Auch Djokovic kritisiert Anti-Doping-System
Die milde Dopingsperre gegen Jannik Sinner sorgt weiter für Kritik. Novak Djokovic spricht von einem Gefühl der Bevorzugung. Ein deutscher Doping-Experte erhebt Vorwürfe gegen die WADA.
Aus Sicht von Djokovic hat das Gros der Tennisprofis durch den Fall Sinner das Vertrauen in das Anti-Doping-System verloren. Es gebe das Gefühl einer Vorzugsbehandlung, sagte Djokovic am Rande des ATP-Turniers in Doha.
Er ziehe nicht die Unschuld von Sinner in Zweifel, betonte der Serbe. "Aber eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es nicht fair ist. Eine Mehrheit der Spieler denkt, dass es eine Bevorzugung gibt. Es scheint, dass du beinahe den Ausgang beeinflussen kannst, wenn du ein Topspieler bist, wenn du Zugang zu Topanwälten hast. Es ist kein gutes Bild für unseren Sport, das ist sicher."
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einigte sich am Samstag mit Sinner in einem Vergleich auf eine dreimonatige Sperre bis am 4. Mai. Sinner, der im Mai 2024 positiv auf das verbotene Mittel Clostebol getestet wurde und dies mit einer Kontamination durch die Hände seines Masseurs erklärte, verpasst damit kein Grand-Slam-Turnier und bleibt Führender in der Weltrangliste. Vor der WADA hatte die verantwortliche Tennis-Agentur ITIA kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit gesehen und auf eine Sperre verzichtet.
Vor Djokovic hatten sich unter anderen auch Stan Wawrinka ("Ich glaube nicht mehr an einen sauberen Sport") und Nick Kyrgios ("Ein trauriger Tag für das Tennis") negativ zum Urteil geäussert. Auch der Dopingfall von Iga Swiatek trägt zum schlechten Bild bei. Die polnische Weltranglistenerste wurde im vergangenen Jahr nach einem positiven Test auf die verbotene Substanz Trimetazidin für einen Monat gesperrt.
Noch schärfer fiel die Replik des deutschen Doping-Experten Fritz Sörgel aus. Der Pharmakologe bezeichnete die Einigung mit Sinner auf eine Sperre von drei Monaten gegenüber dem Portal "Sport1" als eine Form von Selbstaufgabe, die die WADA betreibe. "Das Ausmass, in dem sie Sinner hier entgegenkommt, ist im Ergebnis die völlige Aushebelung des Prinzips der 'Strict Liability', der kompromisslosen Eigenverantwortung des Athleten, welche Substanzen in seinen Körper kommen. Das ist verheerend."
Sörgel sieht in erster Linie eine Gefahr für die Zukunft des Anti-Doping-Kampfes. "Damit verliert das System einen Anker. Auf den Fall Sinner und einige andere wird sich in Zukunft jeder berufen und eine milde Strafe für einen positiven Dopingtest einfordern können - solange ihm irgendeine dürre Ausrede dafür einfällt", sagt Sörgel. "Was den Anti-Doping-Kampf angeht, hat der Tennissport schon früher keine ruhmreiche Rolle gespielt. In diesem Fall hat er seinen Rest-Anstand über Bord geworfen."