 die Demut abhandengekommen zu sein, dass Niederlagen genauso zum Profisport gehören wie rauschende Feste im Erfolg.

Apropos rauschendes Fest. Dieses gehört an diesem Abend dem FC Biel, der nicht nur den Aufstieg in die Challenge League im Visier hat und in der Liga nach Verlustpunkten Leader ist, sondern am 1. Juni zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte einen Cupfinal wird bestreiten können. Freddy Mveng hat diesbezüglich Erfahrung. Mit Xamax und Sion stand der 32-Jährige schon je in einem Endspiel des Cups, die Sandoz-Trophäe konnte der Mittelfeldspieler mit kurzer YB-Vergangenheit aber noch nie in die Höhe stemmen. Das soll sich nun ändern. "Jetzt sind wir im Final, jetzt wollen wir ihn auch gewinnen." Gegen wen denn am liebsten, Freddy? "Das ist egal. Lausanne, Basel, Barcelona, Real Madrid. Wenn wir unser Spiel spielen und etwas Glück haben, können wir gegen jeden Gegner bestehen."

Er verabschiedet sich mit einem breiten Grinsen. Und als in der Arena nur noch vereinzelte Lichter brennen, verrät das Hupen eines vorbeifahrenden Autokorsos, dass das Fest noch lange andauern dürfte. Also nicht nur "Ici c’est Bienne", sondern auch "ici c’est fête."

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