Aus der Not eine Tugend gemacht
Der nur 1,68 m grosse Zuger Stürmer Lino Martschini ist ein Phänomen. In der abgelaufenen Qualifikation der National League ist er der beste Schweizer Skorer. Null soll mit dem EVZ der Titel her.
An einem Spiel in Schweden vor einigen Jahren erkundigt sich ein NHL-Scout bei einem Schweizer Journalisten über Draft-Kandidaten hierzulande. Dieser nennt ihm zwei Namen, worauf er nach einer kurzen Recherche antwortet: "Keine Chance, zu klein". Das sagt einiges aus. Grösse ist im Eishockey selbstredend nicht alles, hilft aber bis zu einem gewissen Mass.
Zwar spürt der 33-jährige Martschini den Grössennachteil auf internationalem Niveau - nicht umsonst wurde er bisher "nur" zweimal für eine WM berücksichtigt. In der National League dagegen ist er seit Jahren ein verlässlicher Punktesammler, in 720 Spielen verzeichnete er 256 Tore sowie 333 Assists. Am vorletzten Montag durfte er zum vierten Mal an der PostFinance-Topskorer-Ehrung den EVZ repräsentieren. Die Qualifikation beendete er mit 18 Treffern und 26 Assists als bester Schweizer Skorer hinter zehn Ausländern. Es war in seiner 13. Saison in der höchsten Schweizer Liga das siebente Mal, dass er die Regular Season mit mehr als 40 Punkten abschloss. Das ist eine beeindruckende Konstanz.
Wenn man Martschini zuschaut, stechen seine schlittschuhläuferischen Fähigkeiten sowie die Schussgewalt heraus. Er hat aus der fehlenden Grösse eine Tugend gemacht, sah diese nie als Hürde, sondern vielmehr als Segen. "Ich wusste schon früh, dass ich, um mich durchzusetzen, schneller und wendiger sein muss, ich anders in die Duelle gehen, das Spiel besser lesen und auch gut schiessen können muss. Ich wollte in der Offensive stets produzieren, denn es gab nur diesen Weg", sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. So versucht er noch heute, in jedem Training Tore zu schiessen. "Es gibt keine Zauberformel, sondern ist tägliche Arbeit", betont er.
Zwar wurde Martschini schon hie und da gesagt, dass es auf der nächsten Stufe nicht mehr reiche. "Ich liess dies aber nie zu nah an mich herankommen. Das Gute war, dass ich Leute um mich herum hatte, die an mich glaubten. Dann glaubt man selber auch daran."
Martschini sagte im Februar Nationaltrainer Patrick Fischer für das dritte Turnier der Euro Hockey Tour in dieser Saison ab, legte den Fokus stattdessen auf die Regeneration. Er macht keinen Hehl daraus, dass er mit dem EVZ zum dritten Mal nach 2021 und 2022 Schweizer Meister werden möchte. Die Zentralschweizer schlossen die Qualifikation auf dem 4. Platz ab und bekommen es im Viertelfinal mit Davos zu tun.
"Wir hatten die ganze Saison ein Auf und Ab", so Martschini. "Dass wir uns in der letzten Runde den Heimvorteil erspielten, ist extrem wichtig." Auf das am Freitag beginnende Duell mit Davos blickt er mit grosser Vorfreude, auch weil der Davoser Trainer Josh Holden heisst - der Kanadier hat eine lange Vergangenheit bei den Zugern als Spieler sowie Assistent von Dan Tangnes. Letzterer kehrt nach dieser Saison nach sieben Jahren als Headcoach der Zentralschweizer nach Schweden zurück. Gibt das einen Extra-Kick? "Es ist sicher im Hinterkopf von allen, dass wir Dan möglichst schön verabschieden wollen. Er hat für den ganzen Verein extrem viel gemacht."