Bieler Cup-Überraschung: Haben Sie etwas anderes erwartet?
Der FC Biel-Bienne steht im Schweizer Cupfinal. Als erster Klub aus dem Amateurlager, pünktlich zum 100. Geburtstag des traditionsreichen Wettbewerbs. Eine Überraschung, sicherlich, aber spätestens seit dem Coup gegen Lugano keine völlig unerwartete Sensation. Schliesslich bestätigte der Cup-Thriller vom Samstagabend einfach Vieles, was schon die ganz Saison über auf Schweizer Fussballplätzen beobachtet werden kann.
Kein echter Grosser
Natürlich, es gibt sie, die budgettechnischen Giganten des Schweizer Fussballs, namentlich in Basel (66,20 Mio. Euro Marktwert), Bern (65,73 Mio.) und in Lugano (64,90 Mio.), die Kraft ihrer finanziellen Potenz die hiesige Liga (und erst recht diejenigen darunter) dominieren müssten und es hin und wieder auch tun. Aber speziell in der aktuellen Spielzeit gilt: Es gibt in unserem Profi-Fussball derzeit kein Team, dass hohen nationalen und durchschnittlichen internationalen Ansprüchen genügt. Dazu genügt ein Blick auf den Punkteschnitt des Super-League-Tabellenführers (1,85 / Spiel), ein Verweis auf die Ergebnisse unserer Klubs auf europäischer Bühne und natürlich die noch immer anhaltende, scheinbar unverrückbare resultat- und leistungsmässige Beliebigkeit der Super League und ihrer zwölf Klubs. Auch der diesjährige Cupwettbewerb ist diesbezüglich keine Ausnahme, scheiterten mit YB, Servette, Luzern, Lugano und St. Gallen doch nicht weniger als fünf der ambitioniertesten Superligisten vorzeitig an unterklassigen Gegnern. Eine zweifelhafte Bilanz, die auch der jüngst erstarkte FC Basel nicht korrigieren kann. Schliesslich haben auch die Bebbi in der Saison 20224/2025 „erst“ knapp 61% ihrer Pflichtspiele gewinnen können (inkl. den fünf Siegen im Cup).
Zu glänzen ist schwer, zu gewinnen fast genau so sehr
So sehr es dem Schweizer Fussball in der aktuellen Spielzeit an herausragenden Teams und Individualisten mangelt (Ausnahmen bestätigen die Regel), so sehr verfügen wir im nationalen Spitzenfussball mittlerweile über eine Breite, die mit Sicherheit die beiden Profiligen sowie auch den einen oder anderen Amateurligisten umfasst. Hier bringen nahezu alle Spieler und alle Teams das notwendige physische und spieltaktische Niveau mit, um dem jeweiligen Antipoden das Leben richtig schwer zu machen. Zwar ohne dabei spielerisch zu glänzen, aber dennoch so, dass es für jeden Schweizer Klub eine Herausforderung darstellt, ein Spiel unabhängig vom Tabellenstand des Gegners für sich zu entscheiden. Nicht umsonst leisten sich die Top-Teams der Liga immer wieder Ausrutscher und reihen gewisse Teams über mehrere Wochen Unentschieden an Unentschieden. Seit der Ligaaufstockung vor zwei Jahren ist die Liga näher zusammengerückt, auf Kosten einer Nivellierung nach unten. Auch das kommt einem ambitionierten Aussenseiter wie dem FC Biel zu Gute. Vorausgesetzt er ist dazu in der Lage, im entscheidenden Moment sein Leistungsoptimum abzurufen.
Das (ungewollte) Zünglein an der Waage
Die nicht sonderlich ausgeprägte Nivellierung in unserem Fussball führt auch dazu, dass der Spielleitung Woche für Woche eine entscheidende Rolle zukommt. Unglücklicherweise, befinden sich die Herren und Damen in Schwarz (sowie im VAR-Studio) in diesem Jahr in regelmässigen Abständen nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe. Manchmal kann mal als Beobachter des Schweizer Fussballs schon fast gar nicht mehr hinsehen, so häufig wechseln sich Fehlentscheide sowie eine fehlende, nachvollziehbare Linie in der Regelauslegung miteinander ab. Auch in Biel am vergangenen Samstag, wo das Zusammenspiel zwischen VAR (Wolfensberger) und Schiedsrichter (Dudic) ausgerechnet in der spielentscheidenden Szene plötzlich nicht funktionierte, nachdem sich die beiden zuvor und danach gemeinsam durch drei heikle Situationen gearbeitet hatten. So aber sprach bereits vor Abpfiff in Biel die halbe Fussballschweiz nur noch vom jüngsten Fauxpas der Schiedsrichtergilde, die es zuliess, dass dem einzigen Tor im Cup-Halbfinal eine Akrobatikeinlage des Bielers Socka Bongué zu Grunde lag. Da sind dann auch Hinweise auf die generell ungenügende Leistung der Bundesstädter als Erklärung nicht ausreichend. Ein Fehler dieser Magnitüde, zu diesem Zeitpunkt und nach diesem Spielverlauf, darf nicht passieren und war an diesem Abend Biels entscheidendes Glück. Bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Wochen das Meisterrennen und der Abstiegskampf nicht auch auf diese Art und Weise entschieden werden.